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Report - E-Bikes für Kinder

Mehr »E« für Kids

Vor Kurzem waren sie noch Mangelware, heute sind sie zwar immer noch Nische, aber mit deutlicher Dynamik zur Verbreitung auf den Straßen. Viele Hersteller von E-Bikes für Kinder sehen einen wachsenden Markt. Wie entwickelt er sich gerade?

Vor dreieinhalb Jahren war zum ersten Mal in diesem Magazin von E-Bikes für Kinder zu lesen. Damals wurden die Marktaussichten für die kommenden Jahre als »freundlich bis ungewiss« eingestuft. Allgemein wurden von den Interviewpartnern damals kaum Voraussagen gemacht. Zu klein und vielleicht auch noch zu unbedeutend schien die Nische, zu unsicher und unplanbar, ob sich der E-Bike-Trend noch weiter und dann auch auf die Kinder ausweiten würde. Die Pandemie, die in viele Strukturen kurz darauf eingegriffen hat, war in ihren Auswirkungen noch nicht erahnbar.

Die Größe, nicht das Alter entscheidet

Auch Alexander Österle, Geschäftsführer von Amperum, der Mutterfirma von Ben-E-Bikes, wollte damals noch wenig in die Zukunft blicken.

Mit 27,5 Zoll schafft Ben-E-Bike den Sprung in die Erwachsenenschiene. Die Größe, nicht das Alter entscheidet.

Heute noch sagt er über die Wahrnehmung dieses Rads in der Gesellschaft: »Das Thema ist noch gar nicht in den Köpfen der Leute. Die sind immer wieder erstaunt, wenn sie unterstützte Kinderräder sehen. Wir versuchen, auf möglichst vielen Veranstaltungen wie der Eurobike oder den E-Bike-Days und Festivals das Thema voranzubringen.« Dabei sei nach wie vor die Leistungsdiskrepanz, die auftritt, wenn die Familie einen Radausflug machen will, das erste Argument für die Unterstützung. 2019 hat Amperum Ben-E-Bikes übernommen, doch über die Bedeutung der Dynamik der letzten Jahre lässt sich seiner Meinung nach auch heute noch keine klare Aussage treffen. »Natürlich gab es bei uns in den letzten Jahren eine richtige Explosion. In den ersten Jahren haben wir uns verdoppelt«, so Österle, »aber die Auswirkungen der Pandemie haben die Entwicklungen ja sehr verzerrt.« Über den Partner Bikebox werden die Ben-E-Bikes online verkauft, mittlerweile gibt es zudem über hundert Einzelhändler als Vertragspartner. »Und über den Händler laufen mehr Geschäfte als online«, erklärt Österle. »Jeder will ja erst einmal sehen, ob das Kind damit umgehen könnte.«

»Natürlich gab es in den letzten Jahren eine richtige Explosion!«

Alexander Österle, Ben-E-Bikes

Grundsätzlich verkauft man E-Bikes mit an das MTB angelehnter Optik und Stollenreifen, weil diese am breitesten einsetzbar sind. Die Technik ist dabei schon weit fortgeschritten. Unter dem Namen Twenty E-Power geht’s mit 20 Zoll los. 10,5 Kilogramm Gewicht wiegt das Rad mit Nabenmotor und bringt dabei 30 Nm Drehmoment mit einem 250-Wattstunden-Akku. Viele Kinderräder ohne Unterstützung wiegen mehr. »Da ist keine Luft mehr nach unten«, erklärt Österle. Das dürfte auch in Zukunft die Messlatte sein. Durch das geringe Gewicht der Kinder kann man mit einer Reichweite wie »die Großen« rechnen. Zusätzlich gibt es auch einen 375er-Akku. Der Heckmotor hat eine spezielle Steuerungssoftware, die auf Kinder ausgerichtet ist. Für all das müssen die Eltern 1849 Euro hinblättern.
Ab sofort gibt es auch StVZO-konforme Straßenvarianten. Die Laufradgrößen gehen von 20 über 24 und 26 bis 27,5 Zoll. »Die Kategorien bilden nicht das Alter, sondern die Größe und das Gewicht«, erklärt Österle. Immer mehr Anfragen von kleinen Frauen erreichen Ben-E-Bikes. Auf der Eurobike wird ein kleines 27,5er-E-Bike mit Mittelmotor und entsprechender Leistung vorgestellt. »Damit machen wir den Sprung in die Erwachsenenschiene.«

