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Fahrräder for Future
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Portrait - Van Moof

Fahrräder for Future

VanMoof macht mehr als Fahrräder. Hinter der Marke steht ein innovatives Konzept, dass sämtliche Argumente gegen das Fahrrad als City-Fortbewegungsmittel entkräften soll.

Es war vor genau zehn Jahren, 2009, als die Brüder Taco und Ties Carlier aufhörten zu träumen und anfingen zu machen. Sie wollten Fahrräder bauen, die alle Argumente ausschalten, die jemand haben kann, um sich in der Stadt nicht mit dem Bike fortzubewegen. Herausgekommen ist VanMoof, einer der derzeit wohl unkonventionellsten Fahrradhersteller und auch einer der innovativsten. Das Ziel: das perfekte Citybike zu entwickeln. Arbeiteten an diesem Vorhaben zunächst zehn Mitarbeiter im Headquarter in Amsterdam, sind es mittlerweile rund 80 Fahrradenthusiasten, die, neben der niederländischen Hauptstadt, in Tokio, Taipeh, New York, San Francisco, Paris, London und Berlin im Einsatz sind. Und betritt man die Räumlichkeiten der Deutschland-Tochter, erkennt man sofort, wo es mit dem Unternehmen hingeht: nach vorn. Der schlauchartige Raum im Prenzlauer Berg platzt aus allen Nähten, Fahrräder stehen in dichten Reihen und warten auf ihren Versand, im hinteren Bereich ächzt ein Werkstattbereich mit nur eineinhalb Arbeitsplätzen unter der Last der Bestellungen. Acht Mitarbeiter hat VanMoof in Berlin, fünf davon festangestellt: »Wir müssten eigentlich noch mehr Leute einstellen, aber dazu brauchen wir erstmal eine neue, größere Fläche«, sagt Malte Thormeyer, der seit September letzten Jahres die Berliner Filiale leitet. Eine größere Lagerfläche, mehr Werkstattraum und eine Straße ohne Kopfsteinpflaster, auf der die Interessenten die Bikes Probefahren können, sind die Anforderungen. Und so, wie es aussieht, werden sie in diesem Jahr wohl noch erfüllt. »Wir sind wie eine Krabbe. Wenn die wächst, verlässt sie ja auch ihren zu klein gewordenen Panzer«, freut sich Thormeyer auf den Umzug.

Rundum-Sorglos-Räder

Die »Krabben«, die ihren Panzer demnächst wohl verlassen werden, gibt es als Smartbikes ohne und als Electrified-Version mit Motor. Beiden gemein ist, dass sie viele clevere Details besitzen. Mögen Reifen mit extra Pannenschutzschicht noch vergleichsweise unspektakulär anmuten, ist spätestens bei der Hinterradnabe ersichtlich, dass sich hier jemand viele Gedanken gemacht hat. Bei der neuen E-Bike-Generation sitzt dort das Schloss in Form eines Bolzens, der per App beziehungsweise Erkennung des Smartphones das hintere Laufrad ver- und entriegelt. Hat man das Smartphone nicht dabei, lässt sich über einen Knopf am Lenker und ein Display auf dem Oberrohr ein individuell festlegbarer Code eingeben. Der Clou: Versucht jemand, das verschlossene Rad zu bewegen, schrillt ein Alarmton los, der immer lauter wird. Zudem geht eine Infomail an die App des Besitzers. Schafft es dennoch ein Langfinger, mit dem VanMoof-Bike zu verschwinden, hat der Besitzer die Möglichkeit, dies ebenfalls per App beim Unternehmen zu melden – und dort gehen für eine Gebühr von 98 Euro die Bike Hunters auf die Jagd nach dem gestohlenen Velo. Innerhalb von zwei Wochen sollen diese Fahrrad-Detektive im Zuge der »Peace of Mind«-Garantie das Bike dank Location-Tracking wieder zu seinem Besitzer zurückbringen. Egal, wo auf der Welt es sich befindet. »Wir haben eine Aufklärungsquote von rund 70 Prozent«, ist Malte Thormeyer stolz, der in seiner Anfangszeit bei VanMoof in Amsterdam auch für eben jene Bike-Hunter-Truppe zuständig war. Taucht das Rad nicht wieder auf, gibt es kostenfreien Ersatz. Bike-Hunter kann übrigens jeder werden, der eine Basisausbildung durchläuft – schließlich, so die Ankündigung, will VanMoof bis 2020 dem Fahrradklau ein Ende setzen. Und damit einem der größten Sorgen eines jeden Großstadt-Fahrradbesitzers. Immerhin wurden allein 2018 deutschlandweit knapp 300.000 Bikes geklaut.

