Interview mit Alpha Bikes
»Kunden setzen den Fokus auf Service«
Als Sie das Ende des eigenen Specialized-Stores angekündigt haben, um zu Giant zu wechseln, wurde das sogar von Händlern in den USA wahrgenommen. Haben Sie sich vorstellen können, dass ihr Entschluss so große Wellen schlagen würde?
Gerhard Wagner: Wir haben schon damit gerechnet, dass die Nachricht einschlägt, aber dass es bis nach USA schwappt, natürlich nicht. Es ist ja nicht alltäglich, dass ein Premium-Store von Specialized weg wechselt.
Als Sie die Entscheidung getroffen haben, mit dem einen Monomarken-Shop aufzuhören: Warum haben Sie sich danach wieder für eine einzige Marke entschieden, statt eine breitere Aufstellung des Geschäfts zu suchen?
Gerhard Wagner: Das ist ein allgemeiner Herstellertrend, diese Brandstore- oder Flagship-Store-Strategie zu fahren. Das zieht sich durch die komplette Fahrradbranche. Als Monomarken-Store wird man immer bevorzugt, sei es bei Marketing, Lieferzeiten, Kalkulationen, Service-Support, Eventunterstützung und so weiter. Man hat enorme Vorteile und kann sich auf eine Marke konzentrieren.
Wir haben ja keine 2000 Quadratmeter Ladenfläche, aber unser Laden ist groß genug, um von einer Marke alles ausreichend zu präsentieren. Insofern macht es für uns Sinn, mit einer einzigen Marke zu arbeiten.
Sonja Hohenberger: Ein Punkt, der schon in der Zusammenarbeit mit Specialized auffiel, ist dass man sich als Team auf eine Marke konzentriert und sich intensiv mit den Produkten auseinandersetzt. Man kann die Kundinnen und Kunden dann extrem intensiv beraten bei den Einstellungen, bei den Fittings. Da hat das gesamte Team sehr viel Erfahrung. Diese Kompetenz wird von den Alpha-Bikes-Kunden sehr geschätzt. Wir merken das an den Kundenreaktionen und es ist ein wichtiger Punkt, wenn man entscheidet, ob man sich auf eine oder mehrere Marken konzentriert.
Daniel Ciasto: Wir haben mit Specialized viele Jahre Erfahrungen gesammelt und es war über viele Jahre eine erfolgreiche Zeit. Die Vorteile, die wir in dieser Zeit genossen haben, wussten wir zu schätzen. Das ist etwas, was man wieder mit einer neuen Marke erwartet. Aber klar, man begibt sich wieder in eine Abhängigkeit. Es hat alles seine Vor- und Nachteile.
Der Wechsel zu Giant wurde viel beachtet. Für Alpha Bikes steht jetzt erst einmal eine Phase der Veränderung an.
Wo wir über Nachteile reden: In anderen Branchen gibt es häufig die Situation, dass von den Monomarken- oder Franchise-Stores auch höhere Ziele erreicht werden müssen. Gibt es denn in der Fahrradbranche auch mehr Druck, sich regelmäßig erhöhenden Verkaufszielen stellen zu müssen, wenn man sich
an eine einzige Marke bindet?
Gerhard Wagner: Doch. Aber es ist egal, ob man Monomarken-Händler ist oder verschiedene Marken im Sortiment hat. Die Ziele werden immer nach oben geschraubt.
Wie haben die Mitarbeitenden reagiert auf den anstehenden Wechsel? Immerhin haben sie sich viele Jahre mit einer Marke auseinandergesetzt und sicher auch damit identifiziert.
Gerhard Wagner: Man muss unterscheiden zwischen dem Produkt und der wirtschaftlichen Seite. Unser Team hat ja hinter die Kulissen sehen können und das verstanden.
Daniel Ciasto: Das war auch für uns eine spannende Geschichte, zu sehen, wie unser Team auf die Entscheidung reagieren wird. Sie wurde dann aber komplett positiv aufgenommen. Es war im Grunde die gleiche Reaktion wie von Kundenseite. Es gab viel Verständnis und Nachvollziehbarkeit.
Können einen solchen Wechsel die Endverbraucher tatsächlich nachvollziehen? Die wenigsten dürften mit Handelsthemen vertraut sein.
