Lasten-, Transport und Leihfahrräder:
Gute Perspektiven für flexible Marktteilnehmer
wie zum Beispiel bei der Post bzw. den neuen, privaten Zustelldiensten. Andere kommen erst allmählich aufs Fahrrad – oft Firmen, die bisher nur auf Automobilität gesetzt hatten, wie etwa Pizza- und Lieferdienste.
Unter anderen auf diese Zielgruppe setzt Used-Macher Bob Giddens als deutscher Vertreiber des schwedischen Fahrradherstellers Monark seit dreieinhalb Jahren. „Dabei kommen die Bestellungen oft im 25er-Pack“, sagt Giddens. „Joey’s Pizza-Dienst ist zum Beispiel eine expandierende Filialkette, die deutschlandweit agiert, und jeder der Filialisten braucht mindestens ein oder zwei Räder für die Anlieferung im Kurzstreckenbereich.“
Die hohen gesetzlichen Auflagen zum Einsparen von CO2, die Firmen in Zukunft einhalten müssen, führen bei vielen Unternehmen zum Umdenken. Bei der Post wird so tatsächlich der Einsatz von Kraftfahrzeugen ab- und der von Fahrrädern – mit und ohne elektrischer Unterstützung – aufgestockt. Ergo: Neue Fahrzeuge braucht die Post. Für Unternehmen aus der Zustellbranche werden die Räder oft mit den Kunden zusammen individuell konzipiert. „Grundsätzlich kann man jetzt schon sagen: das wird mehr“, so die Erwartungen Giddens. Im Moment gehen etwa 80 % der Monark-Räder in Deutschland in die Industrie – etwa 2000 Stück. Oft sind das Räder für den Verkehr innerhalb des Firmengeländes. „Die Qualität muss bei solchen Rädern absolut stimmen“, so Giddens, „denn die Räder werden oft schlecht behandelt und wenig gewartet.“
Aber auch Privatkunden und Mini-Firmen nutzen immer mehr das (Lasten-)Rad. „Heute schon hat der Londoner UPS-Zusteller oft Faltrad und Trailer im Auto und trickst damit die City-Maut aus“, so Giddens, „und in Zukunft wird auch das ganz spezielle Lastenrad – oft als Pedelec – ein Fall für viele Verbraucher werden.“
Separate Konzerntochter für Industrieräder
Was den gewerblichen Teil angeht, sieht Simon Smith, Leiter Marketing für Accell Pro, das genauso. Diese Tochterfirma wurde von der Accell-Gruppe speziell für das gewerblich genutzte Fahrrad ins Leben gerufen. Als ehemaliger Mitarbeiter von Biria, einer der wichtigsten ehemaligen Postrad-Hersteller, brachte er Know-how und vor allem auch Kontakte mit zu Accell – ein in diesem Geschäft nicht zu unterschätzender Faktor. „Wir bieten die Total Postal Delivery Solution“, erklärt Smith selbstbewusst. „Der Bedarf ist da, ich habe gerade 18 Postbetriebe für Beratungen besucht. Unser neues Postfahrrad wurde auf der Post Expo im Oktober vorgestellt. Jetzt folgt in Zusammenarbeit mit dem Kunden der Feinschliff.“ Das Angebot für die Post-Kunden umfasst ein leichtes und ein Heavy-Duty-Rad für über 100 Kilo Zuladung, außerdem Räder mit verschieden starker E-Unterstützung und ein Dreirad. Im Dezember beschäftigt man sich bei der Post intern mit umfangreichen Tests der Prototypen, danach sollen noch genauer spezifizierte Modelle in Auftrag gehen.
Bei aller steigenden Nachfrage: Die Anbieter müssen stark diversifizieren. Hoechst etwa braucht andere Räder als Shell, die eine Firma braucht sie als Pedelec, die andere ohne Antrieb …
Klientel mit Potenzial
„Accell Pro steht auf drei Beinen“, erklärt Smith: „Neben dem großen Post-Segment gibt es noch die Industrie- und die Einsatz-Räder, wie etwa E-Bikes für die Polizei und zum Beispiel in Holland auch für die Feuerwehr. Zu diesem Segment gehören auch Betriebsräder wie wir sie etwa im Auftrag von Shell anfertigen. Das dritte große Standbein sind die Stadt-Verleih-Systeme.“ Hier liefert Accell Pro nicht nur Räder für den Verleih an Kommunen; das Unternehmen stellt auch das gesamte Verleihsystem zur Verfügung und kümmert sich auf Wunsch um Wartung und Reparatur. Und sogar die Finanzierung kann bei großen Projekten von Accell Pro gemanagt werden.
Zahlen über die Menge der umgesetzten Räder will man bei Accell Pro nicht nennen – „wir stecken zum Teil auch noch im Aufbau“. Die Abwicklung geschieht in Europa über die einzelnen Accell-Marken: in Deutschland ist es Winora, in Frankreich Lapierre, in Holland Sparta oder Batavus.
