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Handel - E-Bike-Schulungen

E-Bikes professionell verkaufen – kann man das lernen?

E-Bikes verkaufen sich seit dem Ausbruch von Corona im Frühjahr 2020 fast von selbst. Aufgrund des Hypes sind Verkäuferinnen und Verkäufer derzeit oft gar nicht so gefordert. Doch ist der Handel auf die Zeit nach dem Boom gut vorbereitet oder sollte das Personal im Verkauf schon jetzt auf Schulungen geschickt werden? Wenn ja, wer bietet eigentlich Verkaufsschulungen zum Thema »E-Bike« an?

Viele radeln derzeit lieber zur Arbeit, anstatt öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Urlaube beginnen seit Monaten direkt vor der Haustür. Wer es sich leisten kann, investiert in ein E-Bike. Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) ist der Bestand an E-Bikes im Jahr 2020 auf 7,1 Millionen Stück gestiegen, in 2015 waren es noch zwei Millionen. Allein im letzten Jahr wurden rund 1,95 Millionen Elektroräder verkauft, stellte der ZIV in seiner Erhebung fest. Doch erste Fachleute unken: Nimmt der E-Bike-Bedarf ab, weil er gedeckt ist, zählt vor allem gut ausgebildetes Verkaufspersonal, um den Umsatz zu halten. Zu Schulungen rät auch David Eisenberger, Leiter der ZIV-Marketing- und Kommunikationsabteilung: »Cirka 70 Prozent des Absatzes läuft über den Handel und jeder stationäre Händler steht unter anderem vor der Herausforderung, mit den Online-Kanälen zu konkurrieren. Dies gelingt ihm am besten durch seine Beratungskompetenz.«


Schulungen im Team – die Fotos entstanden vor Corona – können mit den Erfahrungen der Pandemiezeit noch abwechslungsreicher gestaltet werden.

Know-how für den E-Bike-Verkauf

Das E-Bike ist bekanntlich beratungsintensiv. Individuelle Bedürfnisse müssen ermittelt werden, die Ergonomie muss stimmen. »Das Verkaufspersonal muss in der Lage sein, den Kundinnen und Kunden das richtige E-Bike für die entsprechende Anwendung zu empfehlen, ob für Sport, Tour oder Freizeit«, betont Arno Vers, Leiter der Serviceabteilung beim Antriebshersteller Brose. »Verkaufstrainings, wie Bedarfsermittlung und Entscheidungshilfen geben«, hält auch Petra Imle, Ge-schäftsführerin und Ausbilderin für die kaufmännischen Berufe bei Fahrrad Imle in Ludwigsburg, »für sehr wichtig«. Knifflig wird es bei Motor und Akku. Doch die Lehrenden bei Brose sind darauf vorbereitet: »Zu diesem Zweck ist etwa ein Verkaufsleitfaden sehr sinnvoll, der über die Charakteristika und Vorteile des Antriebs Auskunft gibt. So lassen sich auch weitere relevante Infos weitergeben, etwa wie der Akku zu lagern und zu laden ist und welche Wartungsintervalle einzuhalten sind.« Auch der Antriebshersteller Bosch eBike Systems befasst sich in seinen Schulungen mit diesen Fragen. »Mit unserem Trainingsangebot geben wir den Verkäuferinnen und Verkäufern das komplette Rüstzeug mit: Angefangen bei der klassischen Bedarfsanalyse über die Bedienung der Komponenten und Vorstellung der Möglichkeiten, die unsere Connectivity-Angebote eröffnen, bis hin zum Umgang und der Pflege von E-Bike und Akku«, berichtet Tamara Winograd, Marketing- und Kommunikationsleiterin bei Bosch eBike Systems. »Viele Kundinnen und Kunden haben auch Detailfragen zum Akku, zum Beispiel was Reichweite, Lebensdauer oder Recycling betrifft.« Themen, die auch bei Brose und Hartje eine Rolle spielen.

»Bei den Trainings für das Modelljahr 2020 kamen 52 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Werkstattbereich, 24 Prozent waren Inhaberinnen und Inhaber und 15 Prozent hatten eine Position im Verkauf.«

