Maßnahmen gegen Rechtsunsicherheit gefordert
EUGH stärkt Verbraucher im Gewährleistungsfall
{b}Albert Herresthal{/b}: „Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist für uns teilweise nachvollziehbar, weil es tatsächlich nicht gerechtfertigt wäre, dass ein Kunde, dem nach 18 Monaten der Rahmen bricht, finanziell für die bisherige Nutzungsdauer zur Kasse gebeten würde. Der will ja vielleicht gar kein neues Rad, sondern nur, dass sein 18 Monate altes weiterhin funktioniert.
Klar ist aber auch: Wir brauchen jetzt schnell Rechtssicherheit durch den nationalen Gesetzgeber. Hier muss auch das mögliche Missbrauchspotenzial durch einzelne Kunden mit bedacht werden, beispielsweise sollte es verpflichtend gemacht werden, dass erkannte und zu beanstandende Mängel auch zeitnah reklamiert werden.
Die VSF-Betriebe haben Gewährleistungsfälle aber bereits in der Vergangenheit meist mit Augenmaß und "gesundem Menschenverstand" abgewickelt und eine Nutzungsgebühr wohl eher selten eingefordert bzw. nur in solchen Fällen, wo sich auch der Kunde nicht korrekt verhalten hat.
Da der § 478 BGB (Rückgriffsrecht des Händlers auf seinen Lieferanten) ja unberührt bleiben dürfte, gehe ich nicht davon aus, dass die Fachhändler nun zusätzliche Belastungen tragen müssen, denn bei Produktfehlern im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung muss weiterhin der Lieferant die Kosten übernehmen. Wir werden aber noch stärker darauf achten, dass dieses Recht auch eingehalten wird.
Folgen grundlegend überdenken
{b}Stefan Genth{/b}: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sieht der deutsche Einzelhandel kritisch. Allerdings müssen wir diese Entscheidung des EuGH akzeptieren. Nach dem Gerichtshof steht die geltende nationale Gesetzeslage hier im Widerspruch zur EU-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (1999/44/EG).
Dagegen hatte die Bundesregierung im Verfahren zu Recht und mit guten Argumenten darauf hingewiesen, dass die nationale Rechtslage – auf die sich das Handelsunternehmen gegenüber seinem Kunden berufen hatte – einen fairen Ausgleich zwischen den Rechten von Verbraucher und Händler darstellt.
Bislang erlaubte das deutsche Schuldrecht den Handelsunternehmen generell, von ihren Kunden eine Entschädigung für die Nutzung zu verlangen, wenn ein gekauftes Gerät später umgetauscht wird. Dies hat dem Missbrauch durch Einzelne im Rahmen der Gewährleistung entgegen gewirkt.
Das EuGH-Urteil ist allerdings kein Freibrief für willkürliche Ansprüche: Der EuGH stellt klar, dass Unternehmen weiterhin eine Ersatzlieferung verweigern können, wenn sich diese Abhilfe als unverhältnismäßig darstellt beziehungsweise verjährt ist. Ob es auch – wie zum Beispiel bei deutlich verspäteter Mängelanzeige – andere Konstellationen gibt, in denen ein solcher Anspruch verwirkt wird, lässt das Urteil offen. Der BGH hatte etwa jüngst klargestellt, dass bei einem unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangen sogar ein Schadensersatzanspruch des Verkäufers bestehen kann.
Nun ist der deutsche Gesetzgeber aufgerufen, das nationale Schuldrecht anzupassen.
Die Einzelhandelsunternehmen und Konsumenten brauchen in dieser Frage schnell Rechtssicherheit. Zudem sollte die anstehende Revision des europäischen Verbraucherrechts zum Anlass genommen werden, die Folgen dieses Urteils noch einmal grundlegend zu überdenken.
Berichte in der Tagespresse
Artikel in der Tagespresse zum Urteil des EuGH lesen Sie hier:
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http://www.faz.net/
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und hier
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http://www.sueddeutsche.de/
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Das Urteil des EuGH wird hier zum Download angeboten:
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http://curia.europa.eu/
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