Kommentar
Eurobike-Nachlese
Einige Entscheider in Unternehmen der Fahrradbranche sind in diesem Jahr mit einem mulmigen Gefühl nach Friedrichshafen gereist. Würden die nicht gerade geringen Investitionen in eine Teilnahme als Aussteller einen entsprechenden Gegenwert an Kontakten zu bestehenden und potenziellen neuen Kunden generieren? Oder würde die Eurobike vor dem Hintergrund einer spürbaren Messemüdigkeit im Fachhandel für die Aussteller zum Fiasko in der Kosten-Nutzen-Rechnung werden? Das wusste kaum ein Eurobike-Aussteller im Vorfeld der Messe einzuschätzen.
Nun, nachdem die Eurobike für dieses Jahr in den Büchern steht, lässt sich zumindest sagen: Ein Fiasko war es sicherlich nicht. Im Gegenteil. Nicht nur in der eigenen Darstellung der Messemacher, sondern auch mit Blick in die Messehallen war der Besucherzuwachs an den B2B-Tagen wahrnehmbar. Zugegeben: Es gab sicherlich auch schon andere Zeiten, an denen auf dem Messeparkett der Eurobike deutlich mehr los war. Aber das waren eben andere Zeiten. Setzt man die Eurobike in den Kontext gegenwärtiger Trends in der Gesellschaft im Allgemeinen und der Fahrradbranche im Besonderen, ist es wohl keine Schönfärberei, das Fazit zu ziehen: Die Eurobike 2019 war gut.
Es hat sich aber auch wieder bewahrheitet, dass der Transformationsprozess, in dem die Branche sich befindet, auch weiter die Leitmesse der Branche nachhaltig verändert. In einigen Gesprächen mit Ausstellern war zu hören, dass das Networking mit relevanten Marktteilnehmern ganz unterschiedlicher Prägung immer mehr Raum und Bedeutung einnimmt. Das Thema Vororder hat hingegen zumindest von meinen Gesprächspartnern kaum einer erwähnt.
Auffallend war übrigens auch, dass viele Aussteller nicht nur von einer weiter gewachsenen Internationalität der Eurobike-Besucher berichten, sondern explizit auch von einer deutlichen Zunahme nordamerikanischer Fachbesucher. Nach dem vorläufigen Aus der nordamerikanischen Fachmesse Interbike gehen hier also wohl verstärkt die Blicke nach Europa.
Und noch eines ist mir nach vier Tagen bewusst geworden: Das eine Messekonzept, das für alle Marktteilnehmer irgendwie passt, gibt es nicht mehr. Für manche Parteien in der Fahrradbranche ist die gemischte B2B- und B2C-Eurobike Anfang September ideal, für andere Anbieter wiederum ist die Messe damit zumindest als Aussteller unattraktiv. Am deutlichsten wird das bei den textilen Anbietern, die fast ausnahmslos nicht mehr in Friedrichshafen dabei waren. Und auch für die sportiv geprägten Bike-Marken ist die Messe im Spätsommer mehr oder minder gelesen.
Das müssen vielleicht auch die Macher der Eurobike akzeptieren: Wenn Unternehmen Anfang September nicht auf der Eurobike ausstellen, weil zu diesem Zeitpunkt schon alle wichtigen Entscheidungen mit Blick auf die kommende Saison gefällt worden sind, dann sind diese Unternehmen keine Schmarotzer am Gemeinwesen der Branche, wenn sie die Eurobike dennoch als Fachbesucher nutzen. Eine Messeteilnahme kostet Aussteller schnell einen sechsstelligen Betrag. Und den gibt kein Unternehmen ohne sehr guten Grund aus.
Für andere wiederum funktioniert das neue, alte Messekonzept sehr gut. Für Hersteller von Fahrradkomponenten ist die Eurobike Anfang September beispielsweise zeitlich ideal als erster Auftakt in die OEM-Gespräche für das übernächste Modelljahr gelegen. Eine der vehementesten Stimmen für die Rückkehr zum langjährigen Eurobike-Konzept war somit auch Shimano-Partner Bernhard Lange.
Kommt mit dem erkennbaren Aufwärtskurs der Eurobike nun etwas Ruhe in die Diskussion um das richtige Messekonzept? Zu wünschen wäre es der Eurobike sicherlich, zumal kaum ein Marktteilnehmer den Wert einer zentralen Leitmesse ernsthaft in Frage stellt. Aber der neue, alte Weg der Eurobike funktioniert nur für einen Teil der potenziellen Aussteller. In diese offene Flanke wird ab kommendem Jahr wohl die Messe München mit ihrem Ispo-Konzept vorzustoßen versuchen. Vielleicht braucht es tatsächlich zwei Messen, um den Wildwuchs an Hausmessen und ähnlichen Events in unserer Branche einzudämmen.
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