Mit Kindern auf die 70-Kilometer-Tour

Auch der Anbieter Coolmobility mit seiner Marke S‘cool Juniorbikes fing vor vier Jahren mit leichten E-Bikes für Kinder an. »Viele andere greifen zum Naheliegenden, also bewährten Antrieben von ausgewachsenen E-Bikes«, erklärt Vertriebsleiter Andreas Szygiel. Das macht das System schwer. »Wir haben mit einem Bafang-Motor im Heck ein sehr leichtes System mit 252-Wattstunden-Akku im Unterrohr.« Die Batterie ist nur vom Fachhändler entnehmbar, man wolle verhindern, dass der Youngster sie zum Laden zum Beispiel mit in sein Zimmer nimmt. Die Steuerungssoftware wurde zusammen mit Bafang für die jungen Ansprüche modifiziert. »Der Motor soll nicht zu abrupt lospreschen«, so Szygiel.

Optik wie beim großen E-Bike: Das S‘cool E-TroX Race2 hat einen integrierten Akku.

Die Höchstgeschwindigkeit wird auf einen Wert zwischen 20 Stundenkilometer (20 Zoll) und 25 Stundenkilometer (26 Zoll) begrenzt. Eine Tour mit den Eltern mit 50 bis 70 Kilometern Länge ist damit möglich. Beim E-Trox 20 für 1549 Euro gelingt der Einstieg mit Vollausstattung inklusive Lichtanlage und Radschützer bei 14,9 Kilogramm. Die Range geht von 20 bis 26 Zoll (und preislich bis maximal 1949 Euro). MTB-Ausstattung ist hier eine mögliche Variante, denn grundsätzlich sind die Räder StVZO-gerecht ausgestattet. Natürlich sollen die Kids damit auch zur Schule fahren. Dennoch, das E-MTB für Kids erfährt auch hier mehr und mehr Nachfrage.
»Bei S‘cool Juniorbikes sehen wir das unterstützte Kinderrad als Produkt der Zukunft. Wie man sich heute einen Verzicht auf das Handy nicht mehr vorstellen kann, wird in Zukunft das E-Bike für Kinder selbstverständlich sein. Das ist ein Technologie-Fortschritt, der sich gar nicht mehr aufhalten lässt«, so Szygiel. »Anfangs hieß es gerade im MTB-Bereich, ›die Kinder sollen doch selbst treten‹. Doch das funktioniert nicht.« Nur mit dem E-Bike kommen die Kleinen auch auf längerer Tour mit den Erwachsenen mit. Natürlich braucht es die ausreichende Grundmotorik auf dem Fahrrad, bevor man E-Bike fährt. »Doch das E-Bike kann der Key sein, Kinder zum Fahrradfahren zu animieren.« Das Feedback der Eltern dazu fällt deutlich aus. Die Kleinen führen häufiger, länger und lernten schneller als mit dem Rad. Jetzt erkenne auch der Fachhandel die Vorteile, so Szygiel. Vor allem die 24- und 26-Zöller werden in Zukunft den Markt beherrschen, glaubt man bei Coolmobility.

Der Markt dürfte sich vor allem bei den hochwertigen Produkten einpendeln. »Das Rad muss kindgerecht auf die körperlichen und motorischen Fähigkeiten des Kindes abgestimmt sein. Trotz allem war es für uns immer wichtig, das passende Preis-Leistungs-Niveau zu bieten. Und man darf nicht vergessen«, so der Vertriebsleiter, »alles, was einen Trend darstellt, hat eine Sogwirkung.« In diesem Fall zieht das E-Bike der Erwachsenen die Kids-E-Bikes mit voran.

24-Zoll-Kinder-E-MTB von Giant. Hier halten sich bewährte (Motor-)Technik und Kids-spezifische Entwicklung die Waage.

Die Systeme werden noch günstiger werden, glaubt man. Doch der Wiederverkaufswert spielt noch eine geringe Rolle für Eltern, die ihren Kindern E-Bikes kaufen wollen. »Eltern kaufen derzeit noch nicht mit dem Gedanken an einen guten Wiederverkauf«, glaubt man bei Coolmobility.

