Report - Texlock
Geflochtene Innovation aus dem Spin-Lab
Die gelernte Modedesignerin Alexandra Baum und die Textildesignerin Suse Brand arbeiten bereits seit 2013 an ihrem Projekt. Fünf Jahre später feiern sie nun den Markteintritt ihres Texlocks, einem Fahrradschloss aus Hightech-Textilfasern. »Im Nachgang betrachtet muss man auch sagen, wir haben so viel Glück gehabt und es ist so viel zusammengekommen, dass es irgendwie schon Wahnsinn ist«, resümiert Baum. Bevor der Wahnsinn mit dem eigenen Projekt begann, hatte sie schon seit 2003 mit ihrem Unternehmen Novanex Erfahrungen im Bereich technischer Textilien gesammelt. Als ihr die Idee für das Texlock kam, liefen praktisch »zwei Stränge zusammen«: einmal ihr Wissen und ihr Netzwerk aus der Textilbranche und dann ihr Anspruch als Fahrradfahrerin. Der tägliche Ärger mit den herkömmlichen Fahrradschlössern ließ aus »zu kurz, zu steif, zu schwer« den Werbeslogan »schön, leicht, sicher« werden.
Eine »spinnerte Idee«?
Als die beiden Geschäftsführerinnen 2013 gemeinsam beschlossen, das Projekt Texlock zu entwickeln, passierte das auch aus einer gewissen Frustration heraus. Bei Novanex mussten sie die Ideen »immer dann an den Kunden abgeben, wenn es gerade spannend wurde«, berichtet Baum. Mit Texlock wollten sie nun ein Produkt von A-Z entwickeln. Zunächst standen sich zwei gegenteilige Gedanken gegenüber: Auf der einen Seite die zögerliche Frage, ob das nicht doch nur eine »spinnerte Idee« sei, so Baum. Auf der anderen Seite die Befürchtung, dass es sowas doch schon geben müsse. Eine erste grobe Patentrecherche verlief negativ. Und so meldeten sie 2015 ein Patent an und prüften gemeinsam mit der Technischen Hochschule Hof die Umsetzbarkeit ihrer Idee. Die nächste Hürde stellte dann die aufwendige Bewerbung für das EXIST-Programm des Bundeministeriums für Wirtschaft und Energie dar. Schließlich erhielten drei Mitarbeiter für ein Jahr ein Stipendium des Bundes und konnten sich Vollzeit mit der Entwicklung des textilen Schlosses auseinandersetzen. Alexandra Baum selbst profitierte nicht von dem Stipendium. Sie war gerade in Elternzeit mit ihrem zweiten Sohn.
Unterstützung von vielen Seiten
Im Juni 2016 gründeten Alexandra Baum und Suse Brand schließlich die Texlock GmbH. Das einheitliche Design wurde gestaltet und mit einer Bewerbung konnten sie die Macher des SpinLabs überzeugen. Dieses gemeinsame Projekt der Handelshochschule Leipzig und einer ehemaligen Spinnerei im Westen der Stadt stellt erfolgversprechenden Start-ups Büroflächen zur Verfügung, gibt Experten-Coachings und vermittelt Kontakte zu Investoren. Einen Investor fand die neugegründete Texlock GmbH zudem in der Sächsischen Beteiligungsgesellschaft, die mit 500.000 EUR in das Projekt einstieg.
Kickstarter als Marktforschung
Die im Februar 2017 gestartete Kickstarter-Kampagne diente nicht nur zum Fundraising, sondern auch der Marktforschung. Oder wie Alex Baum es formuliert: »Was will der Markt? Will der dieses Produkt überhaupt? Es hätte auch sein können, dass die Skepsis gegenüber Textil so groß ist, dass das Ding einfach mal durchfällt am Markt. Und dann kannst du dich natürlich totentwickeln.« Aus der Kickstarter-Kampagne ließ sich ablesen, wie die verschiedenen Längen und Farbvarianten ankommen. Von einer Vielzahl an Varianten blieben schließlich drei Längen und vier Farbvarianten übrig. Als Ösenvariante setzte sich die »Loop-Through«-Funktion, bei der eine kleine Öse durch eine größere gezogen wird, gegenüber der »Equal«-Variante mit zwei gleich großen Ösen durch.
Start der »Prode«
Nach der Kickstarter-Kampagne ging es dann 2017 Schlag auf Schlag: Im Juni gab es eine Strukturierungsphase, ein Warenwirtschaftssystem wurde aufgesetzt, das Team wuchs auf zwölf Mitarbeiter an, die »Prode« (firmeninterne Abkürzung für die Produktion) wurde in einem ehemaligen Club in den Lagerhallen des Westwerks aufgebaut. Im Oktober und November wurden dann die über 6000 vorbestellten Texlock-Schlösser produziert und ausgeliefert. Laut dem Vorarbeiter Peter Seebe schafft die fünfköpfige Produktion aktuell etwa 100 Schlösser am Tag, das Ziel sind 1.000 Schlösser in der Woche. Die geplante Lieferzeit sind drei bis fünf Tage, aber im Moment kommt das Produktionsteam der nicht abnehmenden Nachfrage kaum hinterher.
»Das iPhone unter den Fahrradschlössern«
Auch Christian Paul, der Inhaber von Fahrrad Paul aus Eilenburg, 30 Kilometer nordöstlich von Leipzig, wartet auf seine nächste Lieferung. Er ist begeistert von diesem regional gefertigten Schloss, dem »iPhone unter den Fahrradschlössern«, wie er es nennt. Der Vergleich mit einem durchdesignten Apple-Produkt ist gar nicht so weit hergeholt. Denn das Texlock hat neben einigen anderen Preisen kürzlich den »German Design Award 2018« gewonnen. Eine Auszeichnung,, die Alexandra Baum gerade deswegen so wichtig ist, weil sie zeigt, dass das Texlock eben auch »ein Lifestyle-Produkt« sei. Ein weiterer Ritterschlag sei die Zusammenarbeit mit der Fahrradversicherung Enra, die das Texlock empfiehlt. Die Macher von Texlock geben dabei den genauen Materialmix ihres Seils nicht preis, sie verraten nur so viel: Jede Lage hat eine andere Funktion, wie zum Beispiel die Feuerfestigkeit.
Was kommt noch?
Natürlich ruhen sich Suse Brand und Alexandra Baum nicht auf ihren Lorbeeren aus. Sie haben weitere Ideen im Kopf: Eine weitere Entwicklung wäre, das externe Schloss durch ein integriertes Schloss zu ersetzen. Und auch das Thema E könnte künftig noch eine Rolle spielen: »Die weitreichendste Idee ist zu sagen, du kannst dieses Seil einfach auch smart machen, indem du elektrisch leitfähige Textilien mit rein verflechtest. Indem du eine elektrische Energie dadurch schicken kannst, stehen dir wiederum Wege offen für Alarm, für Sensorik und für eben die ganzen App-Geschichten«, verrät Alexandra Baum ein bisschen von der Zukunftsmusik des Texlock, eines Stoff gewordenen Unternehmertraums.
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