Report - Bidex
Digitale Kunden-Rutsche
Wer auf der Suche nach einem bestimmten Produkt ist, wird im Internet mittlerweile schnell fündig. Und ein Kauf ist nach nur wenigen Clicks unter Dach und Fach. Online-Shops von Herstellern und Händlern oder digitale Marktplätze greifen den Kunden im Netz ab – zum Leidwesen des stationären Fachhandels. Bei Fahrrädern und insbesondere bei E-Bikes hat der Fahrradladen um die Ecke allerdings oft noch die besseren Karten. Wer mehrere Tausend Euro für ein E-Bike ausgibt, der kauft nicht die Katze im Sack. Intensive Beratung und Probefahrt – das schafft auch das Internet nicht. Steffen Alberth, Leiter von Vertrieb und Service bei der Winora Group, erklärte dazu jüngst bei den Winora Dealer Days: »Im deutschen Fahrradmarkt spielt der Fachhandel eine prominente und erfolgreiche Rolle und wir erwarten, dass dies auch in der absehbaren Zeit der Fall sein wird. Natürlich bewegt sich auch in Deutschland der Verbraucher zunehmend in der digitalen Welt. Wir sind aber überzeugt, dass unsere Fachhandelspartner für den Verkauf, die Auslieferung und den Service unserer Fahrräder bestens positioniert sind, um weiterhin eine zentrale Rolle zu spielen«.
Allerdings müsse sich der stationäre Fahrradhändler trotzdem anstrengen, um online für den Konsumenten sichtbar zu sein. Aber dafür fehlen oft Zeit und Kompetenz, um sich mit Themen wie Website-Aktualisierung oder Suchmaschinen-Marketing auseinander zu setzen. So ist es nicht verwunderlich, dass ein potenzieller Fahrrad- oder E-Bike-Käufer bei der Internetrecherche, aber aber auch durch Vorinformation oder Empfehlung Dritter eher auf der Website eines Fahrradherstellers landet. Dort findet er meist viele detaillierte Informationen zum Einsatzweck der verschiedenen Räder, zu Ausstattung, Farb- und Rahmenoptionen oder auch den Verkaufspreis. Integrierte digitale Kaufberater unterstützen bei der Reise durch den Angebotsdschungel, sodass am Ende dieser spannenden Reise schon ein ganz konkreter Kaufwunsch entstanden ist.
Kauferlebnis bricht ab
»Doch an dieser Stelle bricht das Kauferlebnis im Internet abrupt ab«, erläutert Thomas Schwerdtner, seit kurzem als Projektleiter bei der Bidex GmbH tätig. Eine Händlersuchmaschine bringt ihn nicht wirklich weiter. Sie zeigt nur an, dass ein Händler diese Marke im Sortiment hat. Der Kunde erfährt darüber nicht, ob der Händler das gewünschte Produkt führt oder ob es gar verfügbar ist. Und nur wenige Kunden haben an dieser Stelle Lust, telefonisch oder per E-Mail mit einem Händler Kontakt aufzunehmen.
Schwerdtner kennt solche Situationen, schließlich war der 52-Jährige viele Jahre lang selbst Inhaber eines Fahrradgeschäfts in Fürth, bevor er sich einer neuen Herausforderung bei Bidex stellte. »Zwischen Online-Information auf der Hersteller-Website und dem stationären Fachhandelspartner klaffte bislang eine Lücke, die es zu schließen galt. Mit dem neuen eCommerce-Tool BikeLocal von Bidex werden Hersteller und Fachhändler künftig gemeinsam in die Lage versetzt, diese Lücke zu schließen«.
Die Bidex GmbH ist ein Konsortium von vier namhaften Unternehmen mit Bezug zur Fahrradbranche (siehe Kasten), das sich zur Aufgabe gemacht hat, gemeinsam wichtige Grundlagen für innovative Online-Anwendungen für den Fachhandel zu erarbeiten. Über Bidex können beispielsweise Warengruppenschlüssel, Produktdaten und auch Marktdaten in standardisierter Form, wie z. B. über Velonnect, zur Verfügung gestellt werden. Mit BikeLocal präsentiert die Bidex jetzt ein neues eCommerce-Tool für den Fachhandel, das in Zusammenarbeit mit der Winora Group entwickelt und jetzt gemeinsam auf dem Markt gebracht wird.
Was ist BikeLocal?
BikeLocal ist genau die Schnittstelle, die nötig ist, um dem Kunden den nahtlosen Übergang vom Einkaufserlebnis online im Fahrradladen weiterzuführen – also quasi eine Rutsche vom Internet direkt ins stationäre Geschäft. Und zwar mit entscheidenden Unterschieden zu einer simplen Händlersuchmaschine: Denn dort findet der interessierte Kunde ja nur den nächstgelegenen Händler der gewünschten Marke. Eine wichtige Frage bleibt nämlich unbeantwortet: Ist das gewünschte Modell dort tatsächlich auch auf Lager und steht es zu einer weiteren Ansicht oder Probefahrt bereit. Kurz gesagt: Was der Händlersuchmaschine fehlt, ist eine Verfügbarkeitsanzeige in Echtzeit. Durch BikeLocal wird dies nun ermöglicht: Vereinfacht ausgedrückt, schafft BikeLocal eine Datenverbindung zwischen der Hersteller-Website und dem Warenwirtschaftssystem des Fachhändlers. Dabei muss der Fahrradhändler nicht befürchten, dass ein Lieferant jetzt Einblick in seine Warenwirtschaft nehmen kann: Beide Systeme, das des Händlers und das des Herstellers, tauschen ihre Daten jeweils mit dem Bidex-Server aus, der somit dem digitalen Informationsfluss als neutrale Instanz zwischengeschaltet ist. Doch auch dort wird nicht angezeigt, wie viele Artikel beim jeweiligen Händler vorrätig sind, sondern ausschließlich ob sie verfügbar sind oder nicht.
