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Betriebsführung - Umsatz

Ein Radladen ist keine Pommesbude

In der zweiten Folge der Serie Business Navigator geht es um den Umsatz. Auf der Grundlage des Umsatzes lässt sich so manche Kennzahl im Fahrradgeschäft erheben, die sehr aussagekräftig zeigt, wo im Betrieb noch Verbesserungsbedarf besteht.

Eigentlich scheint Umsatz doch ganz einfach zu sein: Das Geld, das ich abends in der Kasse habe, ist mein Umsatz. Fertig. Doch wenn man es genau nimmt, muss man doch etwas differenzierter hinschauen.

Zunächst die Basics

Fahrradhändler Thorsten Larschow weist darauf hin, dass ein Radladen keine Pommesbude ist. »In einem Fahrradladen gestaltet sich das ein bisschen anders. Hier gibt es Umsätze, die zwar am Tag des Vertragsabschlusses gewertet werden, zum Beispiel beim Leasing. Die Gesellschaften zahlen aber erst nach drei, fünf, zehn oder zwanzig Tagen. Dann gibt es Kunden, die per Überweisung zahlen. Das ist natürlich alles Umsatz, aber es ist nicht das, was ich abends in der Kasse habe.« Es gibt also einen Unterschied zwischen Umsatz und Geldfluss. Dazu kommen Anzahlungen und Gutscheine, die ihrerseits Umsätze sind, aber noch andere Vorgänge anstoßen. »Deswegen ist die Beurteilung von Umsatz durchaus schwierig.« Anders formuliert: Es gilt zu unterscheiden zwischen Rechnungsstellung und Kassen- beziehungsweise Kontobewegung.
Ein Fehler, den sicher kein velobiz-Leser und keine -Leserin begeht, ist die Gleichsetzung von Umsatz mit Ertrag. Das, was eingenommen wurde, ist noch lange nicht der Gewinn. »Beim Gewinn darf Euphorie entstehen, beim Umsatz noch nicht«, erklärt Berater Andreas Lübeck trocken. »Der Händler lebt nicht vom Umsatz, sondern er lebt vom Gewinn«, ergänzt VSF-Frontmann Uwe Wöll.
Die dritte grundsätzliche Bemerkung zum Umsatz ist, dass hier mit Netto-Umsätzen gerechnet wird. Die Umsatzsteuer wird von den Endverbrauchern gezahlt, sie geht ans Finanzamt und ist für Unternehmen ein durchlaufender Posten. Für die Ermittlung der folgenden Kennzahlen macht es keinen Sinn, mit Bruttoumsätzen zu rechnen.

Trennung der Umsätze

Um wirklich aussagekräftige Kennzahlen aus dem Umsatz zu generieren, gilt es, eine Unterscheidung zu beachten, die für den Fahrradhandel besonders relevant ist, aber in der Praxis oft nicht konsequent umgesetzt wird: »Jeder Fahrradhändler muss sich darüber klar sein, dass er eigentlich zwei Betriebe führt: Ein Handelsgeschäft und einen Handwerksbetrieb. Die Umsätze dieser zwei Bereiche muss man sehr deutlich auseinanderhalten«, erklärt Lübeck. »Die Betriebswirtschaft für ein Handelsunternehmen ist definitiv anders als bei einem Handwerksunternehmen«, verdeutlicht Wöll den Punkt. Als Beispiel nennt er die Gewinnermittlung. »Wenn man den Rohgewinn berechnen will, dann ist es eben ein erheblicher Unterschied, ob der Rohgewinn aus dem Handel oder aus der Werkstatt kommt.« Jeglicher Arbeitswerte-Umsatz (AW-Umsatz) in der Werkstatt ist per Definition Rohgewinn. »Das ist eine wichtige Kennziffer. Ist der Rohgewinn aus dem Handelsgeschäft, muss man das sauber trennen. Nur dann kann man Aussagen zu diesen zwei Bereichen machen.«
Mit diesen Umsatz-Grundlagen kann man nun beginnen, die damit zusammenhängenden Kennzahlen zu erfassen und auszuwerten.

