Vordenker, Erfinder und Autor
Fahrradindustrie trauert um Jobst Brandt
In Europa war Jobst Brandt hauptsächlich durch sein Buch "Das Fahrrad-Rad" (Englischer Originaltitel: The Bicycle Wheel) bekannt. Dieser leicht zugängliche Ratgeber gilt auch heute noch, mehr als 30 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe, als Referenz für jeden Mechaniker, der sich mit Sinn und Unsinn von verschiedenen Laufrad-Einspeichungen auseinandersetzen will.
Daneben war Brandt auch als Erfinder tätig: Der studierte Ingenieur entwickelte neben seiner Arbeit für Porsche und Hewlett Packard in den 70er- und 80er Jahren zahlreiche Produktverbesserungen für Pumpen oder Radschuhe, die heute noch oder wieder genutzt werden. Ein Beispiel dafür ist ein Ablassknopf, um den Druck im Pumpenschlauch zu verringern. Großen Einfluss hatte Brandt auf die Produkte der legendären Komponenten- und Zubehörmarke Avocet. Er gab entscheidende Impulse für die wegweisenden Tacho- und Höhenmeter der Marke, wo er für verschiedene Funktionen auch Patente hielt. Der von ihm für Avocet entwickelte, nutzerfreundliche Speichen-Tensiometer wurde auch von FSA in Lizenz gebaut und ist heute noch beim US-Hersteller Wheel Fanatyk in Produktion.
Brandt war das Kind von Deutschen, die nach der Machtübernahme der Nazis in die USA auswanderten. Der schlaksige Riese fühlte sich Europa immer verbunden und unternahm bis ins hohe Alter Rennradtouren über die Alpenpässe. Seine Reiseberichte inspirierten zahlreiche andere Rennradfahrer, es ihm gleich zu tun. Nach einem schweren Sturz im Alter von 76 Jahre stieg Jobst Brandt nicht mehr in den Sattel, pflegte aber weiter den Austausch übers Internet mit technik-affinen Radfahrern und anderen Werkstatt-Gurus wie Sheldon Brown. Anders als andere technikverliebte Tüftler war er sich nicht zu schade, sein Wissen kostenlos mit anderen zu teilen. Verschiedene Essays von ihm zu technischen Feinheiten von Velokomponenten und deren Reparatur finden sich heute noch im digitalen Nachschlagewerk von Sheldon Brown.
für unsere Abonnenten sichtbar.