Der Kunde sieht auf der Herstellerseite nahezu in Echtzeit, bei welchem Händler in seiner Nähe das von ihm gewünschte Modell tatsächlich im Laden steht. Per Maus-Click kann der Interessent dann nicht nur einen Wunschtermin für Beratung oder Kauf vereinbaren, sondern für das gewünschte Modell mit dem BikeLocal-Reservierungstool auch gleich eine entsprechende Anfrage versenden. Der Händler bekommt automatisch eine Reservierungsanfrage zugeschickt und ist somit auf den Kunden vorbereitet. Er kann sicherstellen, dass das Kundenrad fertig montiert bereit steht. Das Kauferlebnis kann für den Kunden also im Laden unmittelbar weitergehen.
»Sollte ein BikeLocal-Händler ein bestimmtes Modell nicht im Laden haben, kommt eine weitere wichtige Weiche ins Spiel«, erklärt Schwerdtner. »Es besteht für den Endkunden die Möglichkeit, per Knopfdruck die Nachlieferung des entsprechenden Modells vom Hersteller an den Händler auszulösen«. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der jeweilige Händler diese Funktion ausdrücklich für sein Geschäft zuvor freigeschaltet hat.
Egal, ob das Rad beim Händler ohnehin vorrätig ist oder vom Hersteller kurzfristig nachgeliefert wird: Der Kunde kann sich sicher sein, dass sein Wunschrad beim Händler für ihn bereits steht. Im Gegenzug bekommt der Händler einen Kaufinteressenten in den Laden, bei dem der Kaufprozess schon weit fortgeschritten ist. Das spart nicht nur Beratungszeit: »Der Verkäufer trifft auf einen Kunden, von dem eine hohe Kaufbereitschaft ausgeht«, wie Schwerdtner sagt. Und gleichzeitig wird ein großer Unterschied zu einem Online-Shop beim Hersteller oder der Click&Collect-Variante deutlich: Auf der Herstellerseite findet vorab kein konkreter Kaufabschluss statt. Der tatsächliche Kauf wird formell weiterhin im Fachgeschäft getätigt.
Überschaubarer Aufwand
Für den Fahrradhändler ist der Aufwand im Vergleich zum möglichen Nutzen gering. Das System dockt direkt an den meisten gängigen Warenwirtschaftssystemen im Fahrradhandel an. Dadurch funktioniert das System bei nahezu allen Händlern und zwar unabhängig davon, ob sie einen eigenen Onlineshop einsetzen oder nicht. Die Anbindung ans Warenwirtschaftssystem wird gemeinsam mit dem Händler koordiniert. Dafür wird eine einmalige Pauschale von 190 EUR erhoben. Darin enthalten ist auch eine Einführung und Erklärung ins BikeLocal-System. Hinzu kommt eine Jahresgebühr von 350 EUR. Pionierhändlern wird bei Buchung bis zum 03.09.2017 ein Rabatt in Höhe von 50 Prozent gewährt, sie können somit immerhin 270 EUR sparen.
Projektstart mit der Winora-Group
Bidex hat BikeLocal bisher zusammen mit der Winora-Group entwickelt. Der Fahrradhersteller bietet künftig daher seinen Fachhandelspartnern in der DACH-Region diese Verkaufsunterstützung an.
»Der Fachhandel ist und bleibt wichtigster Partner der Winora-Gruppe. Wir haben gemeinsam mit Bidex das digitale Bidex BikeLocal Tool entwickelt, das den Konsumenten stärker in den Mittelpunkt stellt und in den Fachhandel bewegt«, heißt es dazu aus Schweinfurt.
Der Startschuss fällt pünktlich zur Eurobike. Für die neue Saison wird es dann den Endkunden möglich sein, auf der Haibike-Homepage Fahrräder und E-Bikes zu reservieren und gleichzeitig einen Händler auszuwählen, der das gewünschte Rad auf Lager hat. Den Händlern wurde BikeLocal erstmals auf den Dealer-Days in Schweinfurt präsentiert – offenbar mit großem Erfolg: »Wir hatten so gut wie keinen Interessenten am Stand, der das System generell nicht unterstützen wollte«, erklärt Lars Röttger, Geschäftsführer der Bidex GmbH. Gleichzeitig habe man viel positives Feedback erhalten, das jetzt analysiert und genutzt werde, um das BikeLocal-System weiter auszubauen und noch attraktiver für den Fachhandel zu machen. »Eine äußerst gelungene Initialzündung«, sagt Röttger.
Der Weg zum Branchenstandard
In den kommenden sechs Monaten besitzt Entwicklungspartner Winora die exklusiven Nutzungsrechte für BikeLocal im Fahrrad- und E-Bikebereich. Danach steht das BikeLocal-System prinzipiell auch anderen Anbietern offen. Dabei ist der Einsatz nicht nur für Fahrräder, sondern genauso auch für Zubehör und Accessoires möglich. »Unser Ziel ist, BikeLocal als Branchenstandard zu positionieren«, sagt Schwerdtner. Mit dabei ist in jedem Fall auch Bekleidungs-Premiummarke Endura. Mit weiteren Herstellern ist man im Gespräch.
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