Ein Unternehmer, der Maßstäbe setzte:
Fahrradbranche trauert um Ralf Bohle
Ralf Bohle hat als Unternehmer und als Mensch außergewöhnliches geleistet. Nicht nur, indem er Schwalbe zu einem der führenden Reifenanbieter in unserer Branche machte, sondern auch mit der Art, wie er das machte. "Menschliche Wärme ging bei ihm eine seltene Kombination mit unternehmerischem Wagemut und Entschlossenheit ein", heißt es in einem soeben veröffentlichten Nachruf der Firma Bohle. Sein Sohn, der heutige geschäftsführende Gesellschafter Frank Bohle, fasst das Werk seines Vater zusammen: „Alles, was heute die Bohle-Gruppe mit der Marke Schwalbe ausmacht, verdankt sie seiner Leistung, seinen Ideen und seinem Weitblick.“
Nachfolgend veröffentlichen wir den Nachruf im Original-Wortlaut:
Ralf Bohle hatte sein Studium gerade begonnen, als der frühe Tod seines Vaters den gerade einmal Zwanzigjährigen zwang, viel früher als geplant Unternehmer zu werden. 1955 war das, das deutsche Wirtschaftswunder zeigte sich mit ersten Erfolgen, und das günstige Fahrrad brauchten die meisten Deutschen noch auf dem Weg zur Arbeit. Da hatte die Familie Bohle schon seit 1906 Erfahrung in der Produktion von Fahrrädern und Fahrradteilen. Unter der Führung von Ralf Bohle exportierte das Unternehmen dann deutsche Fahrradteile und motorisierte Zweiräder in alle Welt.
Doch das wurde in den sechziger Jahren immer schwieriger. Die gestiegenen Löhne verteuerten die deutschen Fahrräder. Viele einstmals stolze Hersteller waren nicht mehr konkurrenzfähig. Anfang der siebziger Jahre hatten viele große deutsche Fahrradmarken aufgegeben, als Ralf Bohle einen Neustart wagte. Er kannte sich in Asien aus und war auf eine interessante Familie gestoßen, die in Südkorea Fahrradreifen herstellte. Ralf Bohle gründete die Marke Schwalbe, die heute unbestritten der Marktführer bei Fahrradreifen in Europa ist.
Seit 1973 trieb er die immer engere Partnerschaft zweier Familienunternehmen voran - trotz riesiger räumlicher Entfernung: die Deutschen zuständig für Entwicklung, Marketing und Vertrieb, die Koreaner für die Produktion.
Er hat am Fachhandel als alleinigem Partner der Marke Schwalbe festgehalten, als der schnelle Umsatz mit branchenfremden Verbraucher- und Baumärkten lockte. Ralf Bohle beharrte auf Schwalbe als Exklusiv-Marke im Fachhandel. Heute gehört der Fahrradmarkt zu den wenigen Branchen in Deutschland, wo das Fachgeschäft in den letzten Jahren wieder Marktanteile gewinnt.
Fairness und Verlässlichkeit prägten seinen unternehmerischen Stil, die jahrzehntelange Treue zu Geschäftspartnern und Mitarbeitern wurden zur Grundlage des Erfolges.
Er hat den Generationswechsel weitsichtig vorbereitet und umgesetzt. 1999 holte Ralf Bohle seinen Sohn Frank Bohle und den Schwiegersohn Holger Jahn in die Geschäftsführung. Heute ist sie seit 2002 auf drei Schultern verteilt: Frank Bohle ist Sprecher der Geschäftsführung und zuständig für Marketing und Vertrieb, Schwiegersohn Holger Jahn für Entwicklung und Technik. Der dritte Geschäftsführer Andreas Grothe verantwortet die Finanzen.
Ralf Bohle war Unternehmer und Visionär. Er war ein Familienunternehmer im doppelten Sinne, weil er seine Mitarbeiter wie eine erweiterte Familie sah und behandelte. Er sprach schon vom Fahrrad als Verkehrsmittel mit Zukunft, als man dafür höchstens belächelt wurde; er hatte eine unternehmerische Partnerschaft als kleiner Mittelständler mit Südkorea begonnen, als deutsche Großkonzerne gerade mal über Japan zu sprechen anfingen. Vor fast zwanzig Jahren investierte er im Vertrauen auf die wachsende Popularität des Fahrrades mutig in die internationale Firmenzentrale mit dem großen Logistikzentrum in Reichshof-Wehnrath.
Er war schon als junger Mann Asien-Freund und Asien-Kenner. Besonders für die asiatische Kultur begeisterte er sich früh. Bei aller Weltläufigkeit blieb er aber stets seiner oberbergischen Heimat verbunden. In seiner Heimatstadt Bergneustadt gehörte er zu den Mitgründern des Tischtennisvereins, den er jahrzehntelang führte und unterstützte: Heute bekannt als TTC Schwalbe Bergneustadt, erfolgreich in der zweiten Bundesliga etabliert. Viele Jahre arbeitete er ehrenamtlich in der evangelischen Kirchengemeinde seiner Heimatstadt und setzte daneben am liebsten unauffällig viele Akzente auf karitativem Gebiet.
Menschliche Wärme ging bei ihm eine seltene Kombination mit unternehmerischem Wagemut und Entschlossenheit ein.
Nach einem Leben voller Arbeit hätte die Familie gerne noch viel Zeit mit ihm verbracht. Vor kurzem konnte er immerhin noch von langer schwerer Krankheit gezeichnet seinen 75. Geburtstag im engsten Familienkreis feiern.
Im Namen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spricht der Personalchef Jürgen Krischke einen letzten Gruß an den Verstorbenen: „Sie haben ihren Mitarbeitern nicht nur den Weg bereitet, sondern uns auch durch ihre liebevolle, bodenständige und weise Art ein großes Vorbild geschaffen. Auf ihr offenes Ohr und ihre Hilfsbereitschaft konnten wir immer vertrauen. Sie sind und blieben unser Chef – ein Chef der ganz besonderen Art.“
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