Marktbetrachtung Elektrofahrräder – Teil II
Pedelec-Technik hat bereits ansehnlichen Reifegrad erreicht
„Wir müssen uns glücklich schätzen, dass wir mit unseren hochwertigen Partnern kaum Probleme haben“, bis auf vereinzelte Defekte funktioniere die Technik berichtet Fahrradhändler Josef Trübenbacher, der schon seit einigen Jahren sich mit dem Thema Elektrofahrräder beschäftigt. Dennoch hat er auch schon anderes gesehen. Vieles von dem, „was auf dem Markt ist, ist teilweise immer noch eine Katastrophe“, so sein Urteil. Angesichts von Problemen mit Software und Trittfrequenzsensoren, „muss der Kunde nach wie vor Versuchskaninchen spielen.“
Der Großteil der Händler hält die Probleme aber ebenso wie Trübenbacher für überschaubar und weit weg von eher problematischen Produkten der E-Bike-Frühzeit. „Für eine neue Sparte sind die Probleme eigentlich überschaubar und wenige, im motorisierten Zweiradbereich habe ich da schon Schlimmeres gesehen“, berichtet etwa Andreas Joos von Zweirad-Joos, wenngleich es auch einige Händlerkollegen gäbe, die deutlich mehr Ärger mit den Produkten hatten.
Zu einer souveränen Beherrschung der Technik gehören auch gut ausgebildete Händler und Mechaniker, wie JD-Chef Johnson Cho beobachtet: „Der Service ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg von E-Bikes. Viele Händler haben noch zu wenig Erfahrung mit E-Bikes und elektronischen Komponenten. Bei JD legen wir deswegen viel Wert auf den Ausbau unseres Technischen Service Centers. Wir bieten in Zusammenarbeit mit unseren Partnern Händlerschulungen, damit die einfachen Probleme vom Händler souverän beherrscht werden.“
Solche Initiativen helfen dem jungen Segment, das gerade von Billiganbietern beschädigt werden könnte. „Wenn der Preiskampf beginnt, bevor die Technik ausgereift ist, kann man Sorge haben, ob das dem Markt gut tut“, zeigt sich Susanne Puello besorgt. Aktuell gebe es „immer wieder mal ein Problem, aber das hält sich im Rahmen. E-Bikes sind nun mal ein deutlich technischeres, elektronischeres Produkt, es gibt daher Lernprozesse in allen Bereichen.“
Diese Lernkurve könnte aber auch beschleunigt werden durch nachdrängende Anbieter, die ebenfalls von den blendenden Perspektiven angelockt werden.
Neue Systemanbieter beleben den Markt
Viel Beachtung fanden die Ankündigungen von Shimano und Bosch, mit eigenen Pedelec-Systemen den Elektrorad-Bereich bereichern zu wollen (velobiz.de berichtete). Beide wollen bereits für die nächste Saison in diesem Markt ein Wort mitreden. Dazu kommen in etwas weiterer Zukunft noch zahlreiche, sehr namhafte
Anbieter aus der Automobilbranche, die ebenfalls Ambitionen auf eigene E-Bike-Antriebe verkündet haben. Die aktuellen Platzhirsche sehen diese Entwicklung gelassen. „Das zeigt mir, dass der Markt attraktiv ist auch für größere Unternehmen und Konzerne. Wir sehen das positiv, der Wettbewerb lässt uns wach bleiben, das ist unser Credo“, erklärt Mazzeo. „Wenn da gute neue Player in den Markt kommen, die was zu sagen und bieten haben, kann das der Branche insgesamt und dem Teilmarkt E-Bikes nur gut tun. Es ist wie im Fußball: Man schaut sich zwar die Gegner an, muss aber sein eigenes Spiel spielen“.
In das gleiche Horn bläst auch Johnson Cho: „Es war zu erwarten, dass neue Player in einen expandierenden Markt einsteigen wollen. Wir haben unser E-Bike-Programm bereits vor fünf Jahren gestartet, lange bevor die Verkaufszahlen so rasant wuchsen. In diesem Markt gibt es keine Abkürzungen, daher werden wir weiterhin unser Bestes tun, um unser System voranzubringen und die Bedürfnisse unserer Kunden zu befriedigen“.
Und auch bei Derby Cycle begrüßt man die neuen Anbieter: „In dem Markt ist enorm viel Bewegung. Jeder, der neue Impulse setzt, hilft dem Markt und ist auch gut für das Genre Pedelec, da es Kunden an das Thema heranführt“, gibt sich Reus erfreut über das neue Engagement der Systemanbieter.
