Handel - Onboarding
Personal optimal einarbeiten
Der Boom in der Fahrradbranche hat die bereits bestehenden Personalnöte zumeist noch weiter verschärft. Immerhin waren viele Betriebe in der Lage, neues Personal anzuwerben, das durch die Umwälzungen der Corona-Krise andernorts freigesetzt wurde. Hat man diese neuen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einmal gewonnen, ist die Arbeit nicht getan. Eher im Gegenteil steht nun die Hauptaufgabe an, dieses Personal nun zu produktiven, qualifizierten Kolleginnen und Kollegen zu formen. Das dauert in der Regel nochmals deutlich länger als der eigentliche Rekrutierungsprozess. Weder will man die neuen Mitarbeiter überfordern mit der Fülle an Informationen, die es im Fahrradbereich gibt, noch will man Kolleginnen unvorbereitet ins kalte Wasser werfen, die sich so vielleicht vernachlässigt fühlen. Ein guter Start im neuen Job ist für alle Beteiligten ein wichtiges Ziel, aber auch eine Herausforderung. Dieser Start, neudeutsch heute gerne »Onboarding« genannt, kann gezielt gesteuert und gestaltet werden, um möglichst sicher langfristige Arbeitsverhältnisse zu schaffen.
Auch bei Radsport Reyhle in Dornstadt Nahe Ulm rannten die Kunden in den vergangenen zwei Jahren sprichwörtlich die Türen ein. Geschäftsführer Marco Reyhle und sein Team kamen trotz Mehrarbeit und Überstunden schnell an ihre Kapazitätsgrenzen und benötigten dringend neue Mitarbeiter. Wie überall sonst waren das Recruiting und Onboarding mit Herausforderungen verbunden. Wie überall sonst sind Fachkräfte wie beispielsweise ausgebildete Zweiradmechaniker rar. So musste Marco Reyhle auf Quereinsteiger zurückgreifen. Das wiederum bedeutete eine längere und intensivere Einarbeitungszeit, die auch das bereits eingearbeitete Personal beanspruchte. Statt Arbeitserleichterung entsteht zunächst und für längere Zeit Mehraufwand.
Eine Lösung für diese Situation fand Reyhle in dem digitalen Aus- und Weiterbildungssystem eLearningPlus des Ulmer Start-ups digi professionals. Bei diesem System wurden zunächst alle wichtigen Arbeitsabläufe sowie das Wissen der erfahrenen Fachkräfte gesammelt. Im zweiten Schritt wurde dieses Wissen in Lernvideos erfasst, die nach pädagogischen und didaktischen Gesichtspunkten aufbereitet und mit Gaming-Elementen versehen sind.
Interaktive Lernvideos und Schulungen sparen Zeit
Durch die interaktiven Lernvideos können sich die Mitarbeiter nun das nötige Fach- und Praxiswissen selbst aneignen und so im Unternehmen schneller tätig werden.
Diesen Aufwand der Wissensvermittlung muss der Betrieb damit nur noch ein Mal leisten. Danach können die Schulungsinhalte wieder und wieder abgerufen werden.
Im Ergebnis kann Radsport Reyhle nun Quereinsteiger quasi automatisiert ausbilden. Im Prinzip geht das schon vor dem ersten Arbeitstag. Dabei wird vorhandenes Wissen exakt weitergegeben. Gleichzeitig bleibt die Arbeitskraft der bereits eingearbeiteten Kräfte für deren Kernaufgaben erhalten und wird nicht für die Einarbeitung neuer Kolleginnen und Kollegen benötigt. Eine derart klar strukturierte Einarbeitung bewirkt eine hohe Servicequalität und feste Standards im Betrieb und verhindert im Zweifel auch Missverständnisse.
In der Folge zahlt gut ausgebildetes und geschultes Personal auf den Unternehmenserfolg ein. Bei Radsport Reyhle lassen sich diese Erfolge auch an den zufriedenen Kundinnen und Kunden mit ihren sehr guten Bewertungen im Netz ablesen. Stand heute hat Radpsort Reyhle 468 Google-Bewertungen und einen Score von 4,8 Sterne. Diese Bewertungen sorgen für Vertrauen bei potenziellen Neukunden, die heute sehr oft hoch bewertete Unternehmen bevorzugen. Im Interview erklärt Marco Reyhle, welche Erfahrungen er mit der Einarbeitung neuer Mitarbeiter bisher gemacht
hat.