Daniel Ciasto: Es war eine große Herausforderung, das zu kommunizieren. Wir mussten uns ja erklären, angesichts der Tragweite der Entscheidung, darum haben wir auch eine Pressemitteilung veröffentlicht. Die Kunden sollten nachvollziehen können, warum wir uns so entschieden haben. Das war nicht so einfach.
Gerhard Wagner: Der Tenor war am Ende, dass die Kunden ihr Rad nicht online kaufen wollen, sondern Alpha Bikes kaufen wollen. Das kann man schon so sagen und das hat uns gefreut.
Die Räumlichkeiten von Alpha Bikes bieten manche Besonderheit, die den Laden zu einem Unikat machen.
Gilt also nach wie vor die Devise, dass der Händler die wichtigste Marke im Geschäft ist?
Sonja Hohenberger: Dazu hätte ich tatsächlich ein aktuelles Beispiel. Ich schaue mir ja sehr genau die Google-Rezensionen an. Dort haben wir ein Update einer Bewertung bekommen von einem Kunden, der letzte Woche bei uns war. Er zeigte sich begeistert von unserer Schnelligkeit, dem Service, der Kompetenz. Das sind alles Punkte, die für die Community entscheidend sind, um zu uns zu kommen. Bei seinem Termin hat er zwar sein Levo warten lassen, ist aber schon zwei Giant-Bikes Probe gefahren. »Mein nächstes Bike ist wieder ein Bike von Alpha Bikes«, schrieb er da. Er vertraut auf diese Kompetenz, es ging ihm nicht um eine bestimmte Marke. Ich glaube, dass zum Kauferlebnis mehr dazugehört, als auf einen Knopf zu drücken. Das mag bei vielen Produkten funktionieren, bei einem Fahrrad ist es anders. Es geht nicht darum, dass das teuerste auch das beste Rad ist, sondern man braucht jemanden, der einen berät bei der Größe, der Nutzung, beim Fitting. Vielleicht trinkt man noch einen Espresso miteinander und beim dritten Besuch fühlt man sich schon ein bisschen wie bei der Familie. Das macht ja auch Spaß. Dieses Erlebnis kann man nicht ersetzen durch einen Online-Kauf. Sicher gibt es verschiedene Typen an Menschen, aber wir beobachten, dass das ganze Drumherum einfach dazugehört.
Daniel Ciasto: Diese Entwicklung ist für uns sehr spannend. Denn wir müssen schon ehrlich sagen, dass wir mit einem Kundenverlust gerechnet haben. Die Reaktionen auf unseren Wechsel waren aber überraschend positiv. Wir haben nicht damit gerechnet, dass es so positiv angenommen wird und die Kunden so reagieren. Das war im Nachhinein natürlich sehr schön und hat uns bestätigt, dass wir eine Marke sind und als Marke gesehen werden. Die Menschen kommen zu uns, weil sie bei Alpha Bikes kaufen wollen.
Gerhard Wagner: Zum Glück haben wir das nie aufgegeben. Wir haben immer Alpha Bikes als Marke repräsentiert und nicht den Specialized Flagship Store.
»Wir müssen schon ehrlich sagen, dass wir mit einem Kundenverlust gerechnet haben.«
Daniel Ciasto, Alpha Bikes
Daniel Ciasto: Das war auch ein bisschen Bauchgefühl. Es ist ja nicht jeder Laden gleich, es ist schon wichtig, wo man sein Bike kauft. Über die letzten Jahre habe ich festgestellt, dass die Kunden wieder viel stärker den Fokus auf den Service setzen, die Wertschätzung in diesem Punkt ist extrem hoch. Vielen ist das sehr wichtig und sie sind auch bereit, dafür etwas mehr zu bezahlen. Sie haben oft schon online ihre Erfahrungen gemacht. Über die Jahre haben wir viele Online-Kunden gewonnen, weil sie im Problemfall einen negativen Prozess erfahren mussten, mit dem sie im Vorfeld nicht gerechnet haben. Von diesen haben wir dann oft gehört: »Ne, das mach ich nicht mehr. Mir ist bewusst geworden, wie wichtig der Service vor Ort ist«. Dazu kommt, dass man in diesen Corona-Zeiten gemerkt hat, dass die digitale Kommunikation nicht das Wünschenswerteste ist, wenn man mit Menschen kommunizieren will. Vom direkten Zusammentreffen von Menschen, die eine Leidenschaft teilen, profitiert auch weiterhin der Fachhandel. Das ist eine Sache, die so mancher Hersteller vielleicht unterschätzt, weil es ein emotionales Produkt ist.