Der Kundenkreis wächst – sportivere Produkte werden nachgefragt
Gerade bei der Entwicklung neuer Käuferschichten sieht er noch einige Anstrengungen der Branche nötig. „Manche Kunden haben eine psychische Barriere bei diesem Thema“, beobachtet Reus, „vor allem Männer bis 40 Jahre sind noch zurückhaltend. Bei Frauen ist das nicht der Fall.“ Dennoch sieht er in der aktuellen Situation einen deutlichen Fortschritt: „Vorher waren es die bis 50-Jährigen, die noch überzeugt werden mussten.“ Die Grenze verschiebt sich immer weiter nach unten.
Mit der Akzeptanz von E-Bikes bei immer jüngeren Kunden wächst auch die Nachfrage nach sportiveren Modellen, die weit weg vom Reha-Gedanken sind. Dennoch besteht in diesem Teilbereich derzeit eine Unsicherheit, wie sie vor ein bis zwei Jahren noch zum Gesamtmarkt vorherrschte.
„Als E-Bikes vor drei Jahren erstmals besprochen wurden, waren Rennrad und MTB eher außen vor. Gerade dort kann eine Unterstützung aber Sinn machen. Beim Bergfahren kommen Leistungsunterschiede besonders zum Tragen. Mit Antrieb kann das Genussradeln erhalten bleiben. Es ist nicht ein so großer Markt wie das urbane Radeln oder im Trekkingbereich, aber es ist ein Markt.“ Solcher Optimismus wie bei Derby-Marketingleiter Reus ist durchaus verbreitet.
„Wir waren wahrscheinlich die ersten, die eine sportive Linie angeboten haben“, sagt Mazzeo und sieht dabei beachtliche Perspektiven für E-Mountainbikes und Konsorten. „Im Moment spielt sich dieser Bereich sicher noch im Schatten der urbanen Mobilität ab, aber man darf das nicht unterschätzen. Man sieht auch an den Wettbewerbern, dass viel Potential da ist, auch wenn es sich noch nicht kurzfristig zeigen wird.“
Während die einen noch bezweifeln, ob der sportlich orientierte Mountainbiker eine Elektrounterstützung überhaupt will, beobachtet so mancher Händler in kleinem Rahmen ein großes Interesse von Seiten der Spaßbiker, für die das Bergauffahren kein Selbstzweck ist. „Überrascht hat mich ein E-MTB von KTM“, erzählt beispielsweise Andreas Joos von Zweirad-Joos in Radolfzell. „Wir haben von diesem Modell ein paar Stück verkauft, obwohl wir keins im Laden gehabt haben,
ondern immer auf Kundenbestellungen reagierten.“
Auch sein Händlerkollege Trübenbacher sieht Chancen, aber auch Gefahren: „Es ist ein interessanter Bereich, für den es viele Interessenten gibt. Für ambitionierte Nutzer sind die Systeme noch zu klobig und schwer, ein zusätzliches Gewicht von 8 bis 9 kg ist nicht so toll. Für die 50- bis 60-Jährigen ist das aber eine klasse Sache“. Seine Sorge sind die Fahrer, die dem rasanten Fahrstil zugeneigt sind: „Das Problem sind die Freerider und Downhiller, die nun Berge erklimmen können, wo sie eigentlich nicht hingehören. Das könnte die ohnehin bestehenden Probleme mit Wanderern und Förstern verschärfen.“
„Ob dieses Segment seinen Markt findet, wird sich in den nächsten 24 Monaten zeigen“, zeigt sich Puello noch nicht ganz überzeugt von den Aussichten von E-MTBs. „In diesem Bereich kommt es maßgeblich auf die gesamte Leistung des Bikes an, und damit ist nicht nur das eingesetzte E-System gemeint, sondern auch die sonstige Technik, die das Fahrverhalten bestimmt“. Hier werde also viel davon abhängen, welche Produkte die Hersteller vorbringen können.
Auf jeden Fall werde sich der E-Bike-Markt diversifiziert entwickeln, darauf sei das eigene Sortiment ausgerichtet: „ Wir unterscheiden zwischen Komfort-, Family-, urbanem und sportivem Bereich.“ Damit soll der aktuelle Markt komplett abgedeckt werden. Dazu kommt die komplette Verjüngung des Sortiments, die sich in einem „futuristischen Design in den verschiedenen Segmenten“ äußert.
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