KPIs - Kennzahlen in der Werkstatt - Teil 1
Mehr Erfolg in der Werkstatt
In einem Fahrradgeschäft gibt es zwei große Säulen. Eine davon ist der Verkauf. Dort kann man ziemlich gut erleben, wie sich der Lagerbestand ändert oder die Podeste leer werden. Mal hat man mehr Kundschaft, und der Verkauf läuft, oder eben nicht. Selbst ohne Kennzahlen gelingt es, zu sehen, was gerade passiert. Schnell bekommt man ein Gefühl dafür, wo man vermutlich gerade steht. An dieser Stelle empfehle ich die vorausgegangenen Artikel KPIs im Verkauf. (Ausgaben: 10-2023 bis 03-2024)
In der Werkstatt sieht man dagegen, dass sie seit Jahren einfach immer ausgelastet ist, am Anschlag läuft. Diese Dauergeschäftigkeit kann leicht darüber hinwegtäuschen, dass auch dort Potenziale ungenutzt liegen. Zumeist sieht man, dass die Mechaniker immer und ständig etwas zu tun haben und der Vorlauf zwischen zwei und zwölf Wochen variiert. Das sind bereits zwei Indikatoren, die einen vermuten lassen, das doch alles in Butter ist und man eh nichts machen kann. Dennoch würde ich auch in dieser Situation dazu einladen wollen, auf ein paar handfeste Zahlen, Indikatoren und Quoten zu schauen. Nur dann lässt sich sagen, ob Gefühl, Eindruck und faktische Realität übereinstimmen oder ob man doch Erträge liegen lässt und sich eventuell das Leben schwerer macht als nötig.
Bevor man Kennzahlen interpretieren kann, darf man sie erst einmal kennen. Dann erst kann man feststellen, ob man bessere Hilfsmittel benötigt, bessere Prozesse etablieren muss oder es jemandem gerade nicht gut geht im Betrieb. Eine der grundsätzlichen Zahlen dafür ist die Rentabilität.
Rentabilität in der Werkstatt
Man hört gelegentlich die Einstellung, die Werkstatt bestünde nur als Unterstützung für den Verkauf. Bevor man einen solchen Schluss zieht, sollte man erst einmal Klarheit schaffen, welche Bedeutung sie tatsächlich für den Unternehmenserfolg hat. Es ist die Pflicht des Händlers, zu wissen, ob er 50 Prozent oder mehr seines Gewinns in der Werkstatt erzielt oder doch im Verkauf. Wenn die Gewichtung sichtbar ist und damit auch die Wichtigkeit der Werkstatt, kann man ableiten, ob es schlau ist, diese noch zu erweitern oder man lieber eine Kaffeebar einrichtet.
Hinter der Gering- und Unterschätzung der Werkstatt steckt die jahrzehntelange Annahme in einigen Teilen des Handels, dass man die Werkstattleistungen zwar braucht, sie aber kein Geld einbringen. Doch das ist heute höchstens noch eine selbsterfüllende Prophezeiung. Zunächst braucht es kaum mehr als Steuerberater und/oder Warenwirtschaft, um die Rentabilität der Werkstatt zu ermitteln. Um es klar zu sagen: Wer eine Werkstatt betreibt, sollte dies mit dem Ziel tun, Gewinn zu erzielen. Das ist alternativlos! Es gibt keinen karitativen Auftrag. Selbst wenn sich die Bedeutung des Ladens im Verkauf zukünftig ändern sollte, wird die Werkstatt weiterhin Ertragbringer bleiben können. Die Dinge, die am Rad kaputtgehen, müssen irgendwo repariert werden. Daher ist es zu jeder Zeit wichtig, zu wissen, wo man aktuell bei der Werkstattrentabilität steht.
