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Trends - E-Kinderräder

Ein schöner Start

Einst hat das E-Bike als vermeintliches Reha-Instrument seinen Siegeszug begonnen und sich dann immer mehr Käuferschichten erobert. Nun kommt es bei den Jüngsten an. Inzwischen gibt es ein ansehnliches Produktsortiment für Kinder, doch noch ist nicht absehbar, wie erfolgreich dieses neue Marktsegment sein wird.

E-Kinderräder sind ein weiterer Beleg dafür, wie sich die Fahrradwelt derzeit verändert. Immerhin rückt hier gerade ein neues Segment in den Vordergrund, von dem noch kontrovers diskutiert wird, welche Rolle es einmal spielen soll. Bei entsprechenden Anbietern herrscht bereits beträchtlicher Optimismus, der aus anderen Richtungen von zahlreichen unbeantworteten Fragen begleitet wird. Dass Kinder-E-Bikes noch ganz am Anfang ihrer Marktentwicklung stehen, zeigt sich nicht zuletzt an der immer noch verhandelten Sinnfrage: Braucht man das wirklich? Muss das sein? Wie schon bei anderen neuen Segmenten stellen sich solche Fragen in einer frühen Entwicklungsphase, die dann bisher stets rasch mit »ja« beantwortet wurden. Beim Kinder-E-Bike ist der Markt hingegen noch nicht so weit.

Grundsätzlich glaube ich, dass ein E-Bike nicht das einzige Rad ist, das Kinder besitzen.Andreas SzygielCoolmobility GmbH

Aktuell spaltet sich das Feld in zwei Lager: Auf der einen Seite stehen die »Kinder-müssen-selber-strampeln«-Verfechter. Auf einem klassischen Fahrrad können Kinder ihre Umwelt mit eigenen Kräften erfahren und bekommen ziemlich genau mitgeteilt, wann die Grenzen ausgetestet sind und die Beine nicht mehr können. In dieser Gruppe gibt es zudem diejenigen, für die ein E-Antrieb Schummeln ist.
Auf der anderen Seite stehen die Pragmatiker, die sehen, dass es sehr wohl Situationen gibt, in denen ein E-Bike für Kinder die richtige und angemessene Wahl sein kann. Christian Bezdeka, einer der beiden Gründer von Woom, wo es in dieser Saison erstmals ein Kinder-E-Bike geben wird, beschreibt eine ganz ähnliche Entwicklung im eigenen Unternehmen. »Zuerst haben wir gesagt ›nö, machen wir nicht, die Kinder sollen sich selbst bewegen‹. Aber es gibt ein paar Szenarien, wo so ein E-Bike für Kinder doch sinnvoll ist.« Wenn der Papa eine etwas anspruchsvollere MTB-Tour mit dem Nachwuchs fahren wolle oder die Familie in einer bergigen Gegend lebt, wo der Schulweg mit vielen Höhenmetern gesegnet ist, dann mache das E-Bike den Unterschied, ob das Kind mit dem Auto gefahren wird oder selbst strampelt. Das häufigste Argument pro Kinder-E-Bike dürfte aber die neu geschaffene Rad-Realität sein: Wenn die Eltern selbst bereits elektrifiziert Fahrrad fahren, können sie kaum von ihren Kindern erwarten, dass sie unmotorisiert mithalten. »Wer denkt an die Kinder?«, fragt an dieser Stelle Andreas Szygiel, Vertriebsleiter beim Kinderradspezialisten S’cool, der neuerdings ebenfalls an die Bedürfnisse von Kindern angepasste E-Bikes anbietet und mit diesem Werbeclaim Überzeugungsarbeit leisten will. Wenn in dieser Situation die Familie eine für alle genussreiche Tour fahren will, dann muss die Leistung ausgeglichen werden. Hier liegt eine beträchtliche Chance für Kinder-E-Bikes. Für Bezdeka kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt für das Kinder-E-Bike zum Tragen: »Das Zweirad ist die Gegenthese zum iPad. Wir wollen damit die Kinder zumindest temporär vom Bildschirm wegbringen. Und da ist das normale Fahrrad schon cool«, weiß er. Oft genug gelinge es damit, ein Kind für diese Art der Freizeitgestaltung zu begeistern, »aber das E-Bike macht das ganz sicher. Letztenendes kann das E-Bike wirklich motivieren zum Radfahren.« Der von ihm beobachtete Spaß- und Motivationsfaktor sei so groß, dass kein Kind dieser Art der Fortbewegung widerstehen könne.

