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Report - Franchise-Systeme

Geschlossener Auftritt, individueller Erfolg

Sie werden immer mehr und wer einsteigt, hat gute Gründe dafür. Franchise-Systeme mischen den Fahrradhandel in jüngster Zeit auf. Wie sehen die Konzepte aus und was steckt für wen jeweils dahinter?

Die nächsten Jahre wird es eine Auslese geben«, meint Jochen Urban, »die kleinen Händler werden nicht überleben.« So knallhart sieht der ZEG-Händler, der vor einem Jahr das erste Veloland-Fachgeschäft eröffnete, die Perspektive für die Branche. »Ohne Größe geht’s nicht.« Urban wollte expandieren und ein neues, großes Fachgeschäft im baden-württembergischen Backnang aufbauen. Die ZEG, bei der schon sein Vater Mitglied war, kam auf ihn zu und ermunterte ihn, mit seinem neuen Geschäft den Veloland-Standard mitzuerschaffen. Und damit in das Franchise-System einzusteigen. Ist das eine Versicherung fürs Überleben in der Branche?

Kein starres Gerüst

Franchising ist zunächst einmal ein vertraglich geregeltes, befristetes Geschäftsverhältnis, bei dem ein Unternehmen Partnern erlaubt, sein Konzept nach festgelegten Regeln zu nutzen. Ein einsteigender Existenzgründer erhält also Anteil an einem bereits fertigen Geschäftsmodell. Dieser Franchisenehmer muss meist für Lizenz und Nutzung eine Franchise-Gebühr zahlen. Darüber hinaus muss ein Anteil des Umsatzes an den Franchise-Geber abgeführt werden. Einheitliches Auftreten und abgestimmte Marketing-Maßnahmen sind ebenso Teil von Franchise-Systemen, allerdings wird das verschieden starr gehandhabt. Oft kauft sich der Partner mit der Franchise-Gebühr auch die Nutzung eines Warenwirtschaftssystems und Know-how oder Service-Dienstleistungen im Personalwesen. Für viele ist auch der zentrale Einkauf, gerade in Zeiten von Lieferengpässen und -fristen, ein wesentliches Argument für den Einstieg in ein Franchise-System.
Im Gegensatz zum Filialsystem bleiben die einzelnen Geschäftsführer selbstständig und letztendlich im Rahmen der auferlegten Möglichkeiten selbst verantwortlich für ihren Erfolg und Misserfolg.

Franchise als i-Tüpfelchen auf dem Verband

Veloland, die Franchise-Marke der ZEG, wurde 2020 entwickelt. Mark Thürheimer war daran beteiligt. »Eine internationale Marke mit starker Dienstleistungs- und Service-Orientierung« sollte damit entstehen, erklärt er.

Veloland ist als Franchise- und Lizenzmarke der ZEG besonders in Frankreich schon viele Jahre bekannt.

Den ZEG-Händlern soll eine zusätzliche Unterstützung bei Themen wie Modernisierung, Betriebserweiterungen, Neubau und nicht zuletzt der Unternehmensnachfolge gegeben werden.
Hier gibt es zwei Systeme: Lizenz- und Franchise-System. Bei Letzterem sollen auch Existenzgründer mit intensiver Betreuung und viel Know-how-Transfer fit für den Fahrradfachhandel gemacht werden, während das Lizenz-System ZEG-Händlern Tools für die zukunftsträchtige Positionierung am Markt liefern soll.
Eines davon ist FlexCommerz. Die »ZEG-eigene IT-Abteilung« liefert die einheitliche Warenwirtschaft und stellt Web-Möglichkeiten wie eigene Homepage und Onlineshop zur Verfügung. Derzeit gibt es zwei Veloland-Händler in Deutschland, einer davon ist Jochen Urban.

»Grundsätzlich ist nicht unser Ziel, alle ZEG-Verbandshändler in Veloland zu integrieren.«

Mark Thürheimer, Veloland

Nächstes Frühjahr, so Thürheimer, soll es weitere Neueröffnungen geben. »Grundsätzlich ist nicht unser Ziel, alle ZEG-Verbandshändler in Veloland zu integrieren. Es ist ein Baustein, eine Option für alle.« Bei Betriebsübernahmen werden Einstiegsgebühren von rund 10.000 Euro fällig. Wichtig ist dem Manager: »Wir sind kein starres Franchise-System. Wir vermitteln zum Beispiel Ladenbauer und -planer, aber es gibt viele Freiheiten in diesen Bereichen.« Betreuung und Know-how-Transfer werden durch eine monatliche Gebühr beglichen, die sich aus einem Prozentsatz des Umsatzes berechnet. Die Einkaufsmacht durch die starke Position der ZEG, auf die Thürheimer hinweist, ist für Veloland-Mitglieder inklusive. Das wiederum ist ein dickes Pfund, mit dem man als unabhängiger Händler sicher nicht wuchern kann.