Umsatz pro Quadratmeter

Die erste Kennzahl ist ein Verkaufs- und Handelsflächenthema. Als »offizielle« Kennzahl wird der Umsatz pro Quadratmeter auf Jahresbasis berechnet. Tatsächlich ist die Aussage dieser Kennzahl am stärksten mit Blick auf das Gesamtjahr. Man kann die Qua­dratmeterumsätze auch auf kleinere Zeiträume herunterrechnen, doch ist der zusätzliche Erkenntnisgewinn gering: Für die unterjährige Entwicklung ist der Blick auf den reinen Umsatz sinnvoller, die Quadratmeterumsätze verlaufen dazu analog. Die Berechnung ist denkbar einfach: Der wie oben beschrieben ermittelte Umsatz wird durch die vorhandene Verkaufsfläche in Quadratmetern geteilt. »Nach den Personalkosten sind die Quadratmeter-Mieten der höchste Kostenfaktor. Daher macht es natürlich Sinn, da genauer hinzuschauen«, sagt Andreas Lübeck. Im Business Navigator lässt sich herauslesen, was gut ist: Heute gilt eine Zahl im Bereich von 5000 bis 6000 Euro als normal. Bei Läden über 1000 Quadratmetern Fläche gelten schon 4000 bis 5000 Euro als richtig gut. Es gibt aber auch Händler, die deutlich im fünfstelligen Bereich Umsätze pro Quadratmeter erwirtschaften. »Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als 1500 bis 2000 Euro als gut galten«, erinnert sich Lübeck, doch natürlich stand damals das E-Bike noch vor seiner Blütezeit.
Auch wichtig ist der Blick auf die Betriebsgrößen. »Die kleineren Betriebe drehen mehr pro Quadratmeter. Das ist meist zwangsläufig so und ein Innenstadt-Phänomen, weil sie einfach nicht mehr Fläche haben«, erläutert Lübeck. Die Läden ließen sich viel einfallen, um die Umsätze pro Quadratmeter zu maximieren. Warum machen das nicht auch alle Läden auf dem Land zur eigenen Umsatzoptimierung? »Weil sie es nicht nötig haben«, sagt Larschow. Wo die Fläche fast nichts kostet und Erweiterungen verfügbar sind, bauten Betriebe einfach an. Zumal sehr hohe Umsätze pro Quadratmeter auch Gefahren mit sich bringen. »Früher habe ich ab einem bestimmten Wert eine Warnung ausgesprochen«, verdeutlicht Lübeck, »da konnte man fast die Uhr danach stellen: Wenn ein Laden zwei Jahre hintereinander in diesem Bereich lag, war die Gefahr groß, dass der Inhaber oder die Mitarbeiter dem Burn-out nahe waren.« Wenn ständig auf engen Verhältnissen sperrige Räder aus dem Lager die Treppen hoch und runter geschleppt werden müssen, dann belaste das auf Dauer über Gebühr. »Zudem brauche ich für hohen Umsatz pro Quadratmeter auch einen hohen Personaleinsatz«, so Larschow.