Wie gefährlich ist das?

Sobald sich die Frage stellt, ob man seinen Kindern das Vergnügen bereiten soll, mit elektrischer Unterstützung zu fahren, kommen ganz naheliegend auch die Bedenken: Ist mein Kind denn schon bereit für E-Bikes? Ist es den neuen Fahrsituationen gewachsen? Kann es mit der Technik umgehen? Sind die Räder nicht zu schnell? Ist das nicht alles viel zu gefährlich? Derzeit gibt es noch keine Daten zu der Frage, welche Auswirkungen E-Bikes für Kinder auf ihre Sicherheit im Straßenverkehr haben. Diese Situation ist umso mehr Grund für Eltern, ihr Kind realistisch einzuschätzen und es nicht zu überfordern. Gegebenenfalls sollte ein Händler in der Lage sein, hier Hilfestellung zu leisten. »Es gibt Kinder, die versierte Radfahrer sind und andere, die sich noch schwer tun. Das Spektrum ist sehr weit gefächert«, weiß Woom-Chef Bezdeka aus eigener Anschauung. Je nachdem, ob das Kind eine Sportskanone und ausgebuffter Radfahrer ist oder auf dem Rad unerfahren und körperlicher Betätigung eher abgeneigt, können sich sehr verschiedene Antworten ergeben. Zudem bringt jedes zusätzliche Lebensjahr einen Schub an motorischen Fähigkeiten, was die Situation schnell verändern kann.
Bei Ben-E-Bike und anderen Kinderradspezialisten kann deshalb auch die Technik angepasst werden. Alexander Österle, der als einer der Geschäftsführer von Amperum die Marke vergangenen Sommer übernommen hat, erklärt die Möglichkeiten der Eltern: So kann zu Hause eingestellt werden, wie viel Power bis zu welcher Geschwindigkeit den Kleinen zur Verfügung steht. »Eltern können das Tempo drosseln, indem sie das Bike über USB an einen Computer anbinden. Es sind fünf Stufen programmierbar von 0 % bis 100 %. Die Maximal­geschwindigkeit ist einstellbar in km/h-Schritten.«

Die Gretchenfrage Preis

Die große Frage bei der Perspektive für dieses Segment lautet natürlich nach dem Preis. Kinderräder waren bis vor wenigen Jahren vor allem ein günstiges Produkt. Eltern waren nicht willens, größere Summen in ein Fahrrad zu investieren, das vom Nachwuchs oft nur zwei Jahre lang gefahren wird. Dann kamen all die neuen Marken, die den Kinderradmarkt aufgemischt und neu verteilt haben, und bewiesen, dass Eltern sehr wohl von qualitativ und ergonomisch hochwertigen Produkten mit entsprechenden Kosten überzeugt werden können.
Dennoch ist der finanzielle Aspekt nicht einfach wegzuwischen, denn E-Bikes spielen preislich in einer nochmals anderen Liga. Wenn eine ganze Familie mit E-Bikes ausgestattet werden soll, kann mit zwei Kindern und anspruchsvollen Eltern mit Leichtigkeit die Grenze zum fünfstelligen Bereich überschritten wird. Das ist ganz klar ein finanzieller Rahmen, den sich nicht jede Familie leisten kann oder will. Doch die dann verbleibende Kundschaft könnte umso zugänglicher für diese Produktgattung sein, hofft S’cool-Vertriebsleiter Szygiel: »Man spricht damit eine gewisse Käuferschicht an, die sich vielleicht auch pädagogisch anders aufstellt und das als sinnvolle Ergänzung ansieht.« Auch sind diese Räder dann nicht der Start in die Fahrradwelt. »Grundsätzlich glaube ich, dass ein E-Bike nicht das einzige Rad ist, das Kinder besitzen.«

Es gibt Kinder, die versierte Radfahrer sind und andere, die sich noch schwer tun. Das Spektrum ist sehr weit gefächert.Christian BezdekaWoom

