Report - Trail Rating System in Garda Trentino
Ein Blick aufs Schild und die Tour kann losgehen
Noch vor wenigen Jahren war es alles andere als einfach, sich als Mountainbikerin oder Mountainbiker in der Region Garda Trentino zurechtzufinden. Die Beschilderung war unübersichtlich und teilweise redundant. »Wir hatten unheimlich viele Schilder und Strecken, die sich zum Teil wiederholen. Das hilft unseren Gästen nicht dabei, sich zu orientieren, sondern bewirkt das Gegenteil«, erklärt Stefania Oradini. Sie leitet ein Projekt, mit dem der Tourismusverband der Region die Bewohnerinnen und Bewohner sowie Gäste so übersichtlich wie nie über die vielen Mountainbike-Strecken informieren will. Diese Aufgabe, so zeigt Oradini, ist nicht trivial. Die Region betreibt den großen Aufwand auch deshalb, weil der Mountainbike-Sport eine große wirtschaftliche Bedeutung für den Tourismus in Garda Trentino hat. 6 von 10 Outdoor-Urlaubenden kommen wegen des Radfahrens zu Besuch.
Ein übersichtlicher Standard
Bei dem neuen Beschilderungssystem setzen Oradini und ihr Team auf das International Trail Rating System (ITRS). Dabei handelt es sich um einen Beschilderungsstandard des Verbandes International Mountainbike Association (IMBA). Dieser fand in Garda Trentino erstmals von Grund auf Anwendung. Oradini kommentiert: »Das ITRS ist eine Zusammenfassung aller Systeme, die in den Alpen benutzt wurden. In der Schweiz, bei Davos, wurde es schon eingesetzt. Wir sind aber die erste Destination, die dabei ist, ihre Beschilderung mit dem ITRS zu entwickeln.«
Das ITRS basiert auf Farbcodes, nach denen vier Routeneigenschaften kategorisiert werden. Grün ist die leichteste Stufe, gefolgt von Blau, Rot und Schwarz. Die IMBA bewertet die Strecken in vier Kategorien. Dazu gehören Informationen zur benötigten Ausdauer, der Exponiertheit der Route und Wildnis, also wie entlegen eine Route ist. Bei der vierten Kategorie technische Schwierigkeit kommen nicht nur Farben, sondern auch verschiedene Symbole zum Einsatz, die mit diesen korrespondieren. Die leichtesten Trails sind mit grünen Kreisen, schwerere dann mit einem blauen Quadrat, einem roten Dreieck oder einer schwarzen Raute versehen. Mit der orangenen Doppelraute gibt es eine fünfte Stufe, für technisch besonders extreme Mountainbike-Strecken. Diese Symbolsprache geht auf das US-amerikanische Bewertungssystem für Skipisten zurück und wurde in dieser Form vom Walt-Disney-Konzern entwickelt, als das Unternehmen in den 1960ern Pläne verfolgte, ein Ski-Resort zu eröffnen. Seit Dezember gibt es auch bei der Kategorie Ausdauer eine fünfte, orange markierte Stufe.
Neues Streckennetz mit mehr Informationen
Bei der Implementierung des neuen Systems konnte die Region auf bereits vorhandene Erfahrungen zurückgreifen, wie Oradini darstellt: »Wir haben über die Alpen geschaut und diese Firma gefunden, die das Leitsystem nicht nur in Südtirol, sondern auch für andere Regionen, das Salzburger Land und Tirol, gemacht hat.« Gemeinsam mit dem österreichischen Unternehmen Max2 GmbH wurde zunächst das Streckennetz systematisch überarbeitet und vereinfacht. Früher doppelten sich verschiedene Routen zum Teil über dieselben Streckenabschnitte, mit kleinen Abweichungen voneinander. Heute sind sie hierarchisch organisiert. Es gibt eine klar benannte Route, die mittels untergeordneter Varianten die Feinheiten in der Streckenführung abbildet. Das Ziel hinter dem neuen Beschilderungssystem ist nicht nur, die Übersicht zu erleichtern, sondern auch mehr Informationen zur Verfügung zu stellen, auch aus Sicherheitsgründen. Während und vor allem nach der Pandemie kamen viele neue Bikerinnen und Biker in der Region hinzu, die wenig über das Mountainbiken wussten. Daher kam es zu mehr Unfällen. Mit dem Beschilderungssystem will das Team um Oradini es diesen Menschen leichter machen, ihre Touren gemäß ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen auszuwählen. »Wenn ich sehe, dass die Strecke technisch schwarz ist, muss ich vielleicht etwas anderes auswählen, wenn ich kein Profi bin«, erklärt Oradini.
Im Herbst 2022 beschilderte das Team dann mehrere Mountainbike-Strecken und wich dabei vom anfangs ausgewählten Monte Brione auf das Ledrotal aus. Hier gibt es verschiedene Wegtypen und auch kreuzende Wanderwege, wodurch das Gebiet im Gegensatz zu dem beliebten Monte Brione ideal für einen Test war. Perspektivisch soll das System in der gesamten Region Garda Trentino Verwendung finden. In diesem Jahr sollen dafür weitere Gemeinden mit eingebunden werden. Im Vergleich zur Ausgangssituation sorgt die Beschilderung für eine bessere Übersicht. Auch die Tourennamen wurden zum Teil angepasst, sodass diese jetzt das Ziel der Route im Namen tragen. Zusätzlich sind sie mit einer Nummer gekennzeichnet.