Tamara Winograd,Leiterin Marketing und Kommunikation Bosch eBike Systems

»Natürlich sollte sich der Verkäufer auch besser auskennen als der vorinformierte Kunde, sonst wird es im Fachhandel blamabel. Sein Sortiment sollte der Verkäufer kennen und etwas über den Tellerrad hinaussehen«, ergänzt Geschäftsführerin Imle. Fragen zum Beispiel zum Gewicht, zur CE-Kennzeichnung, zum GS-Prüfsiegel etc. sollten Verkaufsprofis ebenfalls beantworten können. »Auch Fragen zum Dienstrad oder zu Versicherungen sind ein Plus, um weitere Kompetenzen abzubilden«, beurteilt Petra Imle dieses Zusatzwissen. Der Erwerb dieses Wissens wurde mit Corona in den letzten Monaten etwas komplizierter. »Wertgarantie bot vor Corona auch Verkaufstrainings an«, erinnert sich Petra Imle. »Allerdings haben mittlerweile alle coronabedingt eine Ausrede dafür, nichts mehr anzubieten.«
Für Imle ist auch der »Umgang mit schwierigen Kunden ein wichtiges Thema, da es meine Verkäufer am meisten belastet, vor allem wenn etwas schiefgegangen ist. Und das Thema der ›Fahrzeugübergabe‹ nimmt einen immer wichtigeren Stellenwert ein.«

Hersteller fokussieren sich vor allem auf die Werkstatt

Dass sich die Mehrheit der Schulungen, die Hersteller anbieten, an das Werkstattpersonal richtet, ist kein Geheimnis. »Etwa zwei von zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind im Verkauf, in der Beratung oder in der Geschäftsführung tätig«, resümiert Arno Vers von Brose mit Blick auf die Seminarpraxis. Auch das Großhandelsunternehmen Hartje, das Schulungen zu den Antrieben von Bosch und Shimano anbietet, konzentriert sich auf das Werkstattpersonal, allerdings nimmt auch Verkaufspersonal an den Schulungen teil, meint Pressesprecher Tristan Zerdick.
Ähnlich ist es bei Bosch eBike Systems. Hier fragen die Verantwortlichen der Schulungen zuvor bei den Teilnehmenden nach, zu welcher Zielgruppe sie gehören. »Damit unsere Trainerinnen und Trainer sich optimal auf die Gestaltung der einzelnen Händlerschulungen vorbereiten können«, begründet Tamara Winograd dieses Vorgehen.
Was trotzdem meist fehlt, sind Schulungseinheiten zu Verkaufsmethoden wie das Storytelling, zur Einwandbehandlung, zu verkaufsfördernden Fragetechniken, zu Beratungsthemen wie Versicherung, Leasing und Jobrad-Bedingungen, aber auch Tipps zur Schaufenstergestaltung.
Private Anbieter werben mit Schulungstiteln wie »Verkaufen mit Emotionen«, »Lösungsorientiert verkaufen« und so weiter. Zum Thema »E-Bikes verkaufen« bringt die Internetrecherche in Weiterbildungsdatenbanken ein eindeutiges Ergebnis: »0 Treffer«. Auch die Agentur für Arbeit und das Weiterbildungs-Informations-System (WIS) des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) führen kein Angebot. Der Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk und die Vereinigung des Fahrrad- und Kraftrad-Gewerbes bzw. Zweiradverband winken ebenfalls ab: Sie konzentrieren sich auf das Werkstattpersonal. So werden oftmals »nur« Teilbereiche von Spezialisten geschult.


Dozent Julian Malitzki vom Hartje-E-Bike-Service ist ein echter Profi in seinem Metier.

Auch der Lehrplan in der Berufsschule sieht keine Unterrichtseinheiten zum Verkauf von E-Bikes vor. »Dort sind die Verkäufer zusammen mit anderen Sparten und handeln nur betriebswirtschaftliche Themen ab. Ich würde mir wünschen, das wäre anders«, meint Ausbilderin Petra Imle. »Aber dann kämen die Lehrer wahrscheinlich mit dem Stoff nicht mehr durch.« Deshalb gehen sie bei Fahrrad Imle nun eigene Wege: »Tatsächlich schulen wir sehr viel intern. Wir wollten sogar kleine Tutorial-Videos drehen, allerdings ist das Projekt aus Zeitmangel erst einmal in den Anfängen stecken geblieben. Wir fragen das Wissen auch ab. In der etwas ruhigeren Zeit fragen wir gezielt Außendienstmitarbeiter nach Schulungen.

Hersteller gehen darüber hinaus dazu über, kurze Online-Trainings anzubieten, was ich sehr gut finde. Ansonsten bleiben nur noch Youtube-Tutorials.«