Umsätze pro Mitarbeiterstunde im Verkauf

Ebenso interessant ist natürlich die Aussage, was die Verkäuferinnen und Verkäufer im eigenen Betrieb eigentlich tagein, tagaus an Umsätzen erwirtschaften und wie sie im Vergleich mit anderen Teams dastehen. »Im Business Navigator erfassen wir die Umsätze nicht pro Mitarbeiter, sondern pro Verkäuferstunde«, erklärt Larschow. Es geht also um das reine Verkaufspersonal. Auch hier will man natürlich wissen, was ein guter Wert übers Jahr ist: 400 Euro Umsatz pro Verkäuferstunde sind laut den aktuellen Daten im Business Navigator ein guter Durchschnittswert, der anzeigt, dass es im Verkauf läuft. Es gibt Betriebe, die auf einen Verkäuferumsatz von 2000 Euro pro Stunde kommen. Worin liegt der Unterschied? »Der große Unterschied liegt darin, welche Aufgaben der Verkäufer oder die Verkäuferin hat«, sagt Larschow und erklärt seine eigene Praxis, wie das spezialisierte Verkaufspersonal arbeitet: »Wenn ich dem Verkäufer die Aufgabe erteile, zu verkaufen, und sonst nichts, dann ist der Umsatz natürlich recht hoch. Meine Verkäufer müssen nicht auch noch die Leasing-Anbieter erklären. Dafür habe ich das Back Office.« Die Zusatzaufgaben des Verkaufspersonals im Alltag können für große Unterschiede sorgen.
Ermittelt wird die Zahl über alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkauf. Es wird also nicht ausgerechnet, was Kollege Müller und Kollegin Meier an Umsätzen beitragen (obwohl das natürlich intern trotzdem gemacht wird, aber dann dient es der Motivation und als Feedback und ist nicht die Unternehmenskennzahl, als die es hier betrachtet wird), sondern es werden alle Verkaufsstunden addiert und der erzielte Umsatz durch sie geteilt.
In der Kennzahl sind nur die Arbeitsstunden des tatsächlichen Verkaufspersonals enthalten. Für die Werkstatt lässt sich eine vergleichbare Kennzahl ermitteln, wenn man den Arbeitswerte-Umsatz pro Mitarbeiterstunden berechnet. »Da ist die Kunst, möglichst viele abgerechnete Stunden aus dem Arbeitstag herauszubekommen«, erklärt Uwe Wöll. Was dabei herauskommt, hat weniger mit dem eigentlichen Mechanikergeschick zu tun als »mit Werkstattorganisation, konsequenter Abrechnung von dem, was getan wurde und dass nichts verschenkt wird an die Kunden.« Dazu komme der angesetzte Stundenverrechnungssatz, der direkt auf diese Zahl durchschlägt. Im Durchschnitt bringt die Werkstattmitarbeiterstunde dem Betrieb etwa 30 Euro ein. Spitzenwerte im Business Navigator liegen bei 55 Euro.

Umsatz pro Kunde

Diese Kennzahl ist sehr interessant, wenn man sich mit der eigenen Sortimentsgestaltung beschäftigt. Zunächst die Berechnung: Eine einfache Ermittlung nimmt alle Rechnungen und Bons des Jahres, addiert diese Beträge und teilt sie dann durch die Anzahl der Kunden, die etwas gekauft haben. In größeren Läden kann man spezialisierte Systeme nutzen, um die Scharen an Kundschaft zu zählen. Interessant ist die Aussage dieser Kennzahl, weil sie etwas über den Personaleinsatz aussagt. Larschow erklärt es am Beispiel eines Innenstadtladens mit viel Laufkundschaft: »Da gehen eine Menge Leute rein und kaufen Flickzeug. Der Verkäufer redet fünf Minuten, um zwei Euro Umsatz zu erzielen. Ein reiner Verkaufsladen vor den Toren der Stadt, den die Kunden gezielt anfahren, um dort teure Fahrräder zu kaufen, hat einen wesentlich höheren Umsatz pro Kunde.« Was kann also der Innenstadthändler tun? »Das ist abhängig von dem Konzept, das er fährt«, sagt Larschow. In der Praxis führt der Blick auf diese Kennzahlen meist dazu, dass das Sortiment umgebaut wird. »Das ist wichtig, weil Personaleinsatz dranhängt«, verdeutlicht Lübeck, »das ist der höchste Kostenfaktor.« Entsprechend oft wird der Kleinteile-Bereich reduziert oder fliegt ganz aus dem Sortiment und wird durch hochwertige Räder ersetzt. »Daran können wichtige unternehmerische Entscheidungen hängen.« Es lohnt sich also, die eigenen Umsätze genau unter die Lupe zu nehmen. //

13. Juni 2024 von Daniel Hrkac

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