Eine Herausforderung dabei ist die richtige Zuordnung der einzelnen Leistungen. Sämtliche Rechnungen, die eine erbrachte Arbeitsleistung enthalten, sollten der Werkstatt zugerechnet werden. Das gilt auch dann, wenn die Werkstatt Arbeiten für den Verkauf erledigt. Die wenigsten Betriebe grenzen das voneinander ab. Wenn ein Unternehmen 1000 Räder verkauft und die Werkstatt in diesem Prozess noch »schnell mal« einen Gepäckträger anbaut, den Sattel austauscht oder sonstiges Zubehör montiert, dann wird das in vielen Läden nicht dokumentiert.
Zu einer produktiven Fahrradwerkstatt gehören auch die passenden Prozesse, die dafür sorgen, dass keine Arbeitszeit vergeudet wird.
Allein das Hinlenken auf diesen Aspekt verändert aber bereits die Wahrnehmung: »Irgendwie macht unsere Werkstatt ja auch ganz viel für den Verkauf, wobei wir uns dort nie eine Rechnung schreiben. Wie wollen wir damit umgehen?« Wenn der Mechaniker an einem soeben verkauften Fahrrad noch fünf Anbauteile montiert, diese Arbeitsleistung aber der Kundin nicht berechnet wird, dann verschenkt der Laden durch den Verkauf Mechanikerleistungen. Zumindest intern sollte man das berücksichtigen, da es sonst die Aussagekraft vieler Erfolgszahlen verwässert.
Zudem kann durch das Verschenken beziehungsweise Nichterfassen ein Spannungsfeld entstehen. Zum einen sieht es aus, als würde der Mechaniker umsonst arbeiten. Zumindest kann man ihn in seiner Leistung nicht mehr richtig bemessen und bewerten, er hört quasi auf, gegen Geld zu schrauben und zu arbeiten. Auch ist es zu bedenken, welchen negativen Auswirkung ein großzügiges oder gar leichtfertiges Verschenken von Handwerksleistung hat, wenn wir dieselbe Kundin bald in der eigenen Werkstatt begrüßen werden. Auf der anderen Seite feiert sich womöglich der Verkauf dafür, dass er Erträge generiert hat, obgleich er gerade zwei Stunden Arbeitsleistung der Werkstatt in Anspruch genommen hat. Der Mechaniker hätte in dieser Zeit auch eine Rechnung über 200 Euro Werkstattleistung an den Endverbraucher schreiben können. Stattdessen schreibt er keine oder eine Nullrechnung. Eine interne Berechnung kann hier Abhilfe schaffen. Auf jeden Fall müssen sich Fahrradhändler überlegen, wie sie das Thema behandeln wollen. Eine kluge Abwägung und Regelung von Weiterberechnung und Kundenvorteil bei Neuradkauf bringt hier Klarheit.
»Für den Werkstatterfolg ist der Stundenverrechnungswert eine der wichtigsten Stellschrauben.«
Gunnar Schmidt
Eine Möglichkeit, die Werkstattrentabilität zu steigern, ist die Erhöhung der Stundenverrechnungssätze. Ist die Werkstatt ständig ausgebucht, dann kann man die Arbeitszeit nicht verträglich steigern. Jedoch kann man den Ertrag in dieser Zeit steigern. Das ist auch bekannt als Maximalprinzip, bei dem aus gegebenen und limitierten Ressourcen der maximale Ertrag erwirtschaftet wird. Keine Sorge vor Preisanpassungen! Welcher Kunde und welche Kundin kennt denn tatsächlich die Stundenverrechnungssätze? Was die jährliche Inspektion kostet, werden sich sicherlich einige Kunden merken können. Aber den Stundenverrechnungswert, den kennt keiner. Für den Werkstatterfolg ist er eine der wichtigsten Stellschrauben. Es hat natürlich etwas mit Eigenwert zu tun, wenn man sich erlaubt, den eigenen Wertausgleich zu erhöhen. Welchen Preis seid ihr euch wert?
