Interview - Dr. Achim Schmidt
Macht E-Biken fit?
{b}Herr Dr. Schmidt, Sie sind Jahrgang 1969, sportlich und fahren ein E-Bike. Wie passt das zusammen?{/b}
Sie spielen auf die gängigen Vorurteile an. Im Alltag nutze ich mein E-Bike sehr gern. Vor allem auf dem Weg zu meinem Arbeitsplatz an der Kölner Sporthochschule. Mit einem E-Bike kommt man auch bei Gegenwind unverschwitzt an. Trotzdem muss ich natürlich noch ordentlich in die Pedale treten. Der Trainingseffekt ist deshalb nicht zu unterschätzen. In der Freizeit schwinge ich mich gerne aufs Rennrad, aber da habe ich dann auch das komplette Rad-Outfit an und kann danach duschen.
{b}Das heißt, auch beim E-Bike-Fahren tue ich etwas für meine Gesundheit?{/b}
Generell kann man sagen, dass Radfahren eine der gesündesten Freizeitbeschäftigungen und Sportarten ist, die man betreiben kann. Wöchentlich vier bis fünf Stunden entspanntes Radeln genügen völlig für eine solide Grundfitness. Diesen positiven Effekt hat man auch beim Radeln mit dem E-Bike, man fährt nur etwas schneller.
{b}Viele glauben ja, dass eine elektrische Unterstützung nur etwas für Faule, Untrainierte oder Gebrechliche ist.{/b}
Diesen Vorurteilen begegnet man immer wieder und gerade in Sportlerkreisen gibt es zu diesem Thema durchaus kontroverse Diskussionen. Aus sportmedizinischer Sicht kann aber ganz klar gesagt werden, dass E-Bikes und hier Pedelecs im engeren Sinne, bei denen man ja ständig mittreten muss, eine gesunde und auch für ein Workout durchaus effiziente Alternative sind. Sie können dabei helfen, die Belastung konstant im für jedermann gesunden aeroben Bereich bei ausreichender Sauerstoffversorgung zu halten. Für Fitness-Sportler, die durch gezieltes Intervalltraining oder durch höhere Intensitäten ihre Leistung verbessern wollen, gibt es durch den Wechsel der Unterstützungsstufen und die Möglichkeit, bei einigen E-Bikes verschiedene Widerstände durch Rekuperation hinzuzufügen, zudem ganz neue Trainingsmöglichkeiten.
{b}Bleiben wir erst einmal beim Thema Training im aeroben Bereich. Was heißt das genau?{/b}
Der Begriff aerobes Training bedeutet, dass die benötigte Energie durch die Oxidation von Fetten und Kohlenhydraten mit Sauerstoff bereitgestellt wird. Daher der Name. Aerobes Ausdauertraining findet bei ca. 60 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz statt. Die Vorteile: gute Anpassung vom Herz, Gefäß-, Blut- und Atmungssystem, Stärkung des Immunsystems, niedrige Stressbelastung, kurze Regenerationszeit und nicht zu vergessen eine gute Verbrennung von Zucker und Fett. Geht die Belastung höher, kann es bei Risikogruppen zu gesundheitlichen Gefährdungen kommen. Normalerweise wird dann auch psychisch die Komfortzone verlassen. Von Sportlern wird der anaerobe Bereich jedoch gezielt ins Training eingebaut, um die Belastungsgrenzen weiter nach oben zu verschieben.
{b}Wie sehen Sie den Nutzen eines E-Bikes?{/b}
Die elektrische Unterstützung bietet entscheidende Vorteile, denn selbst bei Gegenwind und in hügeligen oder bergigen Gegenden kann man immer im persönlich optimalen Belastungsbereich bleiben. Freunde und Paare mit unterschiedlicher Leistungsstärke können mit dem E-Bike gemeinsam radeln und die Natur genießen. Nicht vergessen sollte man auch, dass Radfahren durch die elektrische Unterstützung nicht nur attraktiver, sondern je nach gesundheitlicher Verfassung und Topographie für viele überhaupt erst möglich wird. Jeder Mensch wird älter und auch für junge Menschen ist der Hausberg nicht immer eine Freude.
