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Report - Einbruchsprävention

Ein sicheres Geschäft

Einbrüche im Fahrradfachhandel gibt es immer wieder. Gegen sie vorzubeugen, funktioniert mit einer individuellen Wahl aus einem bunten Strauß an Maßnahmen. In moderne Technik zu investieren ist – auch aus Versicherungsgründen – besonders lohnend, wenn es noch keinen Einbruch gab.

Ein Freitagmorgen im November des vergangenen Jahres: Um 7:21 in der Früh erreicht Holger Röthig vom Cycle Cafe Velbert Ruhr ein Anruf der Polizei. Einbrecher haben in der vorangegangenen Nacht die Eingangstür zu seinem Laden mit brachialer Gewalt geknackt und den Präsentationsraum leergeräumt. 15 hochwertige Renn- und Gravel-Räder konnten die Diebe dabei ergattern, darunter eine seltene Tour-de-France-Edition von Bianchi.
Szenen wie diese sind im Fahrradfachhandel keine Seltenheit. Angesichts der gestiegenen Verkaufspreise dürften Fahrradhändler für Diebe in den letzten Jahren eher noch interessanter geworden sein. Während manche Einbrüche erfolgreich sind, bleiben andere erfolglos. Zu beiden fehlt es an einer präzisen Datenlage, auch weil die Versuche bei eher kleinen Schäden manchmal gar nicht zur Anzeige gebracht werden, wie Reinhard Hupke vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg sagt. Den eigenen Laden vor Einbrüchen zu schützen, ist kein Kinderspiel. Dennoch gibt es zahlreiche Wege, das Risiko zu mindern. Reinhard Hupke ist in der Kriminalprävention tätig und unterstützt die polizeilichen Beratungsstellen des Landes. Er plädiert dafür, die Expertise dieser Stellen öfter in Anspruch zu nehmen. »Im privaten Bereich werden die polizeilichen Beratungsstellen sehr häufig kontaktiert. Im gewerblichen Bereich leider nicht so oft, wie uns lieb wäre«, erklärt Hupke.

Jedes Gebäude individuell betrachten

Diese Diskrepanz sei damit zu erklären, dass den betroffenen Menschen das eigene Heim emotional näher ist als die Arbeitsstätte. Doch auch im gewerblichen Bereich kann man von der kostenfreien und unabhängigen Beratung profitieren. Pauschale Empfehlungen gibt es aber kaum. Es sei wichtig, jedes Objekt individuell zu evaluieren, wie Hupke erläutert: »Gerade im Fahrradeinzelhandel gibt es gelegentlich den Modus Operandi, dass über Oberlichter eingestiegen wird. Deswegen ist es wichtig, dass man tatsächlich etwaige Schwachstellen definiert und die Verbesserungsmöglichkeiten auch vor Ort feststellt.«
Zu bedenken sind zum einen baulich-mechanische einbruchshemmende Produkte. Auf der Website www.k-einbruch.de klären Hupke und sein Team auf und helfen bei der Suche nach Beratungsstellen, Fachbetrieben oder Herstellern. Türen, Tore und Fenster einer höheren Sicherheitsklasse, dazu bestimmte Schließzylinder, Schutzbeschläge und Schlösser bieten zahlreiche Möglichkeiten.

»Im privaten Bereich werden die polizeilichen Beratungsstellen sehr häufig kontaktiert. Im gewerblichen Bereich leider nicht so oft, wie uns lieb wäre.«

