Hat der Spiegel recht?
"Ein E-Bike kann nicht mit einem Fahrrad verglichen werden"
Der Spiegel unterstellt dem E-Bike-Markt und vor allem auch Ihrer Marke BionX ein Qualitätsproblem. Hat das Magazin damit Recht?
Manfred Gingl: Nein, vor allem nicht in der dargestellten Form des Artikels. Korrekt ist sicherlich, dass Antriebssysteme für E-Bikes komplexe Systeme sind und ein Pedelec oder E-Bike nicht mit einem Fahrrad verglichen werden kann. Richtig ist, dass BionX-Systeme für den zumeist sportlichen Einsatz verwendet werden. Richtig ist auch, dass es bedauerlicherweise Funktionsfehler bei unseren BionX-Systemen gab. Dank einer sofort eingeleiteten, intensiven und konsequenten Analyse wurde die Fehlerquelle jedoch identifiziert und vollständig behoben.
Was aus dem Artikel nicht hervorgeht ist, dass wir neben Panasonic und Flyer zu den Pionieren der qualitativ hochwertigen E-Bike-Antriebe zählen. Wir bieten mit einem Hinterrad- und Vorderradantrieb mehrere Antriebsvarianten und unterschiedliche Batteriekonzepte für unsere Kunden an und arbeiten mit über zwei Dritteln der relevanten Fahrradhersteller zusammen. Dass auch Automobilhersteller wie Smart für ihr Individualkonzept auf eine Kooperation mit BionX setzen, ist doch auch eher ein Beweis für die Qualität unserer Entwicklungsingenieure und Systeme.
Noch ein Wort zu den angegebenen Rücklaufquoten: In den vergangen Jahren lag unsere Ausfallrate nachweislich signifikant unter den im Artikel angegebenen Werten. Wenn also jetzt ein singuläres Problem so aufgebauscht wird, hat es nach meiner Meinung mit der Realität bezüglich der BionX-Qualität wenig zu tun.
Schlussendlich darf man eines nicht vergessen. Wir alle sind gerade erst am Anfang eines noch jungen Marktes und dazu noch ein absoluter Trendmarkt. Das heißt, dass natürlich auf der einen Seite wir als Antriebshersteller schnell mit neuen Konzepten gefordert sind, aber auf der anderen Seite auch die Voraussetzungen auf allen Ebenen geschaffen werden müssen, um Pedelecs bzw. E-Bikes erfolgreich zu machen. Denn eins ist klar: Man kann als Lieferant die beste Qualität und die beste Software bieten, aber das nützt nichts, wenn in diesem boomenden und daher für Fahrradhersteller und Fachhandel hochattraktiven Markt nicht schnellstens durchgängig der Umgang mit den Systemen und den dazu notwendigen Werkzeugen beherrscht wird. Sonst ist es unmöglich, den Kunden den entsprechenden Service zu bieten und man kann bestenfalls nur verkaufen.
Ist es also auch eine Aufgabe des Handels, bei Verbrauchern und somit in den Verbrauchermedien den Eindruck zu vermeiden, E-Bikes hätten ein Qualitätsproblem?
Manfred Gingl: Das sehe ich schon so. Ich habe 45 Jahre Erfahrung bei Magna als Zulieferer der Automobilindustrie. Unsere Technik steckt da in Autos unterschiedlichster Preisklassen, wo Kunden selbstverständlich erwarten, dass alles funktioniert. Auch hier hat der Handel mit zunehmender Technologie andere Aufgaben hinsichtlich des Know-hows übertragen bekommen und übrigens sind auch hier die angesprochenen Software-Updates in der Elektronik gang und gäbe. Schließlich erwarten wir alle immer noch mehr Sicherheit, Komfort und Performance. Dass Software-Updates allerdings in sinnvollen Abständen erfolgen müssen, ist uns auch bewusst.
Wichtig ist meiner Meinung nach auf alle Fälle, dass eine durchgängige Information bis zum Endkunden erfolgt - und da ist vor allem auch der Handel gefragt. Es geht eben nicht nur ums Verkaufen, sondern auch darum, dem Kunden die Handhabung zu erklären. Um nochmals die Parallele zum Autohandel zu ziehen: Hier bekommen Sie Ihr Fahrzeug beim Kauf in einem guten Handel auch ausführlich erklärt – direkt im Auto.
Aber sollten Systeme nicht so geschaffen sein, dass Bedienungsfehler vom Kunden ausgeschlossen sind?
Manfred Gingl: Wie gerade gesagt, wenn Sie ein neues Auto kaufen, können Sie sich auch nicht einfach reinsetzen und losfahren, ohne zuvor die Bedienung verstanden zu haben. Natürlich ist es unsere Zielsetzung als Antriebshersteller, ein Produkt anzubieten, bei dem der Kunde möglichst nichts falsch machen kann. Und natürlich wollen wir als Qualitätsanbieter jeden Fehler vermeiden, und zwar nicht im Nachhinein, sondern schon bevor das Produkt beim Kunden ist. Deshalb haben wir von unserer Seite nochmals zusätzliche Maßnahmen in der Qualitätssicherung unserer Zulieferer und auch für die Produktion und Endmontage in Kanada unternommen, um die Systemzuverlässigkeit und die Leistungskraft unserer Antriebe weiter zu verbessern. Wir haben durchaus den Anspruch, die Qualitätskriterien der Automobilindustrie als Benchmark für unsere e-Bike Antriebe heranzuziehen.
Wo sehen Sie demnach für BionX nun die nächsten Schritte?
Manfred Gingl: Wir werden unseren Weg weiter verfolgen, Fahrradherstellern das für ihren Markencharakter am besten geeignete elektrische Antriebssystem anzubieten. Heute haben wir unterschiedlichste Batterielösungen und den Hinterrad- und Vorderradmotor. In absehbarer Zeit werden wir auch einen BionX-Zentralmotor im Portfolio anbieten und haben dann das gesamte Spektrum zur Wahl für den passenden Einsatz. Mit unserem neuesten Produkt – dem WaterPedelec SeaScape 12 – haben wir bewiesen, dass unsere Antriebssysteme auch Einsatzmöglichkeiten über das E-Bike hinaus bieten und das BionX-Gefühl auch auf dem Wasser erlebt werden kann. Schließlich wollen wir nicht nur Antriebe und Technik entwickeln, sondern einen Beitrag zu einem zeitgemäßen und nachhaltigen Lifestyle leisten.
Das Interview mit Manfred Gingl führte Markus Fritsch.
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