{b}Also sind E-Bikes eher etwas für ältere oder wenig trainierte Menschen?{/b}
Keineswegs. Da ich mit dem E-Bike den Grad der Unterstützung jederzeit wählen und bei einigen Modellen sogar einen Widerstand zusteuern kann, lassen sie alle Optionen für ein optimales Training offen.
{b}Das heißt E-Bikes sind auch gute Trainingsgeräte für Sportler?{/b}
Sicher kommt es immer auf das jeweilige Modell an. Aber generell sind E-Bikes auch für Sportler sehr interessant: Das Trainieren mit Partner oder in der Gruppe wird zum Beispiel deutlich einfacher und entspannter. Habe ich einen schlechten Tag, ist das Niveau der Gruppe zu hoch oder der Berg steiler als erwartet, kann ich die zugesteuerte Leistung entsprechend anpassen. Bin ich dagegen in guter Verfassung und möchte im Training einen gezielten Impuls setzen, schalte ich die Unterstützung ab oder lege mit zusätzlichem Widerstand noch einen drauf. Der eben erwähnte Hausberg lässt sich damit nach Belieben verändern und bei Bedarf auch in die flache Landschaft zaubern.
{b}Noch einmal zurück zum gesundheitlichen Nutzen. Was bringt Fahrrad- oder E-Bike-Fahren neben dem Ausdauertraining für die Gesundheit?{/b}
Ein wesentlicher Punkt ist, dass die Gelenke geschützt und zusammen mit den Muskeln nachhaltig aktiviert und gestärkt werden. Nur durch die regelmäßige Bewegung bleiben die Gelenke funktionsfähig; insbesondere bei Aktivitäten, die das Gelenk zyklisch bewegen und keine oder nur geringe Kräfte auf das Gelenk einwirken lassen, also zum Beispiel beim Schwimmen oder eben auch beim Fahren mit dem Rad oder dem E-Bike. Regelmäßiges Radfahren kann so vor Arthrose schützen und ist gleichzeitig eine der gelenkschonendsten Sportarten für Hüfte und Knie. Mit einem E-Bike kann man sich bei Problemen zudem wieder an die eigene Leistungsgrenze herantasten und diese verschieben. Je behutsamer die Gelenke wieder an Belastung gewöhnt werden, desto belastungsfähiger sind sie später.
Auch der Rücken freut sich über regelmäßiges Fahren mit dem Fahrrad, das in Kombination zum Beispiel mit physiotherapeutischer Behandlung oder Rückengymnastik eine optimale Rückenschmerzprävention bietet. Übertreiben sollte man die Belastung allerdings auch hier nicht: Empfehlenswert ist ein langsames Herantasten an größere Entfernungen, die mit einem E-Bike problemlos möglich sind.
{b}Oft ist zu lesen, dass Ausdauersportarten auch vor Depressionen und Burnout schützen sollen. Ist da etwas dran?{/b}
Sport kann in ernsten Fällen auf keinen Fall eine medizinische Therapie ersetzen, er beugt jedoch vor. Untersuchungen zeigen, dass gerade Ausdauersportarten an der frischen Luft entspannend wirken. Nach circa 30 bis 40 Minuten beginnt bei gleichmäßigen Ausdauersportarten die Ausschüttung von Endorphinen, den so genannten Glückshormonen, die dafür verantwortlich sind, dass wir uns ausgeglichener fühlen. Auf dem Weg ins Büro kommt der Kreislauf in Schwung, was sich positiv auf die Laune und die Leistungsfähigkeit auswirken kann. Auf dem Weg nach Hause bietet das Radfahren eine gute Möglichkeit abzuschalten. Mit der bewussten Integration von Sport und Bewegung in den Alltag werden also gute Voraussetzungen geschaffen, um psychischen Überlastungssituationen vorzubeugen.
{b}Was ist Ihr persönliches Fazit in Bezug auf E-Bikes?{/b}
E-Bikes haben für die Gesundheit und Fitness ein enormes Potenzial, sie sind inzwischen gesellschaftlich akzeptiert und für viele schon fast ein Statussymbol. Denn jeder, der ein E-Bike fährt, kann es sich nicht nur leisten, sondern leistet auch selbst etwas. Für sich, für seine Gesundheit und am Ende auch für die Umwelt.
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