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Quelle: NBDA/GTG
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Amerika im Wandel

Fahrradumsätze steigen: US-Bikeshops wittern Morgenluft

Es hat wohl erst einiger Krisen bedurft, damit die amerikanische Gesellschaft das Fahrrad nicht nur als exklusives Sportgerät wahrnimmt. Daran, dass in den USA gegenwärtig ein Wandel des Mobilitätsverhaltens stattfindet, der auch das Fahrrad mehr in den Mittelpunkt rückt, herrschen gegenwärtig kaum noch Zweifel. Zwar sind amerikanische Metropolen von einem Radverkehr nach mitteleuropäischem Vorbild noch meilenweit entfernt, doch das zarte Pflänzchen Fahrradmobilität ist in einigen Regionen schon spürbar am Wachsen. Der amerikanische Branchen-Analyst Jay Townley gab auf der Fachmesse Interbike jüngst Auskunft darüber, ob dieser Wandel bereits in den Bikeshops angekommen ist und lieferte dabei interessante Einblicke in den US-Markt.

Dass der Begriff „Change“, also zu Deutsch Wandel, wohl die nächste Präsidentschaftswahl in den USA entscheiden wird, kommt nicht von ungefähr. Die amerikanische Gesellschaft taumelte in den letzten Monaten von einer wirtschaftlichen Krise zur nächsten: Erst explodierten die Ölpreise, dann implodierten nacheinander der Immobilien- und der Finanzmarkt. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Zukunft ist nach acht Jahren Bush-Regierung tief erschüttert. Und egal, wer in wenigen Tagen zum nächsten US-Präsident gewählt wird, beide Kandidaten sind sich darin einig: So wie bisher geht es nicht weiter. Amerika muss in einigen Bereichen einen fundamentalen Wandel durchlaufen.

Des einen Krise ist des anderen Chance: Auf der Fachmesse Interbike, die vor wenigen Wochen in Las Vegas stattfand, konnte man Händlern und Herstellern beim kollektiven Händereiben zusehen. Die Geschichte vom Fahrradhändler, der angesichts explodierender Benzinpreise sein Lager leer verkauft, gab es in den letzten Monaten mit wechselnden Namen in fast jeder amerikanischen Zeitung zu lesen.

Statistik contra Wahrnehmung

Jay Townley, dessen scharfsichtiger und oft auch scharfzüngiger Vortrag zu Trends und Chancen im US-Fahrradmarkt schon traditioneller Bestandteil der Interbike ist, dämpfte jedoch etwas die Branchen-Euphorie. Denn zumindest nach den Marktzahlen hat der gefühlte Boom noch nicht stattgefunden. Insgesamt wurden in den ersten sieben Monaten des Jahres 10,3 Millionen Fahrräder in die USA importiert (Quelle: U.S. Department of Commerce), das ist gegenüber derselben Vorjahresperiode ein Rückgang um 2,5 %. Und nachdem in den USA nahezu keine Fahrradproduktion mehr stattfindet, kann der Import weitgehend mit der Inlandsanlieferung gleich gesetzt werden.

Dass der US-Handel mit dem Verlauf der Saison dennoch mehr als zufrieden ist, liegt vor allem auch an den stark gestiegenen Durchschnittspreisen: Der gesamte FOB-Wert der importierten Fahrräder, also der Wert zu dem die Ware in den USA verzollt wird, stieg um 13 % auf 698,4 Mio. USD. Betrachtet man nur Fahrräder mit mindestens 20 Zoll Radgröße (also ohne Spielräder) betrug der wertmäßige Zuwachs sogar knapp 15 %. Der durchschnittliche FOB-Preis für ein Fahrrad liegt in den USA in diesem Jahr bisher bei rund 82 USD.

Ähnlich wie im deutschen Markt ist die stärkere Fahrradnutzung der Bevölkerung also auch in den USA zwar (noch) nicht in steigenden Absatzzahlen zu spüren, aber darin, dass die Verbraucher bereit sind, mehr für ein Fahrrad auszugeben. Dazu kommt auch in den USA eine spürbar höhere Nachfrage nach Werkstattleistungen, Accessoires und Zubehör, wie Townley in seinem Vortrag berichtete.

Weniger Händler machen mehr Umsatz

Die gute Stimmung im amerikanischen Fahrradhandel lässt sich auch in Umfragen nachlesen: Laut einer aktuellen Studie konnten 60 % der Bike-Shops in den USA ihren Umsatz in diesem Jahr bisher steigern. Studien zum Fahrradmarkt im letzten Jahr berichten zudem, dass der durchschnittliche Jahresumsatz je Laden von 2005 bis 2007 um 18 % auf 649.500 USD gestiegen ist. Der Gewinn vor Steuern stieg im Schnitt gleichzeitig von 1,9 % vom Umsatz auf 3,8 %.

Zu dieser Entwicklung beigetragen hat auch, dass die Zahl der Fahrradhändler in den USA seit einiger Zeit schon um jährlich zwei bis fünf Prozent zurückgeht. Auch 2007 haben wieder rund 150 Bikeshops zugemacht, so dass am Jahresende noch 4450 Läden existierten.

Vielleicht kehrt die wachsende Popularität des Fahrrads diesen Trend demnächst wieder um. Neue Handelsunternehmen entstehen in der US-Fahrradbranche gegenwärtig jedoch vor allem auch im Internet. Der Wettbewerbsdruck durch Online-Händler wird von stationären Bike-Shops in den USA bereits am häufigsten, nämlich von 47 %, als wirtschaftliches Problem genannt. Gefolgt von steigenden Versicherungskosten (44 %), Arbeitskräftemangel (42 %) und den Wettbewerb durch klassische Versandhändler (38 %) und Mass Merchants (27 %), wie etwa Wal Mart. Außerdem bemerkenswert: Eine schlechte Fahrradinfrastruktur vor Ort wird von 31 % der Händler als Problem genannt. Noch vor ein paar Jahren hat kaum ein amerikanischer Fahrradhändler daran einen Gedanken verschwendet, ob vor seiner Ladentür ein Fahrradweg vorbeiführt oder nicht.

Die Frage, wo ein Händler sitzt, hat jedenfalls in den letzten Monaten deutlich zu dessen Erfolg oder Misserfolg beigetragen. Von der einstigen Homogenität im US-Markt ist nur noch wenig zu spüren, erklärte Townley: „Der US-Fahrradmarkt ist regional geworden“. Städte, in denen fahrradfreundliche Strukturen installiert wurden, hätten auch deutliche Zuwächse in der Fahrradnutzung erlebt. Beispiele sind Washington D.C, Minneapolis, Portland und Madison.

Mit ihrer effektiven Lobby-Arbeit ist die amerikanische Fahrradbranche gut gerüstet, um die positiven Trends rund ums Radfahren zu verstärken. Für Jay Townley ist es nun an der Zeit, dass der Fahrradhandel mehr Lobby-Arbeit in eigener Sache betreibt: „Wir müssen damit beginnen, den Fachhandel als die bevorzugte Quelle für das beste, sicherste und am meisten Vergnügen bereitende Fahrraderlebnis zu vermarkten.“

22. Oktober 2008 von Markus Fritsch

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