Bike-Leasing vorantreiben

Ganz anders das Konzept von Velocultour. Es geht hier nur am Rande um den Bikestore. Ein wesentliches Ziel ist es, Fahrrad-Leasing in die Unternehmen zu bringen, das man unter anderem mit betrieblichem Gesundheits-Management angeht. »Wir bieten Unternehmen einen ›Gesundheitstag‹ oder einen ›Bikeday‹ an, bei dem die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an Themen wie Burnout-Prävention oder Achtsamkeit herangeführt werden und natürlich an gesundheitsfördernde Bewegung allgemein und speziell Radfahren und Radpendeln«, erklärt Kai Nüchter, Geschäftsführer von Velocultour.

Das Konzept von Velocultour unterscheidet sich deutlich von anderen Franchise-Systemen. Gesundheitsthemen werden prominent hervorgehoben.

Dazu kommt man mit dem Truck voller Räder und E-Bikes zum Unternehmen, aber man veranstaltet auch Events. Voraussetzung für den Unternehmensbesuch ist ein Franchise-Partnerhändler von Velocultour in der Region. Denn schließlich brauchen die geleasten Räder ihren Service und Verschleißteile. Das Unternehmen arbeitet mit vielen verschiedenen Leasing-Gesellschaften zusammen.
2016 wurde die Franchise-Idee aus der Taufe gehoben. Händlerpartner zahlen »eine niedrige vierstellige Jahresgebühr« für das gemeinsame Marketing. Die eigentliche Franchise-Gebühr wird über den Einkauf bei Velocultour abgerechnet. Hier muss der Partner etwa 5 Prozent über dem üblichen Einkaufswert ausgeben. Alle derzeitigen fünf Franchise-Partner von Velocultour sind Quereinsteiger. Dazu gibt es noch drei Standorte, die der Franchise-Geber selbst betreibt. Er übernimmt bei Bedarf die Immobiliensuche, kümmert sich um die Akquise für die Bikedays, auch mal per Telefonmarketing. Er stellt das Marketing den Händlern zur Verfügung und regelt den Einkauf bei drei verpartnerten Fahrradmarken. »Wir sind keine normalen Fahrradhändler« sagt Nüchter. »Wir sind fahrradbegeisterte Eventmanager, veranstalten beispielsweise auch Radreisen.« Das Franchise-Unternehmen hat laut Nüchter eine deutlich gestiegene Einkaufsmacht.
Peter Heinzmann, der Nüchter 2019 kennenlernte, kommt ursprünglich von einem Autozulieferer und wollte sich selbstständig machen. Schnell war man sich einig. Heinzmann deckt heute für Velocultour die Region Rhein-Main ab. Dazu hat er letztes Jahr ein Fahrradfachgeschäft in Altenstadt nördlich von Frankfurt übernommen. »Hier geht es natürlich auch darum, neben dem Sevice für Leasing-Räder auch klassisch Kunden zu binden«, sagt er. Sehr hilfreich findet er die zentrale Buchführung und dass er auf den ganzen Marketing-Pool von Velocultour zurückgreifen kann. »Das ist eine sehr professionelle und partnerschaftliche Kooperation« sagt er.

Spaß und Erfolg mit Partnern

Die E-Motion Experts GmbH ist mit 81 Shops in der DACH-Region derzeit die größte Franchise-Kette. »In der Unternehmenszentrale arbeiten mittlerweile rund 50 Leute«, erzählt Marcus Melzer, Head of Business Development, der vor vier Jahren vom Autoverleiher Sixt zum Unternehmen stieß.
Bei E-Motion ist man vor zehn Jahren vom gemeinsamen Einkauf abgerückt. »Franchise-Nehmer und Hersteller sollten sich lieber direkt austauschen und die Order planen«, so Melzer. »Wir unterstützen das mit unserer Expertise aus der Gruppe. Zum einen macht ein Zentrallager die Logistik komplex, zum anderen ist Flexibilität mehr wert als die letzten zwei Prozentpunkte in der Marge.« Der klassische Partner bei E-Motion ist Quereinsteiger. Er oder sie ist mittleren Alters, arbeitete bei einem Konzern und will sich selbstständig machen. »So können wir gut auf Augenhöhe arbeiten.«
Für den Eintritt ins Unternehmen wird eine größere Investition fällig. Zwischen 50.000 und 100.000 Euro sollte man schon selbst mitbringen, so Melzer. Von der Summe gehen 30 bis 40 Prozent in die Shop-Gestaltung und die Werkstatt, der Großteil fällt für die Ware an.
Die Gebühren für die Partner setzen sich aus einer Umsatzbeteiligung, Marketing-Kosten und weiteren Services der Zentrale zusammen.
25 Marken sind derzeit im Portfolio von E-Motion. Im Gegenzug erhalten die E-Motion Partner kompetente Unterstützung in vielen Bereichen sowie Gebietsschutz.

