Report - E-Bike-Markt
Marktbereinigung oder Zuwachs?
Die Fahrradbranche ist längst nicht mehr unter sich. Immer mehr neue Unternehmen aus anderen Branchen suchen sich einen Platz im Markt. Darunter renommierte Technologieunternehmen, Automobilzulieferer oder Motorenhersteller. Kam man früher beispielsweise noch mit wenigen Namen wie Shimano, Sram und Rohloff beim Thema Antrieb zurecht, so füllen allein die E-Antriebshersteller auf der Messe Eurobike in diesem Jahr fast die komplette Halle A6.
Als Gründe für diese Entwicklung werden immer wieder die Komplexität der Produkte und die steigenden Ansprüche auf Kundenseite genannt, die eine Spezialisierung der Unternehmen oder besser noch, die intensive Zusammenarbeit mit einschlägigen Experten erfordern.
Die Verbreitung des E-Bikes hat den Fahrradmarkt in wenigen Jahren bereits grundlegend verändert. Aber auch außerhalb des Segments Antriebssysteme tut sich einiges: So kann ein Fahrradschloss neuerdings beispielsweise nicht mehr nur ein einfacher Bügel sein, sondern genau wie der Helm ein Hightech-Produkt. Während sich Ersteres per App steuern lässt, z. B. bei den Modellen »I lock it«, »bitlock« oder »U-Lock«, kommuniziert der Helm gleich vollautomatisch mit Kraftfahrzeugen in der Nähe, wie von POC und Volvo vorgestellt. Bei der Systemintegration weiterer Hightech-Lösungen ins Rad, wie zum Beispiel automatische Notrufe bei einem Unfall oder Standortmeldungen bei Diebstahl, mischt inzwischen sogar die Deutsche Telekom mit. Vorreiter-Modelle, bei denen diese Technik zum Tragen kommt, sind neben dem Stromer ST2 S das Bulls Connected Bike mit Brose-Antrieb und das Haibike Sduro eConnect mit Yamaha-Motor.
Start-ups sorgen für hohes Innovationstempo
Aber nicht nur große Unternehmen, wie in der Vergangenheit Bosch, werden vom Trend zum Fahrrad und E-Bike angezogen, sondern auch jede Menge kleine Unternehmen. Bei vielen Start-ups geht es dabei oft gar nicht um eine Marktdurchdringung, sondern darum, ein Produkt, sei es eine App oder Hardware, soweit zu entwickeln, dass Investoren für die nächsten Schritte gefunden werden. Als Option oder Ziel steht oft auch die Beteiligung eines passenden Unternehmens oder der vollständige Verkauf im Raum. Der Vorteil für den Kooperationspartner oder Käufer: Er muss nicht lange selbst entwickeln, sondern kann innovative Produkte im Idealfall mit seinen bestehenden Strukturen und Kompetenzen hervorragend für sich nutzen oder weitervermarkten. Aktuell wird die Entwicklung vor allem durch zwei Faktoren vorangetrieben: Institutionelle und private Investoren suchen angesichts von Niedrigzinsen und Unwägbarkeiten an den Börsen nach guten alternativen Anlagemöglichkeiten. Beim Crowdfunding durch Privatleute spielen dabei durchaus auch idealistische Motive eine Rolle, wofür die Fahrradbranche generell eine gute Projektionsfläche bietet. Ein anderer Faktor ist das rasante Wachstum der Start-up-Infrastruktur. In den Großstädten bildet sich weltweit, zum Teil mit professioneller Unterstützung durch renommierte Unternehmensberatungen, eine lebendige Start-up-Szene heraus. Viele junge und junggebliebene Menschen suchen hier in einer neuen Arbeitswelt nach Selbstverwirklichung, Eigenverantwortung und ständig auch nach neuen Ideen und Geschäftsmodellen.
Erfolg mittels Crowd
{b}Unternehmen oder Produktentwicklungen, die mittels Crowd-Funding finanziert werden, sind auch im Fahrradmarkt keine Seltenheit mehr.{/b}
Knog Oi Bell – schöner klingeln
Der auf LED-Beleuchtung, Fahrradcomputer und Schlösser spezialisierte australische Zubehörhersteller Knog hat mit seinem Kickstarter-Projekt für eine neue formschöne Klingel einen Volltreffer gelandet: Das angesetzte Finanzierungsziel von 20.000 australischen Dollar wurde bereits nach wenigen Tagen erreicht. Am Ende kam ein Betrag von umgerechnet mehr als 680.000 Euro zusammen. Beworben wurde die unter dem Namen »Oi« vorgestellte Klingel mit Bildern und Videos, die nicht nur Interesse auf ein gutes Investment wecken, sondern auch Lust auf ein neues Produkt machen sollen. Nicht nur die Finanzierungs-, sondern auch die Marketingziele dürfte Knog damit mehr als erreicht haben. Die Philosophie des Unternehmens »Leidenschaft, Experimentierfreude, Mut, harte Arbeit, Spontanität und Humor machen ein außergewöhnliches Produkt und eine herausragende Marke aus« scheint zur Crowdfunding-Idee und den Kleinanlegern sehr gut zu passen.