» Wir schulen sehr viel intern und fragen das Wissen auch ab.«

Petra Imle,
Geschäftsführerin und Ausbilderin bei Fahr­rad Imle

Beispiel »Dienstrad«: ein reines Sales-Thema

Die Finanzierung eines E-Bikes etwa ist ein Thema, das im Verkaufsraum geklärt werden muss. Die Nutzung des E-Bikes als Dienstrad ist eine Variante. Für diesen Teil des Verkaufsgesprächs bietet zum Beispiel JobRad Seminare an. Norman Kreuzmann, JobRad-Leiter des Teams Partnermanagement Fachhandel, dazu: »Der Teilnehmerkreis besteht aus Inhaberinnen und Inhabern, Geschäftsführern, Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern für Dienstradleasing, Verkaufsberaterinnen und -beratern und Werkstattbeschäftigten.« Angeboten werden die Kurse als Webinare. Die Schwerpunkte liegen »auf den JobRad-Services, der Kundenberatung und Akquise sowie dem JobRad-Fachhändlerportal. Unser Ziel ist es, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Abschluss der Schulung ein möglichst umfassendes Verständnis des Themenkomplexes ›Dienstrad‹ haben.«
Auch JobRad fragt vor der Schulung die Teilnehmenden ab: »Worin liegt in Verkaufsgesprächen besonders viel Potenzial? Welche Themen sind daher ganz besonders wichtig für unsere Schulungen, damit sich das Verkaufspersonal sattelfest fühlt? Die Erfahrung zeigt uns, dass es hier vor allem immer wieder um die Themen Service und Akquise geht.«

Den Weg über die IHK einschlagen?

Bei der Idee, das Thema »E-Bikes professionell verkaufen« könnte unabhängig von Unternehmen auch Teil der Lehrgänge zur Zusatzqualifikation »Ausbildung für Ausbilder“ (AdA) sein, die mit einer IHK-Prüfung nach der bundesweit geltenden Ausbildereignungsverordnung (AEVO) abschließen, winken die Industrie- und Handelskammern (IHKen) ab. Die Kurse, die sich mit dem Verkauf beschäftigen, werden branchenübergreifend angeboten, berichtet Vanessa Moldenhauer von der IHK Berlin, da die AEVO einem Bundesgesetz folge.
Allerdings, räumt sie ein, können sich in Berlin Ausbilderinnen und Ausbilder nach Erhalt des Ausbilderscheins registrieren lassen. Ihnen
werden dann berufsspezifische Fortbildungen angeboten. Sylvia Buschmann von der IHK Potsdam, Bereich Bildung, bestätigt, dass Ausbilderinnen und Ausbilder mehrerer Betriebe sich auch zusammenschließen und mit einem speziellen Weiterbildungswunsch an die IHK Potsdam wenden können. Sie würden dann versuchen, den Wunsch in die Realität zu überführen. »Die Nachfrage regelt hier die Angebote«, resümiert Buschmann. Ihr Rat: Interessierte sollten die Initiative ergreifen und bei ihren IHKen vor Ort nachfragen, ob auch sie ein entsprechendes Kursangebot organisieren würden.

Wie mit der aktuellen Situation umgehen?

Bis reine Verkaufstrainings zum Thema »E-Bike« angeboten werden, bleibt den Betrieben also nur der Weg, einzelne Puzzlesteine zusammenzusetzen: Das über die genannten Möglichkeiten erworbene Produktwissen zu E-Bikes müssen sie eigenverantwortlich mit dem Fachwissen zum Verkauf verbinden. Handbücher der Hersteller wie zum Beispiel von Bosch und Shimano zur Technik oder zu Garantiebedingungen sind ein weiterer Stein, der für das Gesamtbild genutzt werden kann. Ein besonderes Nachschlagewerk stellt darüber hinaus der Hersteller Qwic E-Bikes zur Verfügung, der auch eine E-Learning-Plattform aufgebaut hat: In seinem »E-Bike Wiki« können Verkäuferinnen und Verkäufer unkompliziert und autonom alle wichtigen Details zum E-Bike unkompliziert nachschlagen. Geschieht die Zusammensetzung all dieser Puzzleteile im Team, kann dies ein fruchtbarer Weg sein. Für den internen Austausch, der das gelernte Wissen festigt und Missverständnisse ausräumt, müssten jedoch im Betrieb Zeitfenster freigehalten werden.
Ein kompetentes Verkaufsteam sollte von den Läden dann keinesfalls verheimlicht werden. Einige Hersteller stellen nach ihren Schulungen Zertifikate aus, die, im Verkaufsraum gut platziert, den Kundinnen und Kunden über die Beratungskompetenz Auskunft geben. Das Bosch-Zertifikat zeichnet nicht einzelne Betriebsangehörige, sondern den ganzen Betrieb aus. Voraussetzung ist allerdings, »dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Werkstatt und Verkauf jährlich an unseren Bosch-Trainings teilnehmen«, erklärt Tamara Winograd. Auch Brose setzt auf Kontinuität: »Unser Zertifikat wird es zukünftig in verschiedenen Ausführungen geben – je nach Lernfortschritt«, klärt Arno Vers über die neuen Regelungen auf.

8. Juli 2021 von Dorothea Weniger

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