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Gedanken zu Messen  im Allgemeinen und der ­Eurobike im Besonderen
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Meinung - Messen

Gedanken zu Messen im Allgemeinen und der ­Eurobike im Besonderen

Markus Fritsch, Herausgeber von velobiz.de Magazin und seit 1991 auf jeder Eurobike unterwegs, hat in diesem Jahr viele Gespräche über das Thema Messen geführt. Was ihm zu Messen im Allgemeinen und der Eurobike im Besonderen als Quintessenz der zahlreichen Gespräche durch den Kopf geht, hat er nachfolgend aufgeschrieben.

{b}Termin schlägt Verkehrswende{/b}
Der Eurobike vorgelagert war erstmals ein Networking-Dinner beim Friedrichshafener Automotive-Konzern ZF (Jahresumsatz 38 Mrd. EUR), das auch den Untertitel »Autoindustrie erklärt, wie sie das Fahrrad sieht« hätte tragen können. Was sperrig klingt, war durchaus aufschlussreich. Etwa als einer der Geschäftsführer von ZF erklärte, dass die Autobranche den Fahrradmarkt um seinen Erfolg und seine Bedeutung für die urbane Mobilität beneide. Oder als ein Mobilitätsexperte vom Autohersteller Ford den Zuhörern eingestand, dass die Autoindustrie die Innenstädte als Absatzmärkte für Autos schon längst verloren gegeben habe und dieses Geschäft künftig den Fahrradherstellern gehöre. Beim anschließenden Dinner der (Fahrrad-)Marktteilnehmer drehten sich dann die meisten Gespräche wieder um die Frage, ob die Eurobike vier Wochen früher oder später stattfinden soll, und nicht etwa darum, wie wir als Fahrradbranche die Verkehrswende aktiv mitgestalten können.

{b}Alle waren da{/b}
An den drei Messetagen hat das Team von velobiz.de auf der Eurobike in diesem Jahr gefühlt jeden relevanten Marktteilnehmer getroffen – entweder als Aus­steller oder als Fachbesucher.

{b}#onlyateurobike{/b}
Wahrscheinlich nur während der Eurobike begegnet einem der Geschäftsführer eines großen Unternehmens der Fahrradbranche morgens vor dem Hotel in Badehose und mit Handtuch über der Schulter, um vor Messebeginn noch schnell eine Runde im Bodensee zu schwimmen.

{b}Verkehrs-Chaos{/b}
Wenn man Marktteilnehmer nach dem idealen, alternativen Messestandort für die Eurobike fragt, fallen regelmäßig die Namen der am meisten von Stau geplagten Städte in Deutschland.

{b}A-Marken{/b}
Ob große Marken künftig wieder auf die Eurobike zurückkehren werden, ist fraglich. Realistisch betrachtet muss sich die Pro-Eurobike-Fraktion eher damit abfinden, dass noch weitere Marken ihren Abschied aus dem Kreis der Eurobike beschließen werden. Nicht nur, weil diese Unternehmen Termin oder Ort einer Eurobike in Frage stellen, sondern vor allem auch den Nutzen von Fachmessen insgesamt. ­Messeteilnahmen erfordern in einer gewissen Größe schnell ein Millionen-Budget. Angesichts dieser Kosten ist es eine zwar kurzfristig gedachte, aber dennoch häufig gestellte Frage, ob der finanzielle Aufwand für manche Unternehmen noch gerechtfertigt ist. Vor diesem Hintergrund müssen auch Fachbesucher ihre Maßstäbe, mit denen sie die Relevanz einer Messe bewerten, hinterfragen. In meinen Augen sind es nicht die großen Marken, die eine Messe spannend machen, sondern die vielen kleinen, mittelgroßen und vor allem jungen Unternehmen unter den Ausstellern. Mein persönliches Erlebnis in diesem Jahr war, dass ich die Eurobike inhaltlich so interessant wie schon lange nicht mehr empfunden habe. Das lag zu einem ­gewissen Teil am früheren Termin, der den zeitlichen Rahmen für Messepremieren neu steckte, vielleicht aber auch am Fehlen mancher großer Marken. Das lenkte zumindest meinen Blick auf andere, kleinere Eurobike-Aussteller, wo es einige ­wirklich spannende Sachen zu sehen gab.

{b}Guerilla-Marketing{/b}
Zu den Eurobike Media Days, die in diesem Jahr wenige Tage vor Messebeginn in Fiss in Tirol stattfanden, hatte die Messe Friedrichshafen rund 160 Fachjournalisten bei voller Kostenübernahme eingeladen, um die Neuheiten einiger Eurobike-Aussteller zu testen, zu fotografieren und darüber zu berichten. Kostenmäßig getragen wird dieses Angebot von jenen Fahrradherstellern, die sich auch an der Eurobike als Aussteller beteiligen. Dass einige Nicht-Aussteller, die sich entschieden haben, die zugegebenermaßen nicht unerheblichen Kosten einer Messeteilnahme lieber zu sparen, trotzdem auf dem Parkplatz vor dem Media-Day-Gelände versuchten, einige Medienteilnehmer für ihre eigenen Neuheiten abzufischen, mag man milde ausgedrückt als schlechten Stil bezeichnen. Man stelle sich vor, ein Eurobike-Aussteller würde sich bei den Hausmessen dieser Unternehmen auf deren Parkplatz stellen und dort ebenfalls seine Neuheiten präsentieren.

