Ladenkonzepte // New Order
Die neue Ordnung der Dinge
»Spezialisiere dich mit deinem Ladengeschäft, dann wirst du es weit bringen«, lautet ein gerne gegebener Rat an Fahrradhändler. »Investiere in ein großes Fachgeschäft in guter Lage, das ist die Zukunft«, lautet ein anderer. Dazwischen, so könnte man manchmal denken, gibt es nur wenig Luft für andere Konzepte, die nicht zwischen den Marktentwicklungen zerrieben würden.
Dass es doch anders gehen könnte und kann, zeigt der erste stationäre Shop von Bike Mailorder (BMO). Das Unternehmen ist bisher vor allem als Online-Anbieter bekannt und streckt nun seine Fühler erstmals nach einer stationären Präsenz aus. Das Ergebnis ist ein Shop-Konzept, das sehr ungewöhnlich ausfällt.
Auf 200 Quadratmeter Fläche haben die Verantwortlichen ein Konzept umgesetzt, das sich vorgenommen hat, »den Handel neu zu ordnen, die Darstellung und Präsentation eines Fahrradladens zu überdenken und die Verknüpfung von online und offline voll auszuspielen«, wie es in der eigenen Broschüre heißt. New Order heißt der neue Shop, der dieses anspruchsvolle Programm umsetzen will.
Treibender Kopf hinter dem neuen Shop ist Sven Mack. Die meisten Branchenvertreter kennen Mack vor allem als Geschäftsführer von Vertreiber Sports Nut, er ist aber gleichzeitig der Geschäftsführer von Bike Mailorder. Seit 2016 ist der Onlineshop eine hundertprozentige Tochter von Sports Nut, die aber komplett auf eigenen Beinen steht. Die Bereiche sind seit jeher klar getrennt. Mack kümmert sich bei BMO vornehmlich um strategische Fragen, das Tagesgeschäft leitet ein zweiter Geschäftsführer.
Modularer Aufbau und steter Wandel
»Modular Bike Store for Cycling Culture«- so nennt Bike Mailorder das Konzept selbst. »Es soll nicht nur ein Showroom sein, nicht nur eine ›Messe‹, in der die Produkte schön dargestellt werden, auch wenn das wichtig ist«, erklärt Sven Mack. »Es soll ein Store sein, in dem man auch etwas kaufen kann.« Die Besonderheit ist aber, wie genau die Produkte und Produktwelten vorgestellt werden. »Er soll modular sein«, was in diesem Fall bedeutet, dass alle acht bis zwölf Wochen die gezeigte Themenwelt im Shop komplett ausgetauscht wird. Ende Juli eröffnete der neue Shop mit dem ersten Schwerpunkt Gravel. Inzwischen ist der Umbau zur nächsten Themenwelt »Next Level Fitness« erfolgt. Innerhalb von drei bis vier Tagen wurde umgebaut auf das neue Thema Fitness. In dieser Zeit war der Laden geschlossen. »Das war recht zügig«, sieht Mack, geht aber davon aus, dass mit mehr Routine diese Zeit noch kürzer ausfallen kann.
Doch wie sind die Ergebnisse nach dem ersten Kapitel Gravel? Ist das Team von BMO mit den Resultaten zufrieden? »Wir sind sehr zufrieden«, sagt Mack. »Wir hatte für den Start erstmals eine geringe Erwartungshaltung an den Umsatz. Natürlich möchten wir unsere Kosten decken und mittelfristig unsere geplanten Umsätze realisieren. Dies hatte für uns im ersten Schritt allerdings keine Priorität. Für uns war wichtig, dass das Drumherum passt. Wir wollten auf keinen Fall das Konzept aufweichen, wir wollten etwas Neues kreieren und dem Konzept treu bleiben.« Eine Selbstverständlichkeit ist das auch für ihn nicht. »In der Praxis ist das nicht so einfach wie in der Theorie. Man muss immer im Voraus wissen, was die nächsten Themen sein werden, und entsprechend vorarbeiten und mit Partnern sprechen.« Mit Gravel habe das schon mal sehr gut funktioniert.
Aktuell präsentieren Wahoo als Hauptpartner und Trek mit den passenden Rädern die neueste Themenwelt. Über ein langes Wochenende wurde der Shop umgebaut, der nun als »Wahoo-Museum« die Produktwelt des Elektronikspezialisten zeigt. So wird die Entstehungsgeschichte gezeigt, die Kunden können die aktuellen Produkte auch gleich kaufen. Die zwei Mitarbeiter sind auf das Thema geschult und stehen grundsätzlich vor der Herausforderung, alle acht bis zwölf Wochen einen neuen Schwerpunkt präsentieren zu dürfen, in den sie sich intensiver einarbeiten müssen, als das vielleicht bei einem Allrounder der Fall wäre, dem man nachsieht, dass er ab einer gewissen Detailtiefe Informationen nachschauen muss.
