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Interview - Dr. Jan Becker, Porsche E-Bike Performance

»Es geht steil bergauf«

Die mit der Übernahme von Fazua und Greyp gegründete Porsche E-Bike Performance GmbH ist ein illustrer neuer Player im Markt für Fahrräder und E-Antriebe. Geschäftsführer Dr. Jan Becker erklärt im Interview, welche großen Pläne in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen.

Sie stehen nun ein Jahr an der Spitze der Porsche E-Bike Performance GmbH. Wie war Ihr erstes Jahr?

Es war extrem spannend und lehrreich. Ich komme ursprünglich aus der Automobilbranche und habe eine ganze Weile das Accessoire-Geschäft bei Porsche geleitet. Dort hatten wir schon die erste Fahrradkooperation im Rahmen einer Lizenzpartnerschaft mit Rotwild. Dann haben wir entschieden, dass wir ins Geschäftsfeld Antriebssystementwicklung einsteigen wollen. Da wir nicht bei null angefangen haben, sondern mit Fazua und Greyp zwei Unternehmen übernommen haben, bin ich in die Start-up-Kultur hineingekommen ­– und das ist neu für mich. Porsche ist vielleicht früher mal ein Mittelständler gewesen, aber heute ein großes Unternehmen mit entsprechenden Strukturen. Für mich persönlich war der Wechsel in diese neue, dynamische Branche sehr spannend.

Gab es denn einen Kultur-Clash, wenn man Konzernstrukturen in ein Start-up hineinträgt?

Wir hatten von vornherein den Plan, dass wir die goldene Mitte wählen. Uns war natürlich bewusst, dass es kulturell Herausforderungen gibt, aber es geht dabei nicht einfach um Konzern versus Start-up. Es gab verschiedenste Aufgaben zu meistern, denn wir haben ja mit Greyp ein kroatisches Unternehmen und mit Fazua ein deutsches. Wir wollten das Beste aus beiden Welten vereinen. Von der Konzernseite vielleicht etwas mehr Professionalität, Struktur, Prozesskompetenz bekommen und auf der anderen Seite die flachen Hierarchien, schnelle Wege und Flexibilität erhalten. Da sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg, uns in der Mitte zu treffen. Mit dem, was wir vorhaben, wären die originären Strukturen von Fazua überfordert und die Konzernstrukturen von Porsche nicht der richtige Weg.

Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen Ihrer Arbeit im Auto-mobilbereich und der jetzigen Porsche E-Bike Performance GmbH?

Dass in der Fahrradwelt auch mal ausnahmsweise eine Auftragsbestätigung per Whats-App erteilt werden kann.

Wie sieht denn eigentlich die genaue Struktur von Porsche im Fahrradbereich nun aus?

Um Porsche-Fahrräder und Porsche-Antriebssysteme anzubieten, haben wir zwei Unternehmen mit Ponooc, der Investmentgesellschaft der Pon Holding, gegründet, die jeweils Joint Ventures sind.

»Wir haben im Mai in der Produktion das Volumen des letzten Jahres bereits überschritten.«

Dr. Jan Becker

Das eine beschäftigt sich mit Fahrrädern und das andere, die Porsche E-Bike Performance, mit dem Antriebssystem. Hier sind mit dem Kauf von Fazua und Greyp zwei bestehende Unternehmen integriert worden. In Zukunft wird es Porsche-E-Bikes mit einem Porsche-Antriebssystem geben.

Lassen Sie uns über die Marktentwicklung der letzten Jahre reden. Als Fazua auf den Markt kam, hatte das Unternehmen einen guten Start und hat die Wahrnehmung von leichten E-Bikes mitbegründet. Wie ist die Kurve seit den ersten Tagen weitergezeichnet worden?

Die Kurve ist seit der Einführung des Ride 60 stark ansteigend. Fazua hat als Start-up davor mit sehr kleinen Stückzahlen angefangen. Mittlerweile bedienen wir einen weitaus größeren Markt. Wir haben im Mai in der Produktion das Volumen des letzten Jahres bereits überschritten. Es geht steil bergauf. Wir müssen aber schauen, dass wir die Strukturen und Prozesse nachziehen. Das Wachstum zu managen ist die klassische Herausforderung eines jungen Unternehmens.