Aktuell scheint der Markt eine Obergrenze bei etwa 3000 Euro für ein E-Kinderrad eingezogen zu haben. Für dieses Geld bekommen die Kunden wahlweise eine hochwertige Ausstattung mit Fazua-Antrieb wie beispielsweise bei Woom oder ein besonders leichtes und leistungsfähiges E-Bike bei Ben-E-Bike mit Full-Suspension oder ein geschrumpftes Erwachsenenrad, wie es sie auch gibt.
Das untere Ende der Skala liegt immer noch über der Eintausend-Euro-Marke. Hier legt S’cool die Messlatte auf 1199 Euro für das 20-Zoll-E-Bike, das ebenfalls mit einer attraktiven Ausstattung kommt, aber dennoch einen vierstelligen Preis aufruft.
Relativiert wird die Preisfrage von den absehbar guten Wiederverkaufspreisen. Die E-Bikes für Kinder sind bislang durchgehend mit hochwertigen und entsprechend langlebigen Komponenten ausgestattet. Angesichts ihrer geringen Nutzungsdauer werden sie nach zwei Saisons erwartbar noch in einem sehr guten Zustand mit recht geringer Kilometerlaufleistung sein. Die Erfahrungen, die Eltern derzeit mit den hochwertigen nicht-elektrifizierten ­Kinderrädern machen können, sollten manche Hemmschwelle senken. So werden bekanntlich nach wie vor gebrauchte Woom-Bikes zu Preisen ­weiterverkauft, die nur unwesentlich unter dem Neupreis liegen.
Amperum-Geschäftsführer Österle sieht, dass diese Rechnung zumindest auch bei Ben-E-Bikes für Kinder aufgeht. »Die Räder mit Sunrise-Komponenten und Magura-Bremsen erreichen gute Wiederverkaufspreise«, lautet seine Beobachtung. »Die Räder haben meist nur wenige Kilometer drauf und sind durch die verschleißfreien Motoren auch technisch einwandfrei.« So erzielen die Räder gebraucht einen Preis von etwa 1500 Euro. Zum Vergleich: Das Neu-Sortiment reicht von 1699 bis 2249 Euro.
Doch der Handel wird sich mit ­derlei Preisfragen vermutlich nicht herumschlagen müssen und auch nicht wollen. Wie beim E-Bike für die Großen hat er sich Haftungsfragen zu stellen, die bisher wenig reizvoll waren und aller Voraussicht nach auch weiterhin den Gebrauchtradmarkt in weiten Teilen zur Privat­sache machen.

Marktaussichten: freundlich bis ungewiss

»Bei den Marktaussichten können wir keine Einschätzung geben«, erklärt Österle, obwohl er für diese Saison eine sehr deutliche Steigerung der Verkaufszahlen sieht. Er reiht sich damit ein bei seinen Kollegen, die ebenfalls noch keine Prognose wagen. »Wir lassen die Entwicklung auf uns zukommen und beobachten, was passieren könnte, aber das ist alles in der Glaskugel«, sieht Bezdeka. »Jede Prognose ist maximal eine Daumenpeilung. Eine seriöse Aussage ist fast nicht möglich.«
Und wie reagiert der Handel bisher auf das doppelt junge Segment? Österle beobachtet, dass bei Ben-E-Bike vor allem die kleineren Händler bereits die Chance sehen und von sich aus auf die Marke zukommen. Die größeren Fachhändler würden sich dagegen noch zurückhalten. Szygiel macht genau die umgekehrte Beobachtung: Bei S’cool interessierten sich insbesondere die größeren Händler für die Kids-E-Bikes, während die kleineren sich noch in Zurückhaltung üben. Letztlich mag hier auch eine Rolle spielen, das noch nicht die ganze Breite des Marktes aktiv geworden ist und der Marktzugang verschieden ist. Einig ist man sich jedoch, dass hier eine Entwicklung stattfinden wird. »Der E-Bike-Trend bei den Erwachsenen wird auch zu den Kindern kommen«, ist Alexander Österle überzeugt. »Auch wenn es vielleicht nicht so krass wird wie bei den Großen: Es wird sich widerspiegeln.« Für den Fachhandel bedeutet das die Notwendigkeit, eine passende Strategie parat zu haben, auch bei der Warenpräsentation und den Probefahrten für Kids. Denn sollten hier einmal größere Stückzahlen verkauft werden, würden Kinder-E-Bikes plötzlich von einer Nebensache zu einem wichtigen Umsatzbaustein.

9. Februar 2020 von Daniel Hrkac

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