Perspektivisch soll das neue Beschilderungssystem in der ganzen Region Garda Trentino zum Einsatz kommen. Die Region arbeitet dafür mit einem Beschilderungsstandard der International Mountainbike Association.
Ein Schild kann auch mehrere Touren enthalten, wenn diese der gleichen Richtung folgen. Während die alte Beschilderung nur links und rechts ausweisen konnte, enthält das neue System auch Pfeile, die geradeaus weisen. Auf längeren Abschnitten ohne Abzweige erinnert zudem ein kleines Schild daran, dass man auf der richtigen Strecke ist. Es sind also mitunter kleine Änderungen, die das Beschilderungssystem viel nützlicher machen.
Eigene Karten vermeiden Konflikte
Im Zuge der Umgestaltung wurden auch größere Herausforderungen angegangen. So haben Oradini und ihr Team ein Trail-Management-System entwickelt. Wenn an einer Kreuzung ein Schild abhandenkommt, weiß das Team direkt, welches fehlt und kann es ersetzen. Zusätzlich wurde das Kartenmaterial überarbeitet. Jetzt bietet der Tourismusverband eigene Mountainbike-Karten an, die ausschließlich die Mountainbike-Strecken enthalten. Älteres Kartenmaterial, das verschiedene Nutzungstypen miteinander vereinte, führte vor Ort zu Nutzungskonflikten und zu Diskussionen mit dem Alpenverein und Naturschutzverbänden, da die Mountainbikerinnen und Mountainbiker mitunter falsche Wegtypen in ihre Routenplanung aufnahmen.
Durch den Fokus auf die Mountainbike-Zielgruppe mit den neuen Schildern dürften solche Konflikte vermieden werden. Die Zielgruppe wird in ihrer Planung auch abseits der Schilder unterstützt. Über QR-Codes lassen sich detaillierte Beschreibungen der Strecken online abrufen. Auf der Website finden sich dann hilfreiche Informationen, etwa, ob eine besonders schwierige Stelle auch durch Schieben des Fahrrads umgangen werden kann oder ob an potenziell schwindelerregenden Stellen Alternativen existieren. Auch eine GPX-Datei der jeweiligen Route steht zum Download bereit.
Wie es in vielen Ski-Gebieten bereits standardmäßig zu sehen ist, bietet Garda Trentino außerdem ein Ampelsystem an, das zeigt, welche Strecken verfügbar sind und welche die Bikerinnen und Biker nur eingeschränkt oder gar nicht nutzen sollten. »Wir versuchen, das immer up to date zu halten«, sagt Stefania Oradini. Auch teilweise Einschränkungen, zum Beispiel durch auf den Weg gestürzte Bäume, werden angezeigt. »Das ist noch neu, aber wir wissen, dass die Leute es gerne nutzen, vor allem auch unsere Mountainbike-Guides.«
Ein unfertiger Standard
Teil des Projektvorhabens ist, die Zielgruppe durch Befragungen zu beteiligen. Das Feedback ist wichtig, auch weil die Zielgruppe nicht homogen ist. Es gibt sportlich ambitionierte Nutzer und Nutzerinnen, aber auch solche, die Oradini Genuss-Biker nennt. Sie halten zum Beispiel auch für ein Glas Wein an und wünschen sich dementsprechend andere Sonderziele, die auf den Schildern vermerkt sein sollen.
»Eine eigene Bewertung für E-Bikes wird es nicht geben, da es E-Bikes in so vielen verschie-denen Leistungsklassen gibt.«
International Mountainbike Association
Der dreisprachige Fragebogen werde gut angenommen, sagt Oradini. Es wird abgefragt, ob die Beschilderung groß und sichtbar genug ist und alle Streckeninfos vorhanden sind. Dabei zeigen sich auch Unterschiede je nach Herkunft der Bikerinnen und Biker. Die Strecken etwa als Tour oder Trail zu bezeichnen, werde von den Deutschen positiv wahrgenommen. Für die Italienerinnen und Italiener sei der Unterschied, dass Trails sportlicher und technisch anspruchsvoller sind, weniger klar.
Der unfertige Standard ITRS soll sich stetig weiterentwickeln. Im Kontext des Systems soll außerdem deutlicher kommuniziert werden, dass die Einteilung für unmotorisierte Fahrräder vorgenommen wurde. Der Verband erklärt: »Eine eigene Bewertung für E-Bikes wird es nicht geben, da es E-Bikes in so vielen verschiedenen Leistungsklassen gibt. Aber es wird zusätzliche Hinweise für E-Biker geben, wie sie die Endurance-Bewertung nutzen können. All das hat mit dem Feedback aus der Umfrage am Gardasee zu tun, wo es Hinweise gab, dass nicht alle E-Biker die Endurance-Bewertung hilfreich fanden.«
Die IMBA entwickelt zudem eine App, um die technische Schwierigkeit zu klassifizieren. Wenn eine Tour 20 Kilometer lang leicht ist und dann eine schwere Stelle kommt, welches Level muss sie dann erhalten? Das gilt es zu klären. Wie verbreitet das Beschilderungssystem in ein paar Jahren oder Jahrzehnten sein wird, lässt sich nicht prognostizieren. Garda Trentino dürfte jedoch nicht die letzte Region sein, die das Leitsystem für ihre Mountainbikerinnen und -biker mit dem ITRS auf eine neue Stufe heben will. //
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