Fazua-Antriebe waren zunächst nur ein Trend, der von vielen beobachtet wurde. Nun gibt es das Segment der leichten Antriebe, das auch von anderen Antriebsherstellern bedient wird. Welche Entwicklung erwarten Sie für die Zukunft?

Wir werden auch mit der Marke Porsche auf das Segment der leichten, kompakten Antriebe setzen, die vermutlich performanter sein werden als das, was wir unter der Marke Fazua anbieten. Wir werden beide Marken weiterführen, es wird also einen Dual-Brand-Approach geben. Fazua steht für »kompakt-und-leicht«, während der Porsche-Antrieb noch leistungsstärker und daher auch preislich etwas höher angesetzt sein wird.
Wir erwarten, dass die mehr oder weniger unsichtbare Integration des Antriebs in der Bedeutung weiter zunimmt. Wir haben gerade wieder eine Marktforschung in Auftrag gegeben und die Ergebnisse zeigen, dass den Menschen die optische Integration und das Gewicht sehr wichtig sind. Von daher setzen wir sehr stark auf die Themen Leichtbau und Performance-Weight-Ratio und glauben, dass das auch sehr gut zu Porsche passt.

Wie lautet Ihre Prognose, wie die Marktverteilung zwischen leichten E-Antrieben und den, nennen wir sie Mainstream-Antrieben, in fünf Jahren aussehen wird?

Die Mainstream-Antriebe sprechen schon eine breitere Masse an Kundschaft an. Es ist eine andere Antriebsform, die man in hochvolumigen Fahrradsegmenten einsetzen kann, die nicht den Bedarf nach absoluter Leichtigkeit haben. Von daher wird das die dominante Variante bleiben. Ich denke aber, dass sich das Segment der Leicht-E-Bikes mit Sicherheit noch mal verdoppeln wird.

Was passiert eigentlich auf der Seite von Greyp?

Wir nutzen sehr stark dieSoftware-Kompetenz von Greyp, während Fazua eher auf der Hardware-Seite Input liefert. Wie wir mit der Marke Greyp fortfahren und welche Rolle die Greyp-Fahrräder künftig in dem Konstrukt spielen werden, diskutieren wir gerade. Da gibt es unterschiedliche strategische Überlegungen, die aber noch nicht abgeschlossen sind.

Fazua war mit der erste Anbieter, der einen besonders leichten und dabei leistungsstarken Mittelmotor anbot. Auf diesem Erfolg soll weiter aufgebaut werden.

Aus der Automobilwelt kennt man die Erfahrung, dass die Menschen A sagen, aber B kaufen. Kleine Autos werden gelobt, gekauft wird das größtmögliche, was der eigene Geldbeutel erlaubt. Halten Sie eine ähnliche Entwicklung auch im Fahrradbereich für möglich?

Was die Leistung angeht, glaube ich das nicht unbedingt – bei der Reichweite aber schon. Auch in Zukunft kaufen die Leute mehr Reichweite, als sie brauchen, einfach wegen ihres Sicherheitsgefühls. Bei der Leistung haben wir einen Bereich erreicht, in dem der Kunde bei 80 bis 90 Newtonmeter sagt, dass er nicht mehr braucht.

Wir reden schon seit einer Weile über einen Porsche-Motor, den es noch gar nicht gibt. Wann wird er vorgestellt?

Es gibt einen Zeitplan. Da wir dem Markennamen gerecht werden wollen, brauchen wir eine gewisse Vorlaufzeit. Wir gehen davon aus, dass wir den Porsche-Motor voraussichtlich 2026 zeigen werden.

Wer wird den Porsche-Antrieb nutzen können, wenn er dann verfügbar ist?

Es ist ein offener Ansatz. Wir werden den Antrieb nicht nur in Porsche-E-Bikes verbauen, sondern haben vor, den größten Anteil der Porsche Drive Systems zukünftig an Dritte, also andere OEMs abzugeben.