Reinhard Hupke, Landeskriminalprävention/ LKA Baden-Württemberg

Im Einzelfall kommt es aber auch darauf an, dass die Bausubstanz diesen Sicherungen ebenbürtig ist. Bei Wänden in Leichtbauweise hat eine Sicherheitstür keinen großen Effekt.
Expertenbesuche vor Ort zeigen, welche Maßnahmen Priorität haben sollten. Das eigene Geschäft lässt sich auch schrittweise sicherer machen. Zudem gilt es, das Personal zu sensibilisieren und sich personell-organisatorisch gegen Einbrüche zu wappnen. »Das muss alles Hand in Hand gehen«, so Hupke.
Zur individuellen Betrachtung gehört zudem, die Täterklientel berücksichtigen. Ein Fahrradgeschäft in Innenstadtlage erfordert andere Maßnahmen als ein großer Händler im Industriegebiet, dessen Nachbarschaft etwa am Wochenende wenig frequentiert wird. Ein sichtdurchlässiger Zaun und große Flutlichter könnte es etwaigen Passanten dennoch ermöglichen, einen Einbruch zu beobachten. Vereinzelt könne es auch eine Lösung sein, einen Wachdienst zu engagieren, eventuell in Zusammenarbeit mit anderen Anliegern.

Der Letzte macht den Alarm scharf

Personelle Unterstützung aus der Ferne liefern Alarmsysteme mit angeschlossener Alarmzentrale. Diese bietet zum Beispiel die Firma Sonotel Alarmsysteme an, mit welcher unter anderem der Verbund Service und Fahrrad kooperiert. Dessen Mitglieder erhalten zehn Prozent Rabatt. Das System besteht aus einem Kasten, der an den Strom angeschlossen und an die Wand gehängt wird. Über Funk kommuniziert das System mit batteriebetriebenen Bewegungsmeldern, magnetischen Kontaktsensoren und anderem Zubehör, das sich je nach Bedarf hinzukaufen lässt. Das System lasse sich eigenhändig und unkompliziert installieren. Vertriebler Peter Stüve-Bernklau erklärt, was im Alarmfall passiert: »Das Alarmgerät verfügt unter anderem über eine Wähl­einheit, ein Mikrofon und einen Lautsprecher. Hierdurch können wir im Alarmfall aus unserer Alarmzentrale, um weitere Schäden zu vermeiden, direkt in das Objekt hineinhören und hineinsprechen.«
Diese Besonderheit mache das System in der Abschreckung sehr effektiv, so Stüve-Bernklau: »Wird ein Eindringling angesprochen, fühlt er sich ertappt und ergreift sofort die Flucht.« Die Service- und Notrufleitstelle kontaktiert die Polizei und andere festgelegte Kontakte. Das System ist mit einer gewissen Grundausstattung bereits für 1800 bis 2000 Euro zu haben. Das Aufschalten auf die Zentrale
kostet zusätzlich 19,70 Euro netto pro Monat.
Neben dem Alarmsystem hält auch Stüve-Bernklau eine gute mechanische Sicherung für unabdingbar. Licht könne Einbrecher abschrecken, genau wie echte Sirenen oder entsprechende Attrappen und Aufkleber, die auf die Alarmüberwachung hinweisen. Besonders wichtig seien außerdem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Verantwortung für die Scharfschaltung übernehmen sollten. Man könne ihnen aber mit einer automatischen Scharfschaltung nach Zeitplan einen doppelten Boden verschaffen. Aufmerksame Nachbarn, denen man seine Kontaktmöglichkeiten gibt, können ebenso hilfreich sein.

Löst das Alarmsystem von Hersteller Sonotel aus, kann das Team in der Alarmzentrale die Polizei verständigen – oder über einen Lautsprecher in den Laden hineinsprechen.

Vonseiten der Versicherungen sind Alarmsysteme zumeist erst dann verpflichtend, wenn ein Einbruch oder mehrere Einbrüche bereits passiert sind. Die Lösung von Sonotel kommt dann nicht immer infrage, weil sie nicht vom Institut VDS Schadensverhütung GmbH zertifiziert ist. Dem österreichischen Pendant VSÖ genügt die Anlage. »Das Sonotel-Alarmsystem ist nicht VDS-geprüft, gilt im Versicherungswesen jedoch als VDS-äquivalent. Die Gerätetechnik Sonotel Alarm ist VSÖ-zertifiziert und entspricht der Norm EN50131 Grad 2 Klasse II und der EN50136«, erläutert Stüve-Bernklau. Grund für die mangelnde VDS-Prüfung sei die fehlende Verkabelung der Funkanlage. So könne sie aber auch wesentlich günstiger angeboten werden als VDS-geprüfte Anlagen, die von extra geschultem Personal installiert werden müssen.