Das E-Kinder-Motor-Fully-MTB

Auch beim international agierenden Hersteller Giant nimmt man das Thema Kinder-E-Bikes sehr ernst. »Wir versuchen mit eigens entwickelten Komponenten den speziellen Anforderungen eines Kinder-E-Bikes gerecht zu werden. Es reicht nicht für ein gelungenes Fahrverhalten, vorhandene Komponenten an einen Kinderrahmen zu montieren. Für eine Charakteristik, die Kinder unterstützt und nicht überfordert, muss das Thema E-Bike für Kids gänzlich anders gedacht werden«, erklärt Marc Kessing, Bike Media Relations Manager. Für die Talon E+JR in 24 und 26 Zoll von Giant werden die Sync-Drive Move-Hinterradmotoren verwendet. Ein Vorteil des kleinen Antriebs: Er fällt optisch nicht auf. Das ist für Kinder manchmal wichtig.
Grundsätzlich sei die Entwicklungsgeschwindigkeit bei Kinder-E-Bikes noch nicht so rasant wie im Erwachsenenbereich, so Kessing. »Die spezifischen Anforderungen an die E-Komponenten in Sachen Gewicht, Leistungsentfaltung und beengter Bauraum sind sehr komplex und mit hohen Entwicklungskosten verbunden, wodurch dezidierte Kinder-E-MTB aktuell noch nicht mit dem Innovations- und Integrationsgrad der großen mithalten können.« Die Integration, vor allem die des 250-Wattstunden-Akkus, ist also noch nicht abgeschlossen. Die Entwicklungen im Zellenbereich führen aber dazu, dass auch hier die cleane Optik bald vorherrschen dürfte. Die aktuellen Markttrends wie geringes Gewicht und harmonische, sanfte Motorunterstützung finden sich jetzt schon am Kinder-Bike wieder. Bei Giant geht man von einer deutlichen Diversifizierung in den nächsten Jahren aus. »Die Entwicklung im MTB-Bereich wird bald auch den Fully-Bereich abdecken«, so der Giant-Sprecher. Aktuell werde intensiv an einer neuen Generation des Antriebssystems gearbeitet.

»Wir sehen das unterstützte Kinderrad als Produkt derZukunft.«

Andreas Szygiel, Coolmobility GmbH

Die Verkaufszahlen der kleinen Flitzer können auch bei Giant nicht mit denen des normalen E-Bikes konkurrieren. Diese lägen im vier- bis fünfstelligen Bereich. Von den Kids-Modellen Giant Talon E+ Junior und Liv Tempt E+ Junior waren im letzten Jahr mittlere dreistellige Mengen abgesetzt worden.

Die 3000er-Grenze fällt

Der Kinderradhersteller Woom hat zwei E-unterstützte Räder im Programm: Das UP 5 können Kinder ab sieben Jahren fahren. »Das Segment der Kinder-E-bikes ist bei uns ein Nischenprodukt. Nur ein sehr geringer Anteil der verkauften Woom-Bikes ist motorisiert«, erklärt Paul Fattinger, CEO von Woom. »Aber Innovation ist sehr stark in unserer DNA verankert und es ist uns wichtig, auch dieses Marktsegment als einer der ersten Kinderfahrradhersteller bedienen zu können. Das Woom UP 5, unser kleinstes E-Bike, können Kids ab einer Körpergröße von 128 Zentimetern, also ab ca. sieben Jahren fahren. Das Segment wächst bei uns aber stetig«, so Fattinger. So gibt es derzeit das angesprochene Up 5 in 24 Zoll und ein Up 6 in 26 Zoll. Die Preise liegen bei 2990 für das Rad für Sieben- bis Elfjährige und 3090 Euro für Zehn- bis Vierzehnjährige. Beide unterstützen mit einem auf 20 Stundenkilometer gedrosselten Fazua-System und 250 Wattstunden Energiegehalt im Akku. Die Räder haben eine hochwertige Federgabel und Scheibenbremsen. Für die nähere Zukunft ist bei Woom kein Ausbau der Sparte vorgesehen. Sicher auch, weil sich die Verkaufszahlen der Woom-Up-Modelle im Vergleich zu Bio-Bikes im niedrigen einstelligen Prozentbereich befinden. Daneben ist der umtriebige österreichische Hersteller sehr engagiert im Verkehrsbereich und startete mit Woom2school ein Sponsoring-Programm, das nachhaltige Mobilität auf dem Schulweg fördern soll.