»Franchise-Nehmer und Hersteller sollten sichlieber direkt austauschen und die Order planen.«

Marcus Melzer, E-Motion Experts GmbH

Der größte Mehrwert für die Partner ist aus Sicht von Marcus Melzer das professionelle Marketing von E-Motion. »Der Händler muss sich keinerlei Sorgen machen, dass der Kunde oder die Kundin ihn nicht findet. Aber wir arbeiten auch viel mit POS-Material und digitalen Hilfsmitteln. Und wir treffen Entscheidungen gemeinsam mit unseren Partnern.« Bei E-Motion nimmt man auch die Annäherung der Autohäuser an ihr E-Bike-Handelskonzept wahr. »Wir positionieren uns aber als E-Bike-Experten, wir wollen nicht als ›Auto Plus‹ erscheinen!«
Aus einer Führungsposition in der Automobilbranche kam Regina Renz, die 2019 bei E-Motion eingestiegen ist. »Mir ging‘s darum, wieder mit Menschen zu tun zu haben«, sagt die Geschäftsführerin eines 1.000-Qua­dratmeter-Ladens in Fuchstal, die schon lange vorher begeisterte Bikerin war. Sie schätzt vor allem die Eigenständigkeit und die vielen Möglichkeiten, die man als einzelne Händlerin nicht stemmen könnte, wie etwa ein eigenes Leasing-System. »Zudem hat man die viel zitierte ›große Familie‹, mit ihren Austauschmöglichkeiten, ein hilfsbereites Netzwerk«, schwärmt Renz geradezu. Sie hat gerade ihren zweiten Store eröffnet.

Eine Möglichkeit zu wachsen

Mit einem Laden in München fing es 2015 an. Schnell war für Markus Unger, Gründer von Vit:Bikes, klar, dass der Einzelhandel sich in Anbetracht der anstehenden Herausforderungen rapide weiterentwickeln muss. »Der einzige Weg, die Herausforderungen zu meistern, ist heute, größer zu werden«, so Unger.

Vit:Bikes mit Markus Unger als treibende Kraft hat sich das Ziel gesetzt, stationäre Händler für die Zukunft fit zu machen.

Das Lizenzsystem wurde entwickelt, auch weil ein erfolgreicher Youtube-Kanal zu Bike-Hacks enorm motivierte. 2020 gab es dann das Pilotprojekt, den ersten nicht von Unger geführten Vit:Bikes-Store. Mittlerweile gibt es 12 Franchise-Händler, die von dem Konzept überzeugt sind. Hier sind es vor allem »Quereinsteiger mit starkem Bezug zum Fahrrad, aber auch bestehende Fahrradläden«, so Unger. »›Franchise‹ ist für viele relativ negativ besetzt«, so der Geschäftsführer. »Wir haben das Modell gewählt, weil wir Gleichgesinnte mit hohem Kundenfokus zusammenbringen wollten. Wir liefern das komplette Know-how für den Franchise-Nehmer.«
Der Ladenbau ist zentral geregelt, aber ein individueller Touch darf sein. »Wir wollen keine unpersönliche Kette sein.«
Endkunde und -kundin bekommen auch digital viel geboten. Das fängt mit einem großen eigenen Magazin mit vielen bunten Themen auf der Homepage an und geht weiter über den bereits genannten Youtube-Kanal. Die Franchise-Nehmer können eine eigene Weiterbildungs-Akademie nutzen, mit Themen wie die gemeinsame Warenwirtschaft, Verkauf, Mitarbeiterschulung oder Social Media. Dazu kommen fest terminierte Zoom-Meetings für die Werkstatt und für den Verkauf. Der Onlineshop ist für alle Franchise-Nehmer und -Nehmerinnen offen. Zur monatlichen Grundgebühr und einer prozentualen Umsatzbeteiligung werden keine detaillierten Zahlen genannt.
Georg Weigang, Münsteraner Fahrradhändler, ist seit Oktober Vit:Bikes-Händler. »Der Handel will sich darauf konzentrieren, was er gut kann. Buchhaltung, Personalthemen etc. sind wichtig, aber oft nicht die Kernkompetenz.« Das übernimmt nun bei ihm der Lizenzgeber.