Wo wird der Antrieb entwickelt?

Er wird bei uns in der Porsche E-Bike Performance entwickelt, wir nutzen aber auch das Know-how der Porsche-Muttergesellschaft. Wir haben mit dem Taycan ein vollelektrisches Serienfahrzeug, sind im elektrischen Motorsport stark engagiert und nutzen die Erfahrungen in diesen Bereichen für uns. Wir haben außerdem Kooperationen mit Ingenieuren in den Bereichen Akustik und Elektrotechnik – diese Vorteile unserer Muttergesellschaft und die Porsche-Kompetenz fließen direkt in die Entwicklung ein. Neben dem Zugriff auf Automobil-Know-how kooperieren wir auch in den Bereichen Einkauf und Qualität, wo ich feststelle, dass es hier andere Standards gibt. Diesen Input aus dem Automobilbereich können wir sinnvoll einsetzen.

Was fällt Ihnen dabei sofort ein, wenn Sie an Qualitätssteigerungen am Fahrrad denken?

Zum Beispiel die Prozessoptimierung in der Produktion. Wenn Sie die Fahrzeugproduktion mit der Fahrradproduktion vergleichen, dann gibt es Unterschiede. Da geht es um die Absicherung der Arbeitsschritte, etwa ob der Kleber aufgebracht wurde oder nicht. Auch in der Prozessplanung oder in der Prozesssteuerung ist die Automobilindustrie aus meiner Sicht schon etwas weiter und detaillierter.

Sie haben in ihrem ersten Jahr auch die Service-Abläufe in der Fahrradindus­trie gesehen. Wie wichtig ist dieses Thema für Porsche und gibt es die Aussicht auf wartungsärmere E-Fahrräder?

Das Thema Service ist sehr wichtig. Wenn wir den Markteintritt von Porsche vorbereiten, dann spielt dieses Thema neben dem eigentlichen Produkt eine große Rolle. Wir werden mit der Marke Porsche Menschen in den E-Bike-Markt holen, die dort bisher nicht unterwegs waren. Diese Menschen haben einen gewissen Anspruch an die Marke Porsche, was den Service angeht. Unser Service-Konzept ist noch nicht spruchreif, da wir noch daran arbeiten, wie wir den Service aufsetzen werden. Ein großes Thema wird die Qualität sein. Als jemand, der noch nicht so lange in der Branche ist, stelle ich fest, dass ab und an außerplanmäßige Service-Aufenthalte stattfinden, egal von welcher Marke. Das ist im Vergleich zum Automobil ein Unterschied. Eine strategische Schlagrichtung ist für uns, dass wir außerplanmäßige Serviceaufenthalte reduzieren, indem wir sicherstellen, dass zwischen den Intervallen keine Fehler auftreten oder diese deutlich reduziert werden.

Gibt es eine übergeordnete Konzernstrategie zum Thema Fahrrad? Immerhin gehören heute im Umfeld von Volkswagen und Pon eine Menge Fahrradhersteller zum gleichen Konzern.

Wir haben definiert, dass das Thema E-Bike bei Porsche ein eigenes Geschäftsfeld wird. Das wurde vom Vorstand auch verabschiedet. Das bedeutet, dass das Thema ernst genommen wird und ein Businessplan dahinterliegt. Kerngeschäft bleibt das Automobilgeschäft, aber das E-Bike ist kein Anhängsel.
Ich kann letztlich nur für die Porsche E-Bike Performance und die Muttergesellschaft Porsche reden. Wir haben eine klare Strategie. Was die Zusammenarbeit mit Pon angeht, die unter anderem die Importeursfunktion für Porsche in den Niederlanden innehaben, haben wir festgelegt, dass wir in einer gemeinsamen Unternehmung gemeinsame Vorteile generieren können. Pon bringt Fahrraderfahrung und Zugang zu Vertriebskanälen mit ein, wir technisches Know-how. Dies ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die im Fahrradmarkt Akzente setzen kann. //

28. August 2023 von Daniel Hrkac

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