Interview mit Marco Reyhle, Radsport Reyhle
Die Einarbeitung von neuem Personal zu vereinfachen, war das Ziel von Marco Reyhle, der im Ergebnis nun besseren Service und zufriedene Kundschaft beobachtet.
Warum ist ein angemessenes Onboarding für neue Angestellte so wichtig?
Reyhle: Das A und O ist, dass die Mitarbeiter kompetent sind, weil wir die Kunden top beraten möchten, damit sie mit ihrem Rad zu 100 Prozent zufrieden sind. Letzten Endes ist uns wichtig, dass ein Kunde wiederkommt. Und das tut er nur, wenn er sich gut beraten und betreut fühlt.
Worin liegt die Herausforderung beim Einarbeiten neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Es gibt kaum »schlüsselfertige« Mitarbeiter. Der Grund ist das extreme Wachstum der Branche, weshalb wir nicht umhin kommen, Quereinsteiger auszubilden. Diese haben aber oft nur wenig Berührungspunkte mit der Radbranche, auch bei ähnlichen vorherigen Tätigkeiten. Darum benötigt die Einarbeitung sehr viel Zeit, die aber eigentlich nicht vorhanden ist, weil im Geschäft meistens sehr viel los ist, da die Nachfrage derzeit einfach sehr groß ist.
Das Ziel ist daher, neue Mitarbeiter schnell fit zu bekommen, damit sie schon nach kurzer Zeit effizient arbeiten, produktiv werden und Erfolgserlebnisse haben. So kommt keine Frustration auf und sie bleiben motiviert.
In welchem Bereich haben Quereinsteiger die größten Probleme?
Wir arbeiten letzten Endes in zwei Bereichen mit Quereinsteigern: Im Verkauf ist das Problem, dass die Mitarbeiter ein sehr breites Wissen beherrschen müssen. Die Radbranche ist sehr viel »breiter« aufgestellt als andere Branchen im Einzelhandel. Es gibt viel mehr zu lernen und zu wissen. Wir haben 40 Marken mit 20 verschiedenen Fahrradkategorien von Kids bis E-Bike. Hinzu kommt Zubehör mit nochmals Hunderten an Produkten. Es gibt 200 verschiedene Schaltgruppen sowie zehn Motorhersteller mit je ca. drei verschiedene Motoren, Displays et cetera, und bei allen muss man die entsprechende Kompatibilität zueinander beachten.
Bei den Mechanikern gibt es viele Tätigkeiten, bei denen wirklich Feinmotorik gefragt ist. Es gibt eben doch viele Unterschiede zu den großen Teilen am Auto. Besonders wenn es darum geht, Schaltungen korrekt einzustellen oder auch Laufräder zu zentrieren, tun sich viele schwer.
Ab welcher Unternehmensgröße lohnt es sich, sich über dieses Thema Gedanken zu machen?
Es hat weniger mit der Unternehmensgröße zu tun, sondern eher mit den Zukunftsplänen.
Wer wachsen will, muss permanent Mitarbeiter ausbilden und sich dabei zwangsläufig sehr oft wiederholen. Das ist zum einen zäh und als Inhaber hat man eigentlich andere Aufgaben.
Ein effizientes Ausbilden der Mitarbeiter ist einfach ein großer Aufwand, der mit sehr viel Zeit verbunden ist und idealerweise genauen Strukturen und Standards folgt. In der Praxis ist aber nicht jeder Tag gleich, manchmal kommt etwas dazwischen, dann lässt man beim Einarbeiten etwas weg. Aber gerade dieses Detail hätte der Mitarbeiter dann vielleicht in einem Verkaufsgespräch gebraucht. Das Ergebnis sind dann Mitarbeiter mit unvollständigem Wissen, die den Kunden nicht optimal beraten können. Das kann zu weniger Verkäufen und vielleicht sogar zu unzufriedenen Kunden führen, die dann wiederum eine schlechte Bewertung im Netz hinterlassen.
Wie lange dauert es jetzt, bis neue Mitarbeiter vollwertig mitarbeiten können? Wie war es zuvor?
Das hängt natürlich auch von den beiden Fragen ab: Wie schnell lernt jemand? Und wie lernfähig ist jemand grundsätzlich? Im Verkauf haben wir bisher immer ein halbes Jahr ge-braucht. Das geht jetzt schon deutlich schneller. Die Zeit, die ich selbst in einen neuen Mitarbeiter investieren muss, liegt jetzt ungefähr noch bei zehn Prozent im Vergleich zu vorher. Sowