9 Minuten Lesedauer
i

Interview - Stefan Reisinger

»Internationaler als je zuvor«

Bei der zweiten Auflage der Eurobike in Frankfurt will die Messe ihren erfolgreichen Start im Vorjahr weiter ausbauen. Der Fairnamic-Geschäftsführer und damit Eurobike-Verantwortliche Stefan Reisinger gibt im Interview Auskunft, an welchen Hebeln gedreht wurde, damit die globale Leitmesse der Fahrradbranche noch mehr bieten kann, und ob die aktuelle Situation im Markt auch Auswirkungen auf die Eurobike hat.

Die Branche spürt aktuell erheblichen Druck. Gleichzeitig, und das ist vermutlich durchaus ungewöhnlich, hat die Eurobike einen sehr direkten Draht zu den maßgeblichen Akteuren der Fahrradwelt. Wie ist aus Ihrer Sicht als Eurobike-Verantwortlicher die aktuelle Situation in der Branche?

Stefan Reisinger: Die letzten Monate sind natürlich durchaus herausfordernd aufgrund der bekannten Kaufzurückhaltung auf der einen Seite und viel Ware auf der anderen Seite. Davon sind alle Marktteilnehmer betroffen und die Eurobike kann hier einen wichtigen Impuls setzen. Auf den Boom der letzten Jahre folgt unweigerlich eine Delle. Wenn wir nach vorne blicken, und da sind sich alle einig, ist der mittel- und langfristige Trend und Ausblick für die Branche total positiv.

Spüren Sie die aktuelle Branchenverfassung auch am Buchungsstand der Messe? Taugt die Eurobike als eine Art Frühindikator für die Verfassung der Branche?

In wenigen Einzelfällen kommt es vor, dass angesichts der aktuellen Herausforderungen eine Messeteilnahme infrage steht, das ist jedoch definitiv kein verbreitetes Phänomen. Die große Mehrheit der Hersteller und Marken hat langfristig geplant und ist fest an Bord. Im Vergleich zu den »Corona-Jahren« haben wir deutlich mehr Planbarkeit, Stabilität und Resilienz.

Gilt das auch mit Blick auf die globale Fahrradwirtschaft, die ja nun nach langer Pause wieder ohne Einschränkungen teilnehmen kann?

Die internationalen Besucher und insbesondere die aus Fernost können nach Corona wieder uneingeschränkt reisen. Viele unserer langjährigen Kunden aus Fernost kehren zurück und wir haben viele neue Teilnehmer aus Asien gewinnen können. Das überkompensiert deutlich die zuvor skizzierte teilweise Zurückhaltung an anderer Stelle. Insgesamt haben wir damit unter dem Strich ein deutliches Wachstum von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es wird damit nicht nur die größte Eurobike aller Zeiten, sondern es wird auch die mit der größten internationalen Beteiligung.

Verschiebt sich damit auch das langjährige Verhältnis zwischen heimischen Besucherinner und Besuchern und den internationalen Gästen?

Üblicherweise geht das »Hand in Hand«, mehr internationale Aussteller bewegen mehr internationale Besucher. Auf der Besucherseite werden wir im Rückblick auswerten können, auf der Ausstellerseite steht das hochinternationale Ergebnis bereits fest. Hier haben wir mehr Teilnehmer aus aller Welt als je zuvor.

Wenn man etwas an der letztjährigen Eurobike kritisieren wollte, dann fällt einem vor allem die eher verhaltene Resonanz an den Publikumstagen ein. Wie wollen Sie die aktuelle Ausgabe noch attraktiver machen, um an diesen Tagen mehr fahrradbegeisterte Endverbraucher nach Frankfurt zu locken?

Die beiden Endverbrauchertage hatten bei der Erstauflage in Frankfurt noch nicht die Resonanz, die wir erwartet hatten. Die Eurobike war eine Neuveranstaltung in Frankfurt und muss erst gelernt werden. Wir haben in der Vorbereitung an vielen Stellschrauben gedreht mit dem Ziel, deutlich mehr Menschen zu bewegen. Das war und ist eine unserer Top-Prioritäten für die Eurobike 2023.
So sind wir zum einen schon vor einigen Wochen mit vielfältigen Promotion-Aktionen im ganzen Rhein-Main-Gebiet gestartet und sehr viel präsenter, etwa bei Sport- oder kulturellen Veranstaltungen, als das im Vorjahr noch der Fall war.
Was wir nicht mehr anbieten werden, ist die Aktionsfläche in der Stadt am Mainkai parallel zur Eurobike. Das hat möglicherweise abgelenkt oder irritiert. Wir konzentrieren uns aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorjahr voll auf die Ansprache der Endkunden auf dem Frankfurter Messegelände. Hier haben wir ein immenses Angebot und Programm vorbereitet und sind guter Dinge, dieses Jahr weiter zuzulegen.

Mit den Eurobike-Awards haben Sie auch einen guten Einblick auf die Neuheiten und Entwicklungen der Fahrradbranche. Steht die Branche vor einer neuen Innovationsphase?

Ich habe den Eindruck, dass nach den Jahren der Sonderkonjunktur, als der Fokus auf Warenbeschaffung und Verkauf lag, die Branche jetzt wieder mehr Augenmerk auf Innovationen und Neuheiten legt. Im Eurobike-Award-Prozess sind wir ja noch nicht so weit, dass die Gewinner feststünden, ich bin also selbst gespannt, welche Gewinnerprodukte gekürt werden. Leichte E-Bike-Konzepte, Lastenräder in verschiedenen Ausdifferenzierungen, Dienstleistungen rund um Mobilität und Mietkonzepte sowie clevere Accessoires, Smart Devices und Connectivity-Produkte würde ich unter den Gewinnern erwarten.

Vergangenes Jahr gab es bekanntlich keine Eurobike-Awards und durch die Corona-Absagen insgesamt eine längere Pause. Nun gibt es die Awards wieder mit neuer Organisation und Struktur. Bedeutet dieser Neustart für die Produktauszeichnungen inhaltliche Veränderungen?

So viel hat sich gar nicht verändert. Pandemiebedingt und aufgrund des Umzugs nach Frankfurt, der extrem viel Energie und Ressourcen gekostet hat, haben wir pausiert. Zum Re-Start haben wir auf unseren Erfahrungen aus der Vergangenheit aufgebaut und uns in Frankfurt neue Partner für die Umsetzung gesucht. Mit dem Rat für Formgebung haben wir einen renommierten und auszeichnungs-erfahrenen neuen Partner und die Resonanz und Einreichungszahlen sind beeindruckend.


Trotz größerer Fläche, die dieses Jahr bespielt wird, dürfte die Orientierung leichter fallen.

Welches Highlight sollte man sich während eines Messebesuchs auf keinen Fall entgehen lassen?

Die Eurobike-Award-Verleihung und die ausgezeichneten Produkte in Halle 8 sind eines der Highlights. Darüber hinaus haben wir viel Wert gelegt auf inhaltliche Angebote mit verschiedensten Stoßrichtungen. Mehr als 200 Formate finden in den fünf Eurobike-Tagen statt. Dazu gehören neue Formate wie das Netzwerk-Event Pink Wednesday im neuen Massif Central, aber auch Angebote wie unser Career Center, wo es um Nachwuchs, Fachkräfte und Qualifizierung geht, haben wir ausgebaut und in neuer Location mit noch mehr Programm ausgestattet. Das geht hin bis zu Beratungsangeboten für Handelsnachfolge oder potenziellen Investoren. Unser Ziel ist es, für sehr verschiedene Zielgruppen mit jeweiligen Interessenlagen passende Formate anzubieten.

Die Zusammenarbeit mit den Verbänden ist seit dem Umzug nach Frankfurt nochmals intensiver geworden. Sie haben Commitment von allen relevanten Playern im Markt. Wie wichtig ist diese Art von Wertschätzung für die Eurobike?

Das ist natürlich sehr wichtig für uns als Messe und für die Branche insgesamt. Die Eurobike als Anlass, alle Kräfte zu bündeln, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und maximale Reichweite und Resonanz zu erzielen. Neben den nationalen sind auch die europäischen Verbände im Rahmen der Eurobike 2023 stark eingebunden und wir damit gemeinsam in der Lage, ein echtes Statement für Sport, Gesundheit, Lifestyle und die Verkehrswende zu senden.

Die Größe der Messe bedingt auch ziemliche Laufwege. Selbst geübte Eurobike-Besucher haben längere Zeit gebraucht, sich in Frankfurt zu orientieren. Gibt es hierzu Ideen oder gar neue Strukturen, wie man zu optimierten Fußwegen gelangt?

Wir erwarten, dass beim zweiten Mal die Orientierung einfacher wird. Viele Aussteller haben ihre Plätze behalten, viele Besucher kommen zum zweiten Mal nach Frankfurt und entsprechend wird vieles vertrauter sein. Aus dem letzten Jahr konnten wir viele Erkenntnisse mitnehmen und für dieses Jahr optimieren. Das geht von der Wegeführung über optimierte Hallenpläne im Messe-Guide bis hin zu den digitalen Anwendungen auf dem Smartphone. Die Gesamt-Ausstellungsfläche der Eurobike 2023 ist gewachsen, nicht jedoch die Entfernungen zwischen den Hallen. Wir belegen dasselbe Areal und sind in Halle 9 nochmals um eine Ebene nach oben gewachsen. Gegenüber der Maximalausdehnung in Friedrichshafen ist die Eurobike bereits um die Hälfte größer geworden.

Eine Neuheit dieses Jahr wird auch der Nationale Radverkehrskongress (NRVK) sein, der nun erstmals an die Eurobike rückt. Wie kam es dazu und was ist von dieser Seite zu erwarten?

Wir haben uns bei Bund und Land um die Verzahnung von NRVK und Eurobike bemüht und freuen uns sehr, dass dies funktioniert hat und eine Win-Win-Situation entsteht. In Friedrichshafen wäre so ein Projekt aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen. Wir erwarten eine große Zahl von NRVK-Teilnehmern und damit eine für uns noch neue Zielgruppe als Besucher auf der Eurobike. Ich bin überzeugt, dass es für die Teilnehmer des NRVK spannend ist, einen Ein- und Überblick in die Fahrrad- und Leicht-Elektromobilitäts-Branche zu bekommen. Es ist die Möglichkeit, den Kreis der Menschen, die sich für Fahrrad, E-Bike und Elektrofahrzeuge interessieren, nochmals deutlich auszuweiten. //

19. Juni 2023 von Daniel Hrkac

Verknüpfte Firmen abonnieren

Fairnamic GmbH
Nur für Abonnenten
News
Nur für Abonnenten
Kommentare
Nur für Abonnenten
Stellenmarkt
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login