Das polarisierende Produkt wird salonfähig

Auch ein zweiter Österreicher ist »schon lange von diesem Produkt überzeugt«, wie Matthias Grick, Leiter Operatives Marketing von KTM, eröffnet. Schließlich wolle man als Vollsortimentsanbieter immer »Fahrräder für die ganze Familie bieten.« KTM hatte bereits 2015 mit dem Mini Me das erste Kids-E-Bike im Programm.

Ab sieben Jahren gehts »up«. Das Woom als 24er unterstützt mit einem gedrosselten Fazua-Motor bis 20 km/h.

Damals polariserte das Produkt nach eigener Aussage, »wurde aber in Pionierarbeit über die Jahre salonfähig gemacht und jedes Jahr weiterentwickelt.« Heute gibt es zwei unterschiedliche Modelle davon, das Macina Mini Me 411 für 2999 Euro und das 561 für 3399 Euro. Beides sind Mountainbikes, die mit einem leichten Gepäckträger-System nachgerüstet werden können. Allerdings wird für 2024 sehr intensiv an neuen Generationen gebastelt.
Diese werden statt des bisherigen Performance-Line-Antriebs mit 500 Wattstunden Kapazität den neuen, kleinen und leichten Performance-Line-SX-Antrieb von Bosch mit halb so viel Kapazität verbaut haben und das Gewicht von jetzt satten 20 Kilogramm deutlich verringern. Für verschiedene Körpergrößen gibt es auch hier unterschiedliche Laufradgrößen.

Smart: Kinder automatisch beim Biken tracken

Ganz neu ist die Ankündigung eines Kinder-E-Bikes beim Lifestyle- und Sport-Label Specialized. Das Levo SL Kids, ein E-MTB mit Specialized-Mittelmotor, soll für Kinder von 6 bis 11 Jahre anpassbar sein. Es wiegt 16,6 Kilogramm und will viel mehr als ein klassisches Kinder-E-Bike können. Es trackt automatisch die Strecken, die die Kleinen durchs Unterholz nehmen, analysiert sie laut Hersteller und verbessert die Motorsteuerung dank smarter Algorithmen. Wahlweise schaltet der Antrieb bei 16 oder bei 25 Stundenkilometer ab. Wie in den großen Levo-E-Bikes ist ein interner 320-Wattstunden-Akku verbaut, der den kleinen Leichtgewichten damit deutlich mehr Reichweite generieren dürfte als den Erwachsenen. Elf Gänge können geschaltet werden, und eine Rockshox-Gabel Reba führt das 24er-Vorderrad. Dass die Amerikaner an die Zukunft des E-Bikes für Kinder glauben, muss dann nicht eigens betont werden.

Die E-Kids werden mehr

Dass auch große internationale Marken einsteigen, spricht von einer gesteigerten Markterwartung im kleinen Segment. »Die Entwicklung kostet viel Geld, es ist aber wichtig, dranzubleiben«, so der Tenor, der Hersteller von Kinder-E-Bikes. Eine der Herausforderungen dabei ist sicher das Gewicht, und das wird es auch bleiben. Nur mit kleinen Motoren und Batterien wird es wünschenswert tief zu halten sein.

»Wir wollen Fahrräder für die ganze Familie bieten«, sagt KTM mit dem Macina Mini Me SX.

Wahrscheinlich sind jeder Leser und jede Leserin schon über die Preisangaben hier gestolpert: Vollwertige Kinder-E-Bikes schon ab gut 1500 Euro, und das bei hohem Entwicklungsaufwand? Davon kann man heute bei Erwachsenenrädern nur träumen. Tatsächlich könnte für viele Eltern die 2000er-Marke eine echte Schmerzgrenze darstellen, aber richtige Preispunkte haben sich noch nicht etabliert. Hersteller mit Preisen um die 3000 Euro könnten ebenfalls erfolgreich sein, aber sicher mit anderen Verkaufszahlen.
Insgesamt blicken die Hersteller heute deutlich positiver in die Zukunft als vor vier Jahren. Mancher sieht gar die Entwicklung hin zur flächendeckenden E-Ausstattung am Kinderrad als einen logischen Schritt. Richtig ist sicher, das Argument der Familienzusammenführung auf dem E-Bike nicht von der Hand zu weisen. All die anderen Themen pro und contra Kinder-E-Bike sind inzwischen geklärt. Wenn das unterstützte Fahrrad weiterhin auf dem Wunschzettel der Erwachsenen steht, dürfte der Wunsch der Kinder nach dem Rad mit Rückenwind sich nur noch verstärken. //

2. August 2023 von Georg Bleicher

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