Trend Fatbikes:
Ein fettes Must-Have?
zumindest nicht auf ungeteilte Zustimmung. Das Rad fasziniert den einen und lässt den anderen nur ungläubig erschauern in Anbetracht dessen, dass Gummis von schier unglaublichen Ausmaßen die Fahrrad-Harmonie zerstören. Die bis 4,8 Zoll dicken Reifen verlangen nach einem besonderen Rahmen, einem verbreiterten Hauptlager sowie speziellen Gabeln und meist auch Naben, was den Endverbraucherpreis der Räder deutlich hebt. Hat das Fat-Bike trotzdem das Zeug zum Trend über ein Frühjahr hinaus – oder sogar zu einer dauerhaften eigenen Nische im Markt?
Fatbikes kommen aus den USA, wo sie in den letzten Jahren beständig an Bekanntheitsgrad und Verbreitung zulegten. Einige kleinere, eher auf den Sport-Sektor festgelegte Firmen wie Surly oder Salsa haben die dicken Dinger schon länger im Programm. Spezialisten sind – wie meist – die Wegbereiter des Trends. Der nimmt zu, wenn ein breiteres Spektrum der Branche den Trend aufgreift. Zur Eurobike 2013 sind auch Vollsortimenter und großen Unternehmen wie Specialized oder Felt eingestiegen. Haben diese Anbieter die Zeichen der Zeit erkannt und wir steuern auf eine ganze neue Bike-Gattung zu – oder heißt das einfach, sich ein Stück vom wenn auch kleinen Kuchen zu sichern?
Innovations-Spielraum nach oben
„Das ist für uns eine neue Spielart des Bikes, und es gibt für ein innovatives Unternehmen wie Specialized keinen Grund, nicht vertreten zu sein“, meint Unternehmenssprecher David Heine. „Dabei orientieren wir uns nicht an anderen Firmen – im Sinne von ‚wenn der mitmacht, müssen wir auch mitmachen‘. Wir haben ein eigenes Fatbike entwickelt, weil wir überzeugt davon sind, dass das ein tolles Fahrradkonzept ist und es einen Markt findet. Wir denken auch, dass dieses Rad grundsätzlich schon ein globaler Trend ist, kein rein amerikanischer.“ Auch wenn die robusten Offroader auf viele einen ungeschlachten Eindruck machen: Auch hier ist viel Detailarbeit nötig. „Dieses Rad zu perfektionieren ist eine echte Herausforderung. Wir haben Reifen entwickelt, uns Gedanken über die perfekte Geometrie gemacht. Und es geht weiter – beim Einstieg in eine neue Technik ist immer viel Spielraum nach oben“, so der Marketing Manager für den deutschsprachigen Raum.
Der Fat Burner aus Schwaben
Der deutsche Beitrag zum Thema kommt aus einer unerwarteten Ecke: Reise- und Alltagsrad-Spezialist Velotraum stellte auf der Eurobike den Pilger vor, und bekam dafür enormes Echo von Publikum und Medien. „Wir sehen im Fatbike mehr als nur ein Rad für den Extrembereich“, erklärt Geschäftsführer und Entwickler Stefan Stiener. „Für uns ist es eher das universelle Erlebnisfahrrad. Ich kann zum Beispiel damit auch Strecken fahren, für die ich ansonsten ein vollgefedertes MTB brauche – an das passt aber kein Gepäckträger.“ Den hat der Schwabe zusammen mit Tubus für sein neues Rad realisiert – und ist damit in der Branche einzigartig, abgesehen von einem amerikanischen Unternehmen, das ein Fatbike als Lastenrad ausstattet. Dass das Pilger von Velotraum auch noch eine recht harmonische Erscheinung ist, machte den „PR-Gag“, der das Rad zur Messe nach Aussage Stieners eben auch sein sollte, noch effektiver.
Er sieht für das Rad nicht nur eine Marktnische, sondern viel mehr – vor allem im Zusammenhang mit E-Motor. Damit kämen auch Menschen zu Bike-Erlebnissen, denen sonst die Fitness-Voraussetzung fehlt. Außerdem steigen große Komponentenhersteller zunehmend in den Fatbike-Sektor ein und sorgen hier für mehr Vielfalt und einfachere Verfügbarkeit. Für das Unternehmen ist der Pilger, so Stiener, auch ein großartiger Image-Gewinn: „Das zeigt den Kunden: Velotraum macht auch ungewöhnliche Dinge!“ Bei seinen Händlern ist die Überzeugung für das Rad mit den Monsterpneus allerdings noch nicht ganz angekommen. Hier ist nach eigener Einschätzung noch etwas Überzeugungsarbeit nötig.