{b}#onlyateurobike{/b}
Klaus Wellmann ist wahrscheinlich der einzige Geschäftsführer einer größeren Messegesellschaft in Deutschland, der bei der wichtigsten eigenen Veranstaltung in Shorts zur Arbeit gehen kann.

{b}Zu spät, zu früh oder genau richtig?{/b}
Im Vorfeld der Eurobike habe ich mit dem Geschäftsführer eines großen, sportiv ausgerichteten Eurobike-Ausstellers gesprochen, in dessen Augen die Messe Anfang Juli zum genau richtigen Termin stattfände. Wenn nun die Eurobike künftig wieder zu einem späteren Termin stattfindet, sei es für sein Unternehmen fraglich, so mein Gesprächspartner damals, ob man sich weiter an der Eurobike beteilige.
Vor der Messe habe ich auch mit dem Geschäftsführer eines eher urban ausgerichteten, aber ebenfalls bedeutenden Eurobike-Ausstellers gesprochen. In seiner Wahrnehmung war die Eurobike am bisherigen Termin Anfang September genau richtig gelegen. Wenn die Messe nicht künftig wieder an diesem Termin stattfinde, sei für sein Unternehmen fraglich, ob es weiter an der Eurobike als Aussteller ­teilnehme, so damals mein Gesprächspartner.
Ich bin neugierig, was nun in der Konsequenz die Rückkehr der Eurobike auf den ­September-Termin bedeutet. Die in der Terminfrage eher konservativen Marktteilnehmer konnten ihre Idealvorstellung durchsetzen. Was bedeutet das nun für die vor allem sportiv ausgerichteten Anbieter im Fahrradmarkt?

{b}Love or Hate{/b}
So wie der Brexit die Briten spaltet oder die Flüchtlingsfrage die Deutschen, so teilt auch die Eurobike die Fahrradbranche in zwei Lager: Die einen schätzen die Eurobike, die anderen hassen sie. Für die erste Fraktion war die niedrigere Besucherzahl der Beweis, dass das Retail-First-Konzept den erhofften, positiven Effekt erzielen konnte; die andere Fraktion sieht darin ein weiteres Indiz, dass die Messe ihrem Untergang entgegensteuert. Die einen freuen sich, dass es morgens und abends weniger bis keinen Stau auf dem Weg zur Messe gab, die anderen denken sich »kein Stau: Eurobike ist tot«.
Wer die Diskussionen auf velobiz.de in den letzten Wochen verfolgt hat, dem wird aufgefallen sein, dass ich mich (wie die meisten meiner Kollegen) zu den Befürwortern der Eurobike zähle. Da mag einerseits meiner persönlichen Prägung als langjähriger Eurobike-Besucher geschuldet sein, aber auch einer rationalen Überlegung: Wenn wir uns als Branche einig sind, dass das Instrument einer Leitmesse wertvoll und erhaltenswert ist, dann finde ich es klüger, das vorhandene Format einer Eurobike zu stärken und besser zu machen. Unabhängig von persönlichen Meinungen sind wir aber als Fachmedium der Neutralität verpflichtet. Deshalb bieten wir bei velobiz.de einen redaktionellen Raum auch jenen Meinungen und Initiativen von Marktteilnehmern, die die Eurobike lieber heute als morgen beerdigt sähen – auch wenn das nicht unserer Sicht entspricht.

{b}Was macht künftig die Mode?{/b}
Unter den Bikewear-Anbietern gab es auf der Eurobike in ­diesem Jahr einige Unternehmen, die ihre Teilnahme an der nächst­jährigen Eurobike in Frage stellten. Die Auslöser dieser Über­legungen sind im Wesentlichen zwei Punkte: Der neue – oder vielmehr alte – Eurobike-Termin Anfang September ist in den Augen der textillastigen Marktteilnehmer ein sehr später ­Termin. Bei einigen Unternehmen ist die Vororder der nächsten Sommerkollektion zu diesem Zeitpunkt sogar schon längst abgeschlossen. Dazu kommt, wie einige Anbieter hinter vorgehaltener Hand eingestehen, dass der klassische Fahrradfachhandel für die Bikewear-Anbieter nicht mehr die höchste Relevanz besitze. Der Verkauf von Bikewear befinde sich demnach inzwischen überwiegend in der Hand einiger weniger Player im Handel, wie große Filialisten, E-Commerce-Anbieter und Sporthandelsketten. Als (zeitlich deutlich frühere) Alternative zur Eurobike lockt im nächsten Jahr zudem die neue OutDoor by Ispo in München, die an den oben genannten Handelsformen ebenfalls recht nahe dran sein dürfte.

13. August 2018 von Markus Fritsch

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