Positive Bewertungen sind eine feine Sache. Insbesondere gilt das, wenn auch große Veränderungen mit Wohlwollen aufgenommen werden.
Wenn Sie entscheiden, die Hauptmarke zu wechseln, dann zieht das einen riesigen Berg an Aufgaben nach sich. Wo sind die Hauptaufgaben? Wie gehen Sie da vor? Wo stehen Sie dabei gerade?
Gerhard Wagner: Wir werden im Januar 2023 einen kompletten Ladenumbau haben. Wir sperren dann für vier Wochen zu. In dieser Zeit wird komplett entkernt und es gibt einen neuen Ladenbau.
Daniel Ciasto: Da kommt man wieder zu den Vorteilen eines Brand-Stores, nämlich dass die Hersteller auch selbst investieren.
Gerhard Wagner: Es ist auch wichtig, dass wir in den letzten Jahren viel gelernt haben und uns nun neu organisieren können und müssen. Verkaufsprozesse haben sich verändert, die Werkstatt wird komplett neu gebaut.
Sonja Hohenberger: Die aktuelle Situation ist auch ein Motivationskick für das Team. Es stehen viele Schulungen an, man kann neu dazulernen, man kommt mit anderen Prozessen in Berührung. Der Austausch zwischen Giant und dem Team ist intensiv, man lernt neue Personen kennen. Wir werden im Herbst dort einen Besuch machen, das dürfte auch ein Startschuss sein für ein Zusammenwachsen zwischen Alpha Bikes und Giant. Da passiert so viel Positives, für mich ist das ein Beschleuniger.
Wie kann man sich den Prozess vorstellen, als es darum ging, eine neue Marke auszuwählen? Wie ist es, wenn man auf der Suche ist und das im Markt kommuniziert? Wird man da umworben oder ist man Bittsteller, weil es nur eine eingeschränkte Zahl an Herstellern mit dem entsprechenden Sortiment gibt?
Gerhard Wagner: Wir müssen ehrlicherweise zugeben, dass es eher Zufall war, wie wir zu Giant gekommen sind. Ein ehemaliger Mitarbeiter von uns ist jetzt Produkt-Manager bei Giant und hat uns ins Boot geholt. Wir waren gemeinsam essen, haben uns in Erkrath das gesamte Produktportfolio angeschaut und haben gemerkt, dass Giant wirklich Gas gibt. Wenn man sieht, was jetzt alles in der Pipeline ist, dann ist das schon super.
Daniel Ciasto: Das neue Sortiment trifft den Nerv der Zeit.
Gab es eine gewisse Zahl an Marken in der Endauswahl?
Gerhard Wagner: Wir haben uns drei, vier Marken angeschaut, aber wir haben dann gar nicht mehr viel gesucht, weil die Entscheidung relativ schnell feststand.
Daniel Ciasto: Man muss ja auch sehen, welche Markenpower im Hintergrund steht. Um Zukunftssicherheit zu haben, ist es nicht ganz unwichtig, sich an einen Partner zu binden, der eine gewisse Marktgröße und Power hat. Das ist bei Giant natürlich Wahnsinn und ein großer Vorteil.
Jetzt läuft gerade ein Midseason-Sale mit den vorhandenen Produkten. Wie wird der genaue Ablauf beim Wechsel zu Giant aussehen?
Gerhard Wagner: Bis Ende des Jahres soll der Wechsel über die Bühne gehen. Jetzt stehen die ersten Liv- und Giant-Bikes im Store, aber auch noch viel Specialized.
Daniel Ciasto: Wir sind noch in der Planungsphase, was die Ladengestaltung angeht. Zum Jahreswechsel wollen wir dann den Sortimentswechsel abschließen.
Sonja Hohenberger: Das Herz und die DNA von Alpha Bikes wird auch im neuen Giant-Flagship-Store weiterleben. Wir haben etwa eine Bühne, einen kleinen Coffee-Corner, es gibt ein paar Sachen, die nicht austauschbar sind, und das wird fortbestehen. Wie genau? Diese Pläne werden gerade erst gemacht.
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