»Der Handel will sich darauf konzentrieren, was er gut kann. Buchhaltung, Personalthemen etc. sind wichtig, aber oft nicht die Kernkompetenz.«

Georg Weigang,Vit:Bikes-Händler

»Wir haben aber schnell festgestellt, dass wir noch viel mehr vom Franchise haben. Der permanente Austausch der Partner ist enorm wichtig. So kann man unter anderem viel schneller am Markt reagieren. Qualifikation und Weiterbildung haben uns viel geholfen, so haben wir was Bestehendes verändern können.« Er kann auf seine bisherigen Marken zurückgreifen, aber auch auf das Portfolio von Vit:Bikes. Sein Sohn hat gerade in Hamburg ein Vit:Bikes-Fachgeschäft eröffnet »mit vollem Branding«, erklärt Weigang. Das Wichtigste für ihn ist Veränderung. Ohne kann man heute nicht dranbleiben, sagt er. Das kann auch hart sein. Er habe die komplette Belegschaft austauschen müssen, weil sie die Veränderungen nicht mittragen wollte oder konnte.

Nachhaltig Franchisen

Abseits der harten Fahrradkerns gibt es noch interessante Systeme, die zum engeren Umfeld der Fahrradwelt gehören. Auch der Outdoor-Ausstatter Vaude betreibt seine mittlerweile 21 Stores im Franchise-System. Einen führt Jörg Sutter in Tuttlingen seit fünf Jahren. Der Leiter eines über 100 Jahre alten Taschen-Fachgeschäfts in der Stadt wurde von Vaude angesprochen, ob er sich vorstellen könnte, die Outdoor-Marke zu vertreten. Der Standort mit 150 Quadratmetern Verkaufsfläche in der Innenstadt »läuft sehr gut«, erzählt Sutter zufrieden von seinem zweiten Standbein.
Seine Zufriedenheit könnte auch am Franchise-System liegen. »Ich muss nur das bezahlen, was ich verkaufe«, so der Geschäftsführer. Die Ware bleibt also im Besitz von Vaude, bis Sutter sie verkauft. Spezielle Lizenz-Gebühren gibt es nicht. Ein »mehr als faires System«, sagt Sutter selbst. Unterstützung im Marketing gibt es separat und quasi auf Abruf.
Der Ladenbau, LED-Lichtsysteme und Ökostrom sind Fixpunkte der Corporate Identity. »Der zukünftige Partner kann grundsätzlich kein Existenzgründer sein«, sagt Birgit Bohnert, Geschäftsführerin der Vaude Franchising GmbH. Meist sind es erfolgreiche Händler, die ein zweites Standbein suchen. Er oder sie kümmert sich in Absprache um die Auswahl des neuen Standorts. Auch für Ladenplanung und -bau gemäß der Vaude-Vorgaben ist der neue Partner beziehungsweise die Partnerin zuständig. »Wir haben genaue Vorstellungen, was ein Store-Leiter können sollte. Auch der Einkauf ist wichtig, der Partner sollte hier ebenfalls Know-how mitbringen«, so Bohnert. Eine Franchise-Gebühr gibt es bei Vaude nicht. Das sind sehr attraktive Bedingungen, allerdings nur für jemanden, der Vaude von sich überzeugen kann.

Franchise oder nicht?

Die hier befragten Händlerinnen und Händler sind überzeugte Franchise-Nehmer. In Zeiten, in denen das E-Bike boomt, scheint es ihnen bei Themen jenseits des Verkaufens wie Marketing und Buchhaltung eine große Hilfe zu sein und ihnen die Hände freizuhalten. Auch der Auftritt einer ganzen Gruppe von Händlern als Einkäufer dürfte gegenüber der Industrie grundsätzlich förderlich sein. Die Überzeugungskraft, mit der eine Marke auf Endverbraucher wirkt, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen.
Da aber Franchise-Unternehmen nicht gern über Geld sprechen, ist Vorabinformation über konkrete Kosten oft nur individuell von Interessenten einholbar. Im Endeffekt geht es um die Abwägung, was die Freiheit von Backoffice-Aufgaben und ein fachmännischer Austausch sowie, im günstigsten Falle, die gemeinsame Weiterentwicklung wert sind. Oder ob man doch der Ansicht ist, die wachsenden Herausforderungen, die der Markt mit sich bringt, als einzelner, vielleicht spezialisierter Händler besser meistern zu können, und dabei weniger Ausgaben und mehr Entscheidungsfreiheit zu haben. Die Antworten auf diese Fragen sind immer individuell zu beantworten, die heute vorhandenen Franchise-Systeme sind jedenfalls ein zusätzlicher Schritt in einer sich immer weiter professionalisierenden Fahrradwirtschaft. //

20. Juli 2022 von Georg Bleicher

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