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Fahrräder und zulässiges Gesamtgewicht

Ernst Brust will vorhandene Wissenslücken schließen

Geradezu stiefmütterlich würde das Thema bei Fahrradherstellern aber auch im Verkauf im Fahrradhandel bislang behandelt, meint Fahrradsachverständiger Ernst Brust, der auf beiden Seiten erhebliche Wissenslücken moniert. Doch dabei sei das zulässige Gesamtgewicht von Fahrrädern in Hinblick auf deren Betriebsfestigkeit ein wichtiger Faktor. Die vorgegebenen Sicherheitsnormen stellten nur Mindestanforderungen, schreibt Brust im nachfolgenden Beitrag, in dem der Fahrradsachverständige u.a. anhand von Beispielrechnungen darstellt, wie schnell die Belastungen aufs Fahrrad im täglichen Gebrauch weit über die geltenden Normen hinausschießen können.

"Das Gewicht eines Fahrrades mit Fahrer und Gepäck nennt man Gesamtgewicht. Der Hersteller begrenzt es, indem er ein zulässiges Gesamtgewicht angibt. Hierfür muss er Bremsverzögerung und Betriebsfestigkeit sichern. Nahe liegender Fehlgebrauch, z.B. geringfügige oder kurzzeitige Überladung und ungünstige Wartung, sind angemessen zu berücksichtigen. Sicherheitsnormen sind so ausgelegt, dass sie nur Mindestanforderungen stellen. Dabei nimmt man für Cityräder z.B. ein zulässiges Gesamtgewicht von ca. 100 kg an und beschreibt entsprechend die notwendigen Prüfungen der Bauteile für einfache Benutzung.

Anspruchsvolle Produkte müssen aber sorgfältiger gestaltet werden, damit sie bei geringstem Eigengewicht ausreichend betriebsfest sind. Hierzu sind die Prüfanforderungen genauer festzulegen, als dies in einfachen Normen geschieht. Das zulässige Gesamtgewicht des zu prüfenden Fahrrades spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Die Betriebslasten eines Fahrrades resultieren aus drei Quellen:
ca. 70 % Fahrbahnstöße
ca. 20 % Bremsbelastungen
ca. 10 % Antriebskräfte (ohne Motor!)

Diese Verteilung gilt nahezu für alle Arten der Fahrräder, nur die Größe der Kräfte unterscheidet sich nach dem Gebrauchsnutzen (City, Trekking, MTB, etc.) und dem Gesamtgewicht. Das Gesamtgewicht muss abgebremst werden und es wird durch Fahrbahnstöße beschleunigt. Massenbeschleunigungskräfte belasten die Bauteile, vor allem wenn die nötige Abfederung fehlt.
Im Testlabor prüft man die Bauteile und die fertig montierten Fahrräder auf geeigneten Prüfständen. Die Betriebslasten werden zuvor im Fahrbetrieb gemessen und in Prüflastkollekte umgerechnet. Fertig montierte Fahrräder kann man exakt nach Herstellerangabe für den Test beladen. Bei einzelnen Komponenten weiß man dagegen nicht, in welchen Fahrrädern sie verbaut werden.

Aus diesem Grunde wurden für Fahrradkomponenten die zulässigen Gesamtgewichte der Fahrräder, an denen sie montiert werden dürfen, festgelegt.

Bei DIN plus sind das z. B.
MTB/Rennrad 115 kg max.
Cityrad 125 kg max.
Trekkingrad 140 kg max.

Abweichend hiervon sind Angaben für Kinderräder (40 – 80 kg) und besonders tragfähige Räder, z.B. Utopia (170 kg), besonders zu berücksichtigen.
Noch komplizierter ist die Sache bei Fahrradbremsen. Die Vorderradbremse eines Cityrades soll das Fahrrad bei max. 180 N Handkraft mindestens mit 3,4 m/sec² verzögern. Ermittelt wird diese Verzögerung für eine Masse von 100 kg. Ist das Fahrrad mit Nutzlast schwerer, so muss die Bremse aggressiver zupacken, um die größere Masse mit gleicher Verzögerung abzubremsen. Für ein 140 kg Trekkingbike muss der Messwert, bei 100 kg ermittelt, mindestens 3,4 m/sec² x 1,4, also 4,76 m/sec² betragen. Die abzubremsende Masse besteht aber nicht nur aus dem Fahrrad und seiner Beladung. Wird ein Anhänger angekuppelt, so ist seine Masse hinzuzurechnen. Auch der Anhänger wird beim Bremsen verzögert.

Wie groß die Streubreite sein kann, soll ein Rechenbeispiel zeigen:
Ein Trekkingbike mit leichtem Fahrer wiegt z.B. 16 + 74 = 90 kg.
Benutzt der ältere Bruder das Rad, belädt er es mit Gepäck und hängt er einen Anhänger an, so kann das abzubremsende Gesamtgewicht 16 + 84 + 30 + 40 = 170 kg betragen.
140 kg belasten die Bauteile des Fahrrades und 170 kg seine Bremsen.

Es gibt also gute Gründe, das zulässige Gesamtgewicht eines Fahrrades sorgfältig zu
beachten."

22. Januar 2009 von Jürgen Wetzstein

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