Trends - Bikewear
Mehr als Schwarz
Bikewear ist Bekleidung zum Fahrradfahren. Und doch noch so viel mehr. Die asiatische Leitmesse Taipei Cycle Show will 2020 erstmals einen Schwerpunkt auf Fahrradbekleidung legen. Das US-Marktforschungsunternehmen Analytical Research Cognizance prognostiziert in seinem Cycling Apparel Market Report, dass dieser Marktbereich bis 2025 weltweit ein Volumen von 5,7 Milliarden US-Dollar ausmachen wird – von dem Europa jetzt schon den größten Teil innehat. Bikewear hat Potenzial. Potenzial, sich als Fahrradeinzelhändler über die Hartware hinaus zu profilieren. Denn Bekleidung anfassen und anprobieren zu können ist ein Bonus, den Kunden gerne mitnehmen, wenn das Sortiment entsprechend und ansprechend ausgerichtet ist. Das gelingt jedoch nur, wenn der Händler nicht nur weiß, was zu seinem Laden passt, sondern auch, wohin die aktuellen Trends gehen. Für 2020 zeichnen sich einige Tendenzen ab, die neu sind, sich verstärken oder weiter wichtig bleiben.
Auf dem Sattel und im Bürostuhl
So spielt es für den Endverbraucher eine zunehmend wichtige Rolle, dass Radbekleidung nicht nur auf dem Rad funktioniert. Die Radpendler-Linie von Gonso soll »nicht nur auf dem Rad, sondern auch im Büro bestechen«, wie Marketingmanager Jens-Nico Wiegand sagt und Markus Konrad, Gründer des Kölner Ausdauersport-Labels Ryzon, hat beobachtet, dass »der Sport immer mehr auch mit dem Alltag kompatibel sein soll. Wenn also Jacken aus Merino-Laminat beim Laufen optimal sind, werden sie auch auf dem Weg ins Büro oder in den Supermarkt funktionieren.« Ein Grund für den Anspruch an diese Multifunktionalität dürfte sein, dass das Fahrrad als nachhaltiges Fortbewegungsmittel immer mehr an Bedeutung gewinnt. Laut dem Bericht »Mobilität in Deutschland 2017 (MiD)« des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur werden immerhin im Schnitt rund elf Prozent der Alltagswege mit dem Fahrrad zurückgelegt. Wer sich in den Sattel schwingt, um ins Büro oder zum Einkaufen zu fahren, der will Funktion – aber die soll man nicht sehen. Gonso begegnet diesem Anspruch beispielsweise mit Chinohosen, deren Beinabschlüsse mit Magneten fixierbar sind oder einem Regenmantel mit Ventilationssystem und regulierbarem Armsaum, dessen Name schon seinen Einsatzzweck vorwegnimmt: Job Jacket. Löffler setzt auf cleane Schnitte, dank derer man »seine Lieblingssportteile auch durchaus im Alltag tragen kann«, wie Petra Gumpoltsberger sagt, die beim österreichischen Bekleidungshersteller für Kommunikation und Marketing zuständig ist. Und Ryzon achtet auf eine bewusste Auswahl innovativer Materialien, die im Sport und im Alltag funktionieren.
