US-Fachhandel hält Umsatz mit Reparaturen, Ersatzteilen und Rennrädern
Rezession verändert den amerikanischen Fahrradmarkt
um 14 % auf 7,317 Millionen Fahrräder zurückgegangen ist. Grundlage der Statistik sind die Einfuhrzahlen der US-Zollbehörden, die aufgrund der praktisch nicht mehr vorhandenen inländischen Fahrradproduktion mit der Inlandsanlieferung gleichgesetzt werden können. Zum Vergleich: 2007, auf dem Höhepunkt des Bike-Booms in Amerika, lag die Halbjahresbilanz bei knapp über 10 Millionen Fahrrädern. Das aktuelle Jahr 2009 rangiert dagegen derzeit knapp über dem Niveau von 2001, dem letzten Rezessionsjahr in den USA.
Lässt man allerdings die Stückzahlen außer Acht und betrachtet lediglich den Wert der eingeführten Fahrräder, sieht das erste Halbjahr 2009 im US-Fahrradmarkt schon deutlich freundlicher aus: Hier steht nämlich nur ein Minus von lediglich 2,1 % auf insgesamt 566 Mio. USD Einfuhrwert zu FOB-Preisen in den Zollstatistiken. Oder anders gerechnet: Der durchschnittliche FOB-Preis eines Fahrrads in den USA ist von 67,93 USD auf 77,35 USD gestiegen.
Branchen-Analyst Jay Townley, der diese Zahlen im Rahmen eines Vortrags auf der Interbike präsentierte, machte dafür zwei Ursachen verantwortlich: Zum einen liege das wertmäßig stabile Marktniveau an einer Veränderung der Produktgruppen-Anteile im amerikanischen Fachmarkt. In allen Fahrradkategorien hätte der US-Zoll deutliche Rückgänge der Stückzahlen registriert. Mit einer Ausnahme: Fahrräder in der Radgröße 700C, also Rennräder und Hybrid-Räder, die vom Zoll als eine gemeinsame Kategorie gezählt werden, konnten in diesem Jahr bisher um knapp 18 % auf insgesamt 669.000 Einheiten zulegen. Noch deutlicher fällt die Veränderung beim Wert aus: Hier steht ein Plus von 27,5 % auf 187 Mio. USD zu Buche.
Eine zweite Ursache für den wertmäßig relativ stabilen US-Fahrradmarkt sieht Townley im wachsenden Marktanteil des Fachhandels, im US-Jargon Independent Bicycle Dealers oder kurz IBDs genannt. Statistischer Beleg dafür: Der amerikanische Fachverband BPSA, in dem ausschließlich Lieferanten der IBDs organisiert sind, meldet mit 1,312 Millionen verkauften Fahrrädern im ersten Halbjahr ein mengenmäßiges Minus von lediglich 8,3 % - weniger also als die Gesamtentwicklung. Die logische Schlussfolgerung: Das Minus im anderen großen Absatzkanal im US-Bikemarkt, nämlich bei Mass Merchants a la Wal Mart & Co., muss überdurchschnittlich groß sein.
Noch kein Triumphzug des Fachhandels
Den Rückgang des Marktanteils der Mass Merchants wollte Townley noch nicht als Triumphzug des amerikanischen Fachhandels deuten. Vielmehr hätten die Mass Merchants schlicht ihre Lagerbestände in allen Segmenten deutlich zurückgefahren, nicht nur im Fahrradmarkt. Darüber hinaus würden sich diese Handelskonzerne gegenwärtig eher auf schnell drehende, einfach zu handelnde Güter konzentrieren. Fahrräder zählen da offenbar nicht dazu. Beide Entwicklungen könnten sich aber auch wieder umkehren, so Townley. Für Siegesfeiern im Fachhandel sei also noch zu früh.
Dazu kommt noch ein Faktor, der auch dem US-Fachhandel Sorge bereitet: Während nämlich die Mass Merchants ihre Lager verschlankt haben, sitzen die Fachhandelslieferanten noch auf großen Beständen. Per Ende Juni stünden 744.000 Fahrräder bei den Anbietern unverkauft auf Halde, 62 % mehr als im Vorjahr zu dieser Zeit. In der 700C-Kategorie seien die Lagerbestände sogar um 170 % höher.
Und: Auch der Fahrradfachhandel verkauft weniger Fahrräder als im Vorjahr, wenn auch auf nicht so dramatischem Niveau wie im Gesamtmarkt. Bislang sei es den Marktteilnehmern gelungen, diese Rückgänge vor allem mit Reparaturen und Ersatzteil-Verkäufen auszugleichen. In einer Top-und-Flop-Umfrage des Handelsverbands NBDA nannten die Mitglieder außerhalb des Fahrrad-Sortiments vor allem Reparaturen, Reifen und Schläuche, Ersatzteile und Helme als Renner, während Fitness-Geräte, Federgabeln, GPS-Geräte und Rennrad-Komponentengruppen kaum noch nachgefragt würden. Bei den Fahrradkategorien seien trotz Rezession weiterhin Rennräder stark nachgefragt (wenn auch nicht mehr in den ganz abgehobenen Preiskategorien) sowie Commuter-Bikes und Hybrid-Räder. Eher zu den Pennern im Sortiment würden hingegen Mountainbikes (Hardtail und Fully), aber auch E-Bikes und Falträder zählen.
Diese Einschätzung des Handels ließ sich übrigens recht deutlich auch auf dem Messe-Parkett der Interbike ablesen: Mountainbikes waren zwar auf der Messe weiterhin zahlreich vertreten, sie wurden aber von der Dominanz der Rennräder und neuerdings auch der schicken Fahrräder für die Stadt doch recht deutlich in den Hintergrund gedrängt. Während der Rennradmarkt in den USA jedoch schon deutliche Sättigungssymptome zeigt, entsteht mit den Commuter Bikes gerade ein völlig neuer Markt, der stilistisch irgendwo zwischen Fixie-Subkultur und mitteleuropäischem Alltagsfahrrad einzuordnen ist.
Skeptiker im US-Markt haben zwar noch einige Zweifel, ob es Chancen gibt, die amerikanische Stadtbevölkerung zu Radfahrern zu machen. Aber ein Anfang ist gemacht. Nicht umsonst widmete die Interbike diesem Thema eine sehr gelungenen Urban Fashion Show. Radfahren gilt in einigen US-Metropolen als schick. Und wenn etwas in den USA zur Mode wird, besitzt diese oft eine Dynamik, die vor den amerikanischen Grenzen nicht halt macht.
Mehr über die aktuellen Veränderungen auf dem amerikanischen Fahrradmarkt und darüber, wie sich der Fachhandel darauf einstellt, lesen Sie in Kürze bei velobiz.de in einem Interview mit Jay Townley.
Verknüpfte Firmen abonnieren
für unsere Abonnenten sichtbar.