Wichtig ist im Shop auch der Kulturanspruch, der in der Fahrradwelt gelebt und ernst genommen wird. »Das hat inzwischen ganz viele Facetten. Das Fahrrad ist heute Ausdruck einer Lebenseinstellung und der Persönlichkeit. Es gibt nicht nur die Rennrad- und Coffeeshop-Kultur, sondern beispielsweise auch eine Werkstattkultur und viele weitere Subkulturen, die wir in diesem Bereich auf neue Weise zelebrieren werden«, beschreibt Mack die Szene. All das soll neben einem ebenso möglichen Meet-and-Greet bei New Order abbildbar sein. »Es soll Mehrwert bieten. Wir planen um die Hauptthemen immer wieder Events wie Ausfahrten oder Vorträge mit den Partnern. Wir wollen ein bisschen tiefer eintauchen, als es ein normaler Fahrradladen vielleicht machen kann.«
Auf den 200 Quadratmetern Fläche ist nur ein sehr kleiner Teil als Lagerfläche vorgesehen. Mehr brauche es erst einmal nicht, denn als Versender hat BMO natürlich ein zentrales Lager in Berlin und kann sehr kurzfristig auf eine riesige Produktauswahl zurückgreifen. Ein großes Lager direkt im Laden ist damit schlicht nicht nötig. Überhaupt geht der Online-Bezug nicht verloren. Insbesondere das Thema Multichannel spielt eine relevante und prominente Rolle. »Was wir können und machen wollen ist, unsere Kundendatei zu nutzen. In der Region Berlin sind wir stark, BMO hatte lange Jahre eine ›Abholtheke‹ am Logistikstandort. Die Datenbank kann nun dazu verwendet werden, um die Kunden mit den richtigen Themen zu bespielen.« Der neue Shop soll allerdings ausdrücklich keine neue Abholstation werden. »Das wollten wir explizit vermeiden«, verdeutlicht Mack. Stattdessen gibt es eine kostenlose Lieferung nach Hause für Produkte, die nicht sofort mitgenommen werden können.
Multichanneling und Partnerschaften als Antrieb
Neben dem Marketingpotenzial gab es für Mack aber noch andere wichtige Gründe für den Shop. »Multichanneling ist in irgendeiner Form sicher ein Thema«, erklärt Mack, doch ein anderer Aspekt war nicht minder wichtig: »Wir bemerken, dass die Partnerschaft mit unseren Lieferanten extrem wichtig ist und immer wichtiger wird. Der Shop soll ein Tool sein, mit dem wir unter anderem bestimmten Marken, Partnern, Lieferanten eine Spielwiese geben können. Die Partnerschaft mit den Lieferanten ist exorbitant wichtig, das sieht man auch an der Situation, in der wir uns gerade befinden. Es ist ein Verkäufermarkt geworden und nicht mehr ein Käufermarkt. Man verteilt die Ware, da stellt sich natürlich die Frage, nach welchen Kriterien verteilt wird.« Dass der Shop auch auf dieser Seite Interesse erzeugt, zeigt sich daran, dass sich viele Lieferanten schon den Laden angeschaut haben.
Auch auf der Kundenseite ist das Echo bisher durchweg positiv. »Generell sind die Reaktionen fantastisch. Die Kunden kennen so etwas nicht. Es ist einfach ein schöner Laden, in den man gerne hineingeht. Das ist die erste Reaktion«, berichtet Mack. Wobei auch er zunächst nicht sicher war, »wie der Gravel-Kunde reagieren wird, wenn sein neuer Anlaufpunkt beim nächsten Besuch ein Kinderradladen ist. Ich habe mir das so beantwortet: Fahrrad ist so vielseitig, dass jeder Kunde verschiedenste Touchpoints mit dem Thema hat. Jemand der Gravel fährt, fährt nicht nur Gravel. Er kommt vom Rennrad oder MTB, hat vielleicht Kinder oder trainiert jetzt auf der Rolle. Egal, was da gezeigt wird, es ist wahrscheinlich etwas, womit er in irgendeiner Form einen Bezugspunkt hat, sei es für ihn selbst oder die Familie.«
Im nächsten Jahr wird unter anderem das Thema E-Bike bespielt. Mit diesem Ansatz, immer ein Spezialist auf Zeit zu sein, haben sich BMO und New Order also ein ziemlich anspruchsvolles Projekt geschaffen. Mack ist zuversichtlich, dass die Mühe belohnt werden wird: »Ich bin überzeugt, das kann funktionieren und das wird funktionieren.« //
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