Einbrüche schon draußen erkennen

Armin Albrecht, Geschäftsführer der Albrecht Vertriebs GmbH vertreibt mit dem FR.ED 2.0 von Hersteller Suritec ein Gerät, dessen Technik aus dem Militärbereich stammt. Die kleine Box überwacht den Infraschall, der entsteht, wenn sich ein Einbrecher an einem Gebäude zu schaffen macht. Der Alarm schlägt an, wenn der Einbruch noch nicht erfolgreich war, betont Albrecht den Unterschied zu klassischen Alarmanlagen. Die Lösung kann Gebäude mit über 1000 Quadratmetern Fläche und mehreren Stockwerken absichern. Im Kundengespräch fragt Albrecht oft: »Möchten Sie einen zukünftigen Täter im Wohnzimmer oder im Geschäft haben? Oder wäre es besser, wenn er noch draußen steht?« Er rechnet damit, dass diese Technik klassische Alarmanlagen früher oder später verdrängen wird.
Seine Kunden beschäftigen sich in den meisten Fällen das erste Mal mit der elektronischen Überwachung und haben noch keine Anlage in ihrem Gewerbeobjekt installiert. Es gibt aber auch Ausnahmen, sagt Albrecht: »Diejenigen, die schon abgesichert sind, haben entweder eine alte Alarmanlage und wollen diese erneuern oder sie sind einfach von der neuen Technik begeistert.« Den Fahrradhandel ordnet Albrecht aufgrund der hohen Warenwerte und der offenen Räumlichkeiten als ziemlich einbruchsgefährdet ein.
Das Frühwarnsystem wird bislang vom VDS nicht berücksichtigt. Doch auch Albrecht rät ohnehin dazu, den Auflagen zuvorzukommen. »Es ist jedem Unternehmer zu raten, präventiv eine Anlage zu installieren, um gar nicht in die Situation zu kommen, dass die Versicherung ihm derartige Verpflichtungen auferlegt.«

»Die wissen, dass sie maximal fünf Minuten Zeit haben«

Im Fall des Cycle Cafe Velbert Ruhr kommt für Geschäftsführer Röthig für präventives Handeln zu spät. Doch auch er hat seit dem vergangenen November an seiner Einbruchsprävention gearbeitet und sich unter anderem von der Kriminalpolizei beraten lassen. Er sei froh, dass zumindest keine Kundenräder abhandengekommen seien, sagt Röthig.
In Zeiten hoher Lagerbestände sehen sich Einbruchsopfer manchmal mit der Zuschreibung konfrontiert, sie würden im Grunde von der verschwundenen Ware profitieren. Versicherungen erstatten allerdings nur den Einkaufspreis. Arbeitszeit, die in den Aufbau der Räder geflossen ist, oder für die Auseinandersetzung mit der Polizei, den Versicherungen und Handwerkern genutzt wird, erstatten sie zudem nicht.
Mit der richtigen Sicherheitstechnik, dem richtigen Personalverhalten und den passenden baulichen Maßnahmen lässt sich dieser Ärger zumindest etwas unwahrscheinlicher machen. Ganz verhindern lassen werden sich Einbrüche vor allem von professionellen Kriminellen im Fahrradfachhandel dennoch nicht. »Der von der Kripo sagte: ›Die wissen, dass sie maximal fünf Minuten Zeit haben. Dann sind sie wieder weg‹«, erzählt Röthig und resümiert: »Wir sind nicht der Erste gewesen und wir werden auch nicht der Letzte sein.« //

21. Oktober 2024 von Sebastian Gengenbach
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