Motor braucht Komfort
Dass sich immer mehr Menschen aufs Rad setzen, dürfte auch einer bestimmten Velo-Gattung zu verdanken sein: dem E-Bike. Hier ist nach wie vor ein starkes Wachstum zu verzeichnen. Allein in Deutschland wurden laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) im Jahr 2018 rund 980.000 Stück verkauft. Das entspricht einem Plus von 36 Prozent. Da die gefahrenen Wege durchschnittlich länger sind als auf dem unmotorisierten Fahrrad, kommt es dieser Zielgruppe bei der Bikewear auf hohen Komfort an. Einige Hersteller bedienen sie mit speziellen Kollektionen. So gibt es bei Vaude zum Beispiel eine eigenständige Bekleidungslinie für E-Mountainbiker. Andere wie Löffler oder Gonso setzen auf die funktionellen Features der »normalen« Kollektionen, um E-Biker zu überzeugen. »Viele Pedelec-Fahrer sind Neu- oder Wiedereinsteiger, die eine Grundausrüstung und somit auch die passende Radbekleidung benötigen, damit sie Freude am genussvollen Radfahren haben. Das wichtigste Bekleidungsteil für das schmerzfreie Fahren ist mit Sicherheit die Radhose«, erklärt Gonso-Marketingmanager Jens-Nico Wiegand. Der Radbekleidungshersteller mit Sitz im baden-württembergischen Köngen hat deshalb das SITIVO-Radhosenkonzept entwickelt, bei dem unterschiedliche Polsterungen an den sitzpositionsbedingt verschiedenen Druckpunkten das Radfahren schmerzfrei sein und bleiben lassen. Specialized stattet seine RBX ADV Bib Shorts für Gravel Rider, ein weiterer Trend, mit einem speziellen Taschensystem für den Verpflegungstransport aus.Ähnlich große Bedeutung misst SQLab der Radhose bzw. deren Polster bei. Wenn auch die Taufkirchener Ergonomieexperten bei ihren SQ-Shorts auf einen anderen, bewusst reduzierten Ansatz setzen: »Wir haben drei Hosen mit drei unterschiedlichen Polstern. Ganz simpel, übersichtlich und keiner Mode unterworfen«, sagt Geschäftsführer Tobias Hild. Lediglich nach Einsatzzweck und damit Sitzposition unterscheidet SQLab bei den Hosen: Das Rennradpolster ist hart und nur 4 mm dünn. So soll das »Windelgefühl« wegfallen. Das MTB Polster ist 6 mm dünn und immer noch deutlich straffer als herkömmliche Polster. Zusätzlich hat es eine 2 mm dünne Schicht eines speziellen Scherkraftgels, das aus der Orthopädietechnik kommt, und die Scherkräfte aufnimmt, die durch die Tretbewegung auftreten und die Knochenhaut reizen können. Zudem hat die MTB-Short seitliche Hüftprotektoren. Die Radunterziehhose, die sich unter jeder beliebige Hose tragen lässt, ist sehr flexibel, luftig, ebenfalls mit Scherkraftgel ausgestattet und misst 8 mm Höhe. „Am Anfang der Entwicklung hatten wir zunächst ein Konzept mit ganz vielen Varianten für jede Anatomie und Position, erst als wir den nächsten Schritt gegangen sind, konnten wir die Polster wieder ganz simpel halten und dabei nochmal den Komfort verbessern. Nicht zu vergessen, dass es so für den Fachhandel erst wieder vernünftig umsetzbar ist. Das Individualisieren nach Design und Farbe kann interessant sein, wir überlassen das aber anderen«, erklärt Hild.
Gedeckt und nachhaltig
Und für »die anderen« spielt das Thema Farbe durchaus eine Rolle. Der Trend geht hier in Richtung gedeckter Töne und zurückgenommener Designs. Gonsos Bikewear hüllt die Radenthusiasten in sportliche Farben und Farbklassiker, ergänzt um Aqua- und Mint-Töne. Bei Specialized kommen gedämpfte und »Dusty«-Töne zum Einsatz, bei Ryzon gehörte es laut Markus Konrad »zu unserer DNA, ruhige und aufgeräumte Farben zu wählen. Wir werden ohnehin schon in vielen Lebensbereichen von Reizen überflutet. Da tut es gut, dass wir während des Sports abschalten können und ihn mit reduziertem und klarem Design ausüben können. So lenken wir die volle Aufmerksamkeit auf unsere Gefühle und das, was um uns herum passiert.«
Was um uns herum passiert, wird auch im Zusammenhang mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit bedeutsamer für die Endverbraucher und damit für die Anbieter von Bikewear. Gonso freut sich, dass »Händler und Endkonsumenten zum Glück immer bewusster und sensibler mit diesem Thema« umgehen. Entsprechend nehmen die Baden-Württemberger diese Herausforderung in vielfältiger Hinsicht auf. So ist Gonso seit 2011 Mitglied der Fair Wear Foundation, einer unabhängigen Stiftung, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in Textilfabriken einsetzt. Der Hauptteil der eigenen Produktionsstätten befindet sich in der EU und bei der Lieferantenauswahl wird auf kurze Transportwege geachtet. Zudem gibt es einen Reparaturservice, damit kaputte Bekleidung nicht gleich im Müll landet. Auch Ryzon setzt auf diese Aspekte. Zusätzlich hat die Brand mit dem Signature Bike Jersey und der Bike Bib Shorts gerade sein erstes Bikewear-Set herausgebracht, das komplett aus recyceltem Material – in diesem Fall Fischernetzen – besteht. Denn nur, wenn der Nachhaltigkeitsgedanke bei der Bekleidung nicht aufhört, kann das Fahrrad zu einem, bezüglich Produktionsbedingungen und Umweltaspekten, fairen Sportgerät und Fortbewegungsmittel werden.
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