Produktivität
Die Produktivität bezieht sich auf die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Werkstatt bei der Durchführung von Reparaturen, Wartungsarbeiten und anderen Dienstleistungen. Als solide Orientierung gibt es die Arbeitswerteliste (AW), die der Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk veröffentlicht und aktualisiert. Genau als das sollte sie auch verwendet werden: als Orientierung. Es ist Aufgabe und Pflicht des Händlers, selbst zu wissen, ob die Aufträge im eigenen Haus tatsächlich in dieser Zeit bewältigt werden können, ob man darüber oder darunterliegt. Wenn für die Inspektion 12 AW berechnet werden können, der Mechaniker sie aber in unter einer Stunde erledigen konnte, darf man dies auch anerkennen. Umgekehrt kann man bei der Recherche feststellen, dass die Inspektion in dieser Zeit machbar wäre, wenn man nicht jedes Mal in die zweite Etage laufen müsste, um gewisse Teile zu holen. Aus der Beobachtung der hauseigenen Prozesse lässt sich ableiten, wo man sich selbst das Leben schwer macht. Solche Analysen kann man auch zum Gemeinschaftsprojekt machen. Erreichen wir die empfohlenen Werte aus der AW-Liste? Dies kann rasch per Stoppuhr ermittelt werden. Sind die Arbeitswege optimiert? Ein Schrittzähler sorgt für Daten. Müssen Dinge mehrfach angefasst oder gesucht werden? Hier gibt es viele Punkte, die viel Zeit kosten können und sich auf die Produktivität niederschlagen, ohne dass die Handwerksleistung den Ausschlag gibt. Es geht nicht zwangsläufig um die Frage, wie schnell ein Mechaniker ist, sondern darum, wo die Zeit bleibt. Es geht darum, wie viele der möglichen Stunden pro Arbeitstag tatsächlich auf Rechnungen fakturiert werden. Die effektive verrechenbare Arbeitszeit liegt im Schnitt zwischen 60 und 70 Prozent der Gesamtarbeitszeit eines Mechanikers. Das bedeutet, dass bei einer 8-stündigen Arbeitsschicht eines Mechanikers etwa 4,8 bis 5,6 Stunden effektiv abgerechnet werden können. Eine mögliche Quelle der Zeitverluste ist das »Hab-ich-mal-schnell-mitgemacht«. In Fahrradgeschäften arbeiten oft Mitarbeiter mit einem großen Herz. Der Kunde wollte das Laufrad nicht zentriert bekommen, aber die Speichen können nicht so locker bleiben. Manchmal fehlt auch die Traute zu sagen, dass man noch etwas zusätzlich erledigt hat und dafür Geld verlangt. Auch das sollte man in der Werkstatt im Blick behalten: Wo sind wir zu schüchtern, etwas auf die Rechnung zu schreiben, das wir tatsächlich gemacht haben? Mancher wird nun einwenden, dass das Schutzblech geradebiegen, der Handgriff an der Bremse schnell erledigt sind und nicht auf der Rechnung zu erscheinen brauchen.
Aber die Kunden kommen wieder, wenn ehrliche, verlässliche Absprachen gemacht werden und ich meine Versprechen halte, die ich zu Zeit, Qualität und Preis gemacht habe.
In der Werkstatt wird man für die Erbringung von handwerklichen Leistungen bezahlt. Das ist der Deal.
Ich habe noch keine Bewertung bei Google gesehen, dass sich jemand bedankt hätte, weil die Werkstatt immer so viele Sachen zusätzlich macht und nicht berechnet. Allerdings sieht man häufig, dass sich die Kunden beschweren, wenn die Werkstatt zu viel berechnet, Tätigkeiten nicht abgesprochen und Zusagen nicht eingehalten werden.
Zur leistungsfähigen Werkstatt gehört auch der Blick auf die Aufträge, die bearbeitet werden. Funktioniert die Reparaturannahme? Erledigt man überwiegend Standardaufgaben oder gibt es größere Aufträge? Auch das hat Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit
der Werkstatt.