Eurobike Stand B1-302
SmartHalo – multifunktionales Navigationsgerät
Die kanadische Firma CycleLabs hat mit SmartHalo ein Gerät für den Lenker entworfen, das jedes Fahrrad in ein »cooles smartes Bike« verwandeln soll. In Verbindung mit einer App soll es Navigationsgerät, Fitnesstracker und Diebstahlsicherung in einem sein. In Videos wird gezeigt, wie LED-Lichtsignale an der Box, die mittig auf dem Lenker sitzt, die Navigation erleichtert. In kurzweiligen Filmen werden auch die Entwicklungsschritte gezeigt, mit denen sich das Team dem Produktziel annähert, zum Beispiel bei der Entwicklung der Alarmanlage, die über einen Bewegungssensor ausgelöst wird und einen lauten Warnton von sich gibt, sobald das Rad unbefugt bewegt wird. Mit in das SmartHalo-System integriert ist zudem eine Lampe, die 200 Lumen stark sein soll. Ihr auf Kickstarter gesetztes Finanzierungsziel von 500.000 USD haben die Entwickler aus Montreal inzwischen erreicht. Bald soll das smarte Gerät auf den Markt kommen.
Radbonus – Prämien per App fürs Radfahren
Ein App-gestütztes Prämiensystem für Radkilometer bietet das Kölner Start-up Radbonus. Zwar ohne eine Finanzierung durch Kickstarter, dafür mit intensiver Unterstützung aus der Start-up-Szene, die beispielsweise regelmäßig zu Pitches einlädt. Hier stellen junge Unternehmer ihre Produktideen und Business-Pläne Investoren vor, um die nächsten Finanzierungsrunden zu erreichen und wertvollen Input für die weitere Geschäftsentwicklung zu bekommen. Radbonus hat es sich zum Ziel gesetzt, in Kooperation mit Onlineshops, Arbeitgebern und Krankenkassen Radfahrer je nach gefahrenen Kilometern Prämien zu geben. Die App misst dabei die mit dem Rad zurückgelegten Kilometer über die Ortungsdienste und Bewegungssensoren des Smartphones. Spezielle Algorithmen sollen dafür sorgen, dass Schummeln ausgeschlossen wird. Das junge Unternehmen freut sich über weitere Kooperationspartner und Unterstützer – gerne auch aus der Fahrradbranche.
Jetzt aber? Wir sind gespannt auf COBI
Mit großen Erwartungen blickt die Branche aktuell auf das Unternehmen COBI, das es sich zum Ziel gesetzt hat, mit dem Smartphone als neuem Herz des Fahrrads und E-Bikes eine Revolution einzuleiten. Tatsächlich war Cobi auf Kickstarter eines der erfolgreichsten Projekte aus Deutschland und gleichzeitig eines der weltweit erfolgreichsten im Bereich Fahrradzubehör. Mehr als 400.000 US-Dollar kamen 2014 innerhalb von nur 30 Tagen aus 18 Ländern für das System zusammen, das das Smartphone als zentrale Device in den Mittelpunkt rücken und optional mit Tools wie einer starken Lampe und einem Rücklicht mit Bremsleuchte und Blinker (nicht in Deutschland) anbieten will. Der Clou: Eine eigene App soll dabei verschiedenste Funktionen integrieren und auch die Steuerung von E-Bike-Motoren mit übernehmen können. Damit könnten Motorhersteller ihren Kunden mit geringen Entwicklungskosten künftig ganz neue Services bieten. Nachdem es seit dem Pre-Launch zur letzten Eurobike stiller um das Unternehmen wurde, das inzwischen rund 12 Millionen Euro einsammelte, soll es jetzt angeblich richtig losgehen. Laut Unternehmensmeldung wurden kürzlich die ersten Produkte ausgeliefert. Man kann gespannt sein, ob auf der Eurobike tatsächlich Lösungen mit Cobi bei Fahrradherstellern zu sehen sein werden.
Eurobike Stand A2-206B
The LIFT Cargo Bike – Lastenrad-Anbau
Wie wäre es, wenn man sein normales Fahrrad nach Bedarf schnell und preisgünstig zu einem Lastenrad umbauen und es einfach wieder zurückbauen könnte? Mit dieser Frage haben sich die Macher von The LIFT Cargo Bike eingehend beschäftigt und einen Prototypen entwickelt, der mithilfe von Investoren aus der Crowd zur Marktreife gebracht werden soll. Das Finanzierungsziel von 60.000 USD hat das Projekt The LIFT Cargo Bike bereits zwei Wochen vor Ende mehr als erreicht. Für 899 US-Dollar soll der Lastenrad-Anbau, der aus einem soliden Rahmen inklusive Vorderrad mit einer Scheibenbremse und einer Holzbox für den Transport besteht, aus jedem normalen Fahrrad ein tragfähiges Lastenrad machen. »Unser zum Patent angemeldetes System löst gleich mehrere Probleme mit traditionellen Lastenfahrrädern«, versprechen die Macher aus Denver. »Nämlich, dass sie sehr teuer, schwierig sicher abzustellen und nur für einen Zweck ausgelegt sind.«
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