Mit Derby Cycle steigt ein anderer ganz Großer in Europa gerade ins Geschäft ein. Trotzdem gibt es schon Kontakte zur Großindustrie wie Bayer und BASF. Seit der Übernahme von Anbieter Speedliner, der mit seinen Erwachsenen-Rollern zuletzt vor allem im gewerblichen Bereicht unterwegs war, nennt Derby Cycle seine Lasten- und Gewerbe-Fahrräder CarGo. Auch hier will man sich nicht nur um spezielle Räder für Großbetriebe kümmern – „die kundengerechte Spezifizierung ist das A und O“, sagt Bereichsleiter Klaus Deux von Derby Cycle – sondern auch um Verleihgeschäfte. Allerdings nur um die Hardware: „Service und Wartung bleibt in der Hand des Kunden.“ Vorteile sieht man natürlich auch hier in den Stückzahlen. „Vor allem das E-Bike kommt hier immer stärker“, so Deux. Bei Derby legt man viel Wert auf die Prüfung nach DIN-Plus. „Diese Räder sind besonderen Belastungen unterworfen, und wir geben mit der Prüfung bei Velotech.de den Unternehmen auch die Sicherheit, dass unsere Räder das aushalten.“
Neue Perspektiven für den Fachhändler
Gewartet werden die Räder je nach Bestandsgröße des Unternehmens vom Unternehmen selbst oder meist vor Ort von Fachhändlern. Da es sich hierbei um ein durchaus lukratives Geschäft handeln kann kann, lohnt es sich für Händler, aktiv zu werden: „Wir bekommen auch Tipps von unseren Fachhändlern, dass etwa ein bestimmtes Werk im Ort Interesse an Werksrädern hat“, so Deux, „auch so kann eine Zusammenarbeit zwischen den Konzernen, Händlern und uns als Hersteller aufgebaut werden.“
Das Fahrrad-Fachgeschäft Endlich in Pforzheim liefert seit einigen Jahren Lastenroller und -räder von Monark an die Daimler AG. Tretroller sind mittlerweile vielfach angesagt, da in bestimmten Arten gewerblicher Hallen nicht mehr Fahrrad gefahren werden darf. „Dieser Bereich macht etwa 30% des Gesamtumsatzes aus“, so Verkaufsleiter Harald Carmosin. „Für uns sind aber die hohen Stückzahlen sehr interessant, die dabei auf einmal umgesetzt werden. Und natürlich die Wartung. Das muss ja kontinuierlich gemacht werden.“ So sichert man sich auch im Winter gute Auslastung des Betriebs. Die Kundschaft ist treu: Zum Teil schon über 30 Jahren wartet der Händler die Räder seiner gewerblichen Kunden. Die Stückzahlen machen das Geschäft natürlich auch beim Einkauf von Ersatzteilen und Zubehör interessant – schließlich sinken die Einkaufspreise mit wachsender Bestellmenge. Und die Zukunftsperspektive? Zumindest auf lange Sicht erscheint sie für Carmosin durchaus positiv, auch wenn die gegenwärtige Krise vorübergehend das Wachstum einschränkt.
Flexibel sein und dran bleiben
Die Firma Keller Industrieräder bei Kassel hat sich fast ganz auf gewerbliche Räder spezialisiert. Weniger als 30 Prozent gehen noch an Endverbraucher, unter andern sind das vor allem Custom-Räder von Patria, so Michael Keller, Leiter des Familienunternehmens. Dabei war der Wechsel in diese Richtung vor Jahren gar nicht eingeplant: Das Fachgeschäft verlor wegen eines langwierigen Bauvorhabens der Gemeinde immer mehr Endkunden. Keller, der das Geschäft vor 20 Jahren mit damals nur einem gewerblichen Kunden übernommen hatte, versuchte daraufhin, diese Sparte auszubauen: „Man muss aktiv werden, zu den Unternehmen Kontakt aufnehmen und dran bleiben!“ Heute beliefert er Großbetriebe wie Thyssen, VW und Daimler mit der Marke Monark, aber auch mit eigenen Manufakturrädern, also von ihm auf Basis der Kundeanforderungen zusammengestellten Modellen. Hartje ist hier einer seiner Zulieferer. „Natürlich ist man dabei viel unterwegs“, sagt er. Vor allem zur Beratung der Kunden, aber auch schon mal zur Abwicklung von Garantiefällen. „Man braucht auch einfach ständig das Feedback, ob der Kunde zufrieden ist, und was man noch verbessern oder wie man das Rad genauer an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen kann“, so Keller.
Verleihrad-Kunden sind für ihn aber auch in Zukunft keine Option: „Das ist schwierig, da Leihräder oft noch nachlässiger behandelt werden als Werksräder. Außerdem ist die Instandhaltung sehr zeitraubend – schon deshalb, weil hier häufig auch noch Teilediebstahl hinzu kommt.“
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