Ein Werkzeug zur Produktivitätssteigerung ist eine klare und umfangreiche Auftragserstellung bei der Reparaturannahme. Diese erzeugt einen nachfragefreien Werkstattauftrag inklusive preislichem Puffer für die zusätzlichen Handgriffe und Überraschungen. Der Mechaniker kann dann mit dem Werkstattauftrag an die Arbeit gehen und das tun, was er am allerbesten kann: reparieren, warten und einstellen. Kein Zweifeln, Abwägen oder gar Telefonieren. All diese Dinge wirken sich auch auf die dritte KPI aus.
Umsätze pro Monat, Woche und Tag
Bei den Umsätzen der Werkstatt geht es darum, dass man aus dem Blindflug herauskommt. Zu oft hört man Aussagen der Art »die Werkstatt ist immer ganz voll und wir schreiben ganz viele Rechnungen« oder »der Leasingaufwand ist so groß geworden« – und dann sind wir auch schon fertig.
Doch es lohnt sich, noch etwas tiefer zu schauen. Man sollte als Unternehmer und Unternehmerin wissen, in welchen Monaten und Wochen welche Umsätze erzielt werden. Ich empfehle an dieser Stelle auch die grafische Darstellung als Diagramm mit 52 Einheiten. Diese Werte helfen dabei, Annahmen und Gefühle abzugleichen. Zum Beispiel ist es immer wieder spannend, wie die Umsätze in Wochen mit Feiertagen ausfallen. Diese Fakten können beim Gedanken der Fünftagewoche ein interessantes Argument sein. Auch die Planungen von Urlaub und Betriebsferien können gezielter vorgenommen werden. Man sollte dieser Auswertung oder Grafik immer auch die Anwesenheitsliste beilegen.
Ob man sich nach dieser Analyse der Zahlen entscheidet, Maßnahmen zu ergreifen, um die Rentabilität zu erhöhen, oder sich und dem Team etwas Regeneration gönnt, bleibt eine individuelle Entscheidung.
Konkret auf die Werkstattumsätze bezogen darf man sich auch ansehen, welche Art von Aufträgen die Werkstatt überwiegend abarbeitet. Stehen da überwiegend kleinere Aufgaben auf dem Programm oder kommen die Radfahrenden mit größeren Aufträgen? Verkaufe ich 20 Vorspeisenteller am Tag oder sind da auch Vier-Gänge-Menüs dabei? Was wäre, wenn ich schaue, dass in Zukunft größere Fische auf dem Auftragszettel stehen? Meine Empfehlung lautet, sich stichprobenartig die Aufträge und Rechnungen herauszuholen und durchzusehen. Wer viele »nackte« Rechnungen hat, also regelmäßig Inspektionen berechnet, die alle glatte 100 Euro, also Standard kosten, kann sich hinterfragen, ob er vielleicht beginnen sollte, aktiv Empfehlungen bei der Reparaturannahme zu geben.
Wenn man die Umsätze kennt, kann man auch Jahresvergleiche machen und die durchschnittlichen Auftragswerte nebeneinanderlegen. Ist der Auftragswert gestiegen? Warum ist er gestiegen? Wurde der Stundenverrechnungssatz erhöht? Wurden die Teile teurer? Wenn man diese Themen anpackt, kann man schließlich auch heute noch ruhende Potenziale aktivieren.
Es geht bei den KPIs weder in der Werkstatt noch im Verkauf um reine Wahrheit. Es geht darum, Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Unternehmensbereiche zu lenken und Verantwortung für eigenes Handeln und Entscheidungen zu übernehmen. Hat man selbst die Verantwortung über seinen eigenen Laden oder hat diese der Markt übernommen? Nur im ersten Fall ist man in der Lage, auf Veränderungen angemessene Reaktionen zu finden. //
für unsere Abonnenten sichtbar.