Interview - Hotte Hoss, Radtheke
»Engagement ist kein Marketing«
Herr Hoss, warum engagieren Sie sich als Besitzer einer Fahrradwerkstatt für verkehrspolitische Belange?
Wir tun das, weil wir das Fahrradfahren lieben und nicht nur Geld verdienen wollen. Weil wir ab und zu gefragt werden und schon lange Erfahrung in diesem Bereich haben. Und weil wir in jungen Jahren maßgeblich für eine Downhill-Strecke in Stuttgart eingetreten sind, welche dann von einer jüngeren Generation übernommen und zum Abschluss gebracht wurde. Seit dieser Zeit engagieren wir uns durch die tagtägliche Arbeit für den Radverkehr, da wir mit der Werkstatt so viele Menschen wie möglich mobil halten.
Ich bin aber nicht mehr in der Intensität engagiert wie früher, da ich durch die Existenzgründung mit der Werkstatt leider nicht mehr so üppig mit Zeit ausgestattet bin. Während des Studiums und der anschließenden Ausbildung war das einfacher. Nichtsdestotrotz pflegen wir unser Netzwerk und beteiligen uns an einer konstruktiven Diskussion, wo wir können und dürfen.
Bringt Ihnen dieses Engagement auch in Bezug auf Ihre Werkstatt etwas?
Hm, da ist wohl die Frage, ob man das aus Interesse gegenüber dem Laden, der Werkstatt oder dem Geschäft tut oder für etwas Tieferes. Ich denke, ich engagiere mich persönlich gesehen eher aus einer generellen und tieferen Überzeugung heraus, weil das Fahrrad das intelligenteste Verkehrsmittel ist, das die Menschen je erfunden haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das natürlich auch immer streitbar sein kann und nicht immer jede Person positiv aufnehmen muss.
Somit kann es, im Gegenteil, auch mal negativ für einen Unternehmer sein, wenn man sich in der Öffentlichkeit zur Diskussion stellt. Dies ist wohl auch einer der Gründe, warum viele Unternehmer in der Öffentlichkeit eher schweigsam sind. Wir stellen unser Engagement ganz klar nicht in Bezug zu unserer Arbeit. Ich unterscheide zwischen der Radtheke als Unternehmen, dieses ist unpolitisch. Ich, als Privatperson kann aber sehr wohl politisch sein.
Ich habe die Meinung, dass verkehrspolitisches Engagement nicht zur Steigerung von Geschäften genutzt werden sollte. Dieses Engagement sollte aus anderen Intentionen heraus geschehen, als damit Geschäfte machen zu wollen. Wir benutzen dies nicht, um damit Werbung zu machen. Wir trennen das vom geschäftlichen Treiben ganz klar.
Ermutigen Sie auch Ihre Angestellten, sich bei Aktionen für das Fahrrad als Verkehrsmittel zu engagieren?
Prinzipiell bleibt das immer jedem selbst überlassen. Sollte jemand jedoch verspüren, etwas tun zu wollen, kann ich immer nur Mut machen und zum Durchhalten aufrufen.
Ich habe die klare Ansicht, dass wenn man etwas verändern will, man etwas tun muss, bevor man laut wird. Dies bedeutet ganz klar, in Gremien zu gehen und sich am gesellschaftlichen und politischen Prozess zu beteiligen. Ruhig und beharrlich, man muss dabei nicht laut sein.
Hotte Hoss, oben im Bild, ist in seiner Werkstatt zwar ausgelastet, lässt es sich aber nicht nehmen, sich für den Radverkehr in seiner Heimatstadt einzusetzen.
Wie empfinden Sie es, in Stuttgart verkehrspolitisch für das Fahrrad aktiv zu sein?
Ich begleite und beobachte die Prozesse in der Stadt seit Anfang der 2000er-Jahre kontinuierlich. Wenn wir betrachten, wo wir in Stuttgart herkommen, dann können wir ganz schön stolz sein, was jeder Einzelne hier macht.
Das gilt für alle, die sich um einen ausgeglichenen Umgang der verschiedenen Verkehrsgeschwindigkeiten in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens und Raumes engagieren. Dies benötigt Zeit, denn in unseren demokratischen Prozessen geht es immer nur mit Mehrheiten und im Konsens aller. Daher benötigt man immer Durchhaltevermögen und positive Beharrlichkeit.
Hierbei habe ich schon immer den Ansatz, dass wir ein Gleichgewicht zwischen Fußgängern, Rad-, Auto und Motorradfahrerinnen und -fahrern brauchen. Diese drei Bereiche und Geschwindigkeiten teilen sich den öffentlichen Raum und verhandeln ständig, wie dieser gelenkt und verteilt wird. Je mehr Fahrräder wir auf den Straßen sehen, desto mehr merken wir, dass wir an der Infrastruktur Wege und Ströme anpassen müssen, um entspannt miteinander zurechtzukommen. Dies gilt für den urbanen Bereich ebenso wie für den ländlichen Bereich oder für den öffentlichen Wald.
Würden Sie anderen Fahrradhändlern raten, sich ebenfalls für das Fahrrad als Verkehrsmittel einzusetzen?
Ich rate niemandem dazu, sich aus wirtschaftlichen Gründen verkehrspolitisch zu engagieren. Ich rate jedem, dies aus vollem Herzen zu tun, aus einer Überzeugung heraus, die in tieferem Sinne erfüllend ist. Nur so kann man die langsamen Entwicklungen ohne Frust aushalten und verliert nicht den positiven Blick auf diese Dinge.
Mit so etwas Werbung für ein Unternehmen zu machen, sehe ich sehr kritisch. Letztendlich ist dies jedoch nur eine persönliche Erfahrung, jeder kann es selbst versuchen und ausprobieren.
Allgemeines und soziales Engagement fängt immer im ganz Kleinen und direkt zu anderen Personen an. Jeder Einzelne kann alleine dadurch, dass er etwas mit dem Fahrrad zu tun hat, die verkehrspolitische Wende beziehungsweise den verkehrspolitischen Wandel beeinflussen. Man muss lediglich anfangen, Fahrrad zu fahren. Das ist das stärkste Statement, das man auf die Straße bringen kann.
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