Das beste Zweitrad
Schon jahrelange Erfahrung hat man bei Cosmic Sports mit dem Fatbike. „Wir haben seit 2005 Surly- und seit 2010 Salsa-Modelle im Programm“, erzählt Daniel Gareus, beim Unternehmen zuständig für das Marketing, „wir waren also schon da, als es bei den anderen erst los ging.“ Er denkt, dass das Rad auf jeden Fall auf lange Sicht eine eigene Nische erhält – „die weitere Zukunft des Rads ist für uns allerdings schwer einzuschätzen. Für den Enthusiasten ist das Produkt wahrscheinlich das beste Zweit- oder Drittbike. Fahrspaß kombiniert mit dem Wusch nach Entschleunigung sind sicher Motive für die Kunden.“
Wieso fasziniert das Fatbike? „Wenn die normalen Messebesucher so ein Rad zum ersten Mal sehen, kann man beobachten, wie ihnen die Gesichtszüge entgleisen. Irgendwo steckt da auch der Traum des kleinen Jungen drin“, analysiert Gareus. Über die Nachfrage kann man sich auf jeden Fall in Fürth nicht beschweren: „Die Händler haben uns geradezu überrannt, so dass wir trotz großzügiger Planung die Nachfrage nicht ganz bedienen können. Für die Händler wie für uns wäre es daher gut, wenn sie sich zu einer Vororder durchringen könnten, das würde hier auch für mehr Planungssicherheit sorgen.“ Der Preis scheint bislang keinerlei Hindernis zu sein: Das Salsa Beargrease 2014, ein Bike mit Carbonrahmen für 4700 Euro, ist bereits ausverkauft. Einen besonderen Run auf die Räder lösen übrigens die ersten Schneeflocken des Winters aus.
Verrückt nach Volumen: Kunden lieben dicke Pneus
„Die Kunden sind schnell angefixt, wenn sie so ein Rad im Laden stehen sehen“, meint auch Andreas Kohlhase von Mauers Baikschopp in Kassel. „Wir hatten zwei bestellt – und mussten gleich sieben nachbestellen, so groß war die Resonanz.“ Dazu muss man allerdings sagen, dass das Fachgeschäft traditionell eher auf den sportlichen Bereich setzt und eine junge oder jung gebliebene Klientel aufweisen kann. Und außerdem: „Wir sind sowieso ein etwas verrückter Laden“, so Kohlhase. Auch er sieht kein Problem mit dem derzeitigen Preisniveau der Bikes: „Das ist ja schließlich ein Lifestyle-Produkt, da sind die Preise tendenziell immer etwas höher – und das Gerät wird trotzdem gekauft.“ Allerdings wird sich das Fatbike laut Kohlhase auch rapide verändern: „Gerade diese Radfahrer wollen immer mehr technische Raffinesse, es wird sich viel tun“.
„Wir müssen ja irgendwie immer wieder etwas Neues bringen“, meint man dagegen im Fahrradstudio Gram in Düsseldorf-Lohausen, „ob es Sinn macht, oder nicht. Das Fatbike ist ein absolut kurzlebiger Trend, etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen“, so Geschäftsführer Alexander Gram. „Natürlich machen wir ihn auf kleiner Flamme mit, aber auf Dauer macht das Produkt für mich keinen Sinn.“ Seiner Meinung nach werden in Kürze Fatbikes zu einem hohen Anteil motorisiert zu haben sein, wie Felt es bereits auf der Interbike zeigte. Aber so oder so: „Das ist jetzt ein Must-have-Produkt, aber Stückzahlen werden davon nicht laufen“, so Gram.
Der Leatherman unter den Fahrrädern
Gunnar Fehlau, Leiter des Pressedienstes Fahrrad, fährt seit Jahren dicke Dinger und ist gerade zurück von einer Schnee-Tour von Oslo nach Trondheim – „Trondheim-Oslo mal ganz anders“ – auf einem Fatbike zurück. Auch er sieht die Motivation für die Kunden dieser Radgattung vor allem in einem „ganz neuen Erlebnisspektrum“. Der Fatbike-Trend ist ihm zufolge zudem konsistenter als es die Trends Singlespeed und Fixie sind oder waren. „Bei diesen Rädern merkt man sofort, was nicht geht, was fehlt. Beim Fatbike ist es anders: Es taugt für ganz vieles ganz passabel, aber das Rad hat auch noch einen ganz besonderen Zusatznutzen, den dir kein anderes bieten kann: Die völlige Unabhängigkeit von der Bodenbeschaffenheit. Das Fatbike wird sich als feste Radgattung definitiv etablieren, gerade auch in Kombi mit dem E-Motor.“ Sie kann die Universalität des Bikes noch maximieren, meint Fehlau, denn der „Gatekeeper Fitness“, der manchem den Weg zu ganz besonderen Outdoor-Erlebnissen versperrt, fiele dann einfach weg.
Fatbike ja oder nein? Das Thema emotionalisiert – und zwar offensichtlich nicht nur potenzielle Kunden. Sicher ist das ein Grund dafür, dass das Rad in Europa so plötzlich und überraschend eingeschlagen hat.
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