Terminologie - Pedelec
Ein Kunstwort schreibt Geschichte
Ein Fahrrad ist ein Fahrrad. So weit, so einfach. Aber: Ist ein E-Bike ein E-Bike? Oder ist es doch eher ein Pedelec? Hier wird es nämlich schon komplizierter, was die Abgrenzung der beiden Termini betrifft. Glaubt man Sprachwissenschaftlern oder anderen Rechthabern, dann definieren sich beide Begriffe ganz unterschiedlich. Nur ein elektronisches Fahrzeug auf zwei Rädern, das einen Drehgriff besitzt, mit dem sich eine Motorunterstützung ohne Pedalunterstützung zuschalten lässt, darf sich demnach E-Bike nennen. Nachdem es diese Art Fahrzeug hierzulande praktisch nicht gibt, handelt es sich in fast 100 Prozent der Fälle bei dem als E-Bike bezeichneten Rad im strengen Wortsinne um ein Pedelec. Soweit die Theorie. Und jeder Germanistik-Professor wäre stolz auf den E-Biker – Entschuldigung, Pedelec-Fahrer –, der den Unterschied kennt.
Der japanische Mischkonzern Yamaha brachte diesen Fahrradtyp als erster Hersteller in Serie und exportierte ihn ab 1994 von Japan nach Europa – ein Fahrrad mit Elektromotor, das in Abhängigkeit der Tretkraft die Motorleistung steuert. Eine ziemlich umständliche Beschreibung und viel zu lang als Bezeichnung. Das dachte sich auch Susanne Brüsch, als sie 1997 zum ersten Mal auf der Eurobike war und mit den damaligen Newcomern zu tun hatte. Auf dem Stand von Extra Energy animierte sie potentielle Kunden zu Testfahrten. »Ich musste immer riesig lange Sätze machen, um zu erklären, wovon ich spreche,« erklärt sie. »Damals tat man sich mit dem Begriff E-Bike noch schwer. Man ist gleich in der Schublade ›unsportlich, uncool, unsexy‹ gelandet«. Daraufhin fing Susanne Brüsch an, ein bisschen zu recherchieren, was weltweit als Begriff genutzt wird. »Doch das war ein ziemliches Chaos: Fahrrad mit Rückenwind, Power Bike, Elektrorad. In Japan hat Yamaha den Begriff ›Power Assist‹ geprägt, was aber in Deutschland eher nach Hilfe klingt.« Also musste ein griffigeres Wort her.
Susanne Brüsch studierte zu der Zeit Übersetzung und Dolmetschen an der Universität Heidelberg und konnte ihre Professorin davon überzeugen, ihre Diplomarbeit als Terminologiearbeit zum Thema Elektrofahrrad zu schreiben. Das Ergebnis der Arbeit war das Wort Pedelec. Es ist eine Abkürzung und setzt sich aus den Worten »Pedal Electric Cycle« zusammen. 1999 schloss die Erfinderin des Begriffs Pedelec ihre Diplomarbeit ab und veröffentlichte die Wortschöpfung: »Mit Hilfe der einschlägigen Medien wie Bike Europe, Aktiv Radfahren und Extra Energy hat sich das durchgesetzt. Die haben angefangen, das Wort konsequent zu nutzen. So hat sich das dann etabliert.« Ziel ihrer Arbeit war es, die Kommunikation zu erleichtern, gerade auch auf internationaler Ebene.
Heute dient der Begriff Pedelec größtenteils als Terminus technicus zur Abgrenzung gegenüber dem tatsächlichen E-Bike. Meist wird das Wort E-Bike jedoch als Oberbegriff für beide Versionen der Elektroräder benutzt. Auch Susanne Brüsch, die heute als freie Journalistin und mit ihrem Label Pedelec Adventures selbst auf E-Bike Reisen geht, benutzt das Wort E-Bike, dennoch gibt sie zu bedenken: »Dadurch entsteht wieder Unklarheit. Inzwischen ist das Wort E-Bike ebenso salonfähig wie die Räder modern und hip geworden sind. Ich gebe zu: E-Bike ist plakativer als Pedelec. Dabei dient Pedelec weiterhin seinem Zweck, sich mit einem Wort präzise ausdrücken zu können.«
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