Neue Idee: Abomodell

Beim Diebstahlschutz hört der Service noch lange nicht auf. Seit Frühjahr 2018 gibt es zunächst nur für Smartbikes ein Fahrrad-Abo. »Sie waren der Testlauf«, so Thormeyer. Demnächst wird es das Angebot auch für die Electrified-Räder geben. Beim »VanMoof+«-Abonnement zahlt der Kunde eine einmalige »Schlüsselgebühr« von 98 Euro, danach jeden Monat 25 Euro. Dafür bekommt er ein Smart- oder bald auch ein E-Bike plus diverse Service-Leistungen wie kostenlose Reparatur und unlimitierte Wartung in einem der VanMoof-Läden plus Ersatzbike für die Dauer der Reparatur, Bike-Hunter-Dienst und er kann für sich und eine Begleitperson bei VanMoof-Geschäften auf der ganzen Welt kostenfrei zwei Velos ausliehen – zwei Wochen lang. Das Abo ist jederzeit kündbar. Die Idee hinter dem Abo-Modell ist einerseits, es dem Kunden so einfach wie möglich zu machen, sich mit dem Rad in der Stadt zu bewegen, ohne dass er sich um Diebstahl, platte Reifen oder beim E-Bike dank automatischer Schaltung nicht einmal mehr um den Gangwechsel Gedanken zu machen braucht. Andererseits möchte der niederländische Bike-Innovator beweisen, dass Qualitätsfahrräder nachhaltiger, weil langlebiger, sind als Billigprodukte. »Momentan ist das Verhältnis noch ungefähr 20 zu 80 Prozent Kaufanteil«, beschreibt Malte Thormeyer die aktuelle Lage. Er ist aber überzeugt, dass sich das Verhältnis verschieben wird, sobald es mehr Läden in weiteren (deutschen) Städten gibt. Immerhin rollen aber bereits jetzt geschätzte 100.000 VanMoof-Bikes über die Straßen der Bundesrepublik, die Einführung des Electrified-Bikes im Sommer 2018 hatte das größte Vorbestellungsvolumen in der Geschichte des Unternehmens zur Folge und Ende April diesen Jahres hatte VanMoof bereits den Gesamtumsatz des Jahres 2018 übertroffen – eine Steigerung von rund elf Millionen Euro auf 40 Millionen Euro. Und eine Erfolgsgeschichte, die mit von denen finanziert wurde, die die Bikes auch nutzen. Die erste Crowdfunding-Runde 2017 erreichte innerhalb von sieben Tagen ihr Budgetziel, in 2019 investierten die angesprochenen VanMoof-Fahrer innerhalb von nur zwölf Stunden 2,5 Millionen Euro, das Maximum (und ein Rekord) für Crowdfunding in den Niederlanden. Verwendet wird das Geld »zur Aufskalierung der Produktion, um die Rekordnachfrage beantworten und um die Eroberung des internationalen Marktes fortsetzen zu können.«

Simple Basis, schlaue Details

Doch es werden nicht nur mehr Bikes hergestellt, sondern auch die bestehenden Modelle kontinuierlich im Detail verbessert: So sitzt auf dem Oberrohr ein Helligkeitssensor, der das Licht automatisch ein- und ausschaltet, das E-Bike hat einen Akku bekommen, der sich dank Steckverbindung ganz leicht herausnehmen und wieder reinstecken und sich damit bei Schäden als einzelnes Ersatzteil verschicken lässt. Auf den ersten Blick überraschend ist dabei vielleicht die Tatsache, dass es nur zwei Rahmenformen und eine Rahmengröße gibt. Doch auch das hat einen Grund: »Sie passt für Menschen zwischen 1,50 und zwei Metern Körpergröße«, erklärt Malte Thormeyer und führt aus, dass dadurch und aufgrund der Tatsache, dass man nur noch Lenker- sowie Sattelhöhe einstellen müsse, um losfahren zu können, die Scheu vor dem Online-Kauf weiter sinke. Genau den möchte VanMoof weiter forcieren. Denn virtuell lässt es sich überall vor Ort sein und für das Fahrrad als Fortbewegungsmittel in der Stadt kämpfen. »Wen wir einmal aufs Bike gebracht haben, der bleibt für gewöhnlich auch dabei«, sagt Thormeyer, der selbst jeden Tag rund 15 Minuten mit einem VanMoof E-Bike ins Geschäft düst und sich zum überzeugten E-Biker entwickelt hat. Mit 800 bis 2.500 Euro sind die Bikes zwar nicht ganz günstig, aber auch kein Luxusgut, von dem man als Otto-Normal-Radler nur träumen kann. Es sollen sich ja möglichst viele Menschen auf ein VanMoof-Bike schwingen. Aber: »Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zu anderen Fahrradherstellern«, betont Malte Thormeyer. »Wir sehen uns als Konkurrenz zum Auto.« Und Letzteres sollen bald ganz viele in der Garage stehen lassen - dank des Traums zweier Amsterdamer Fahrrad-Fans.

2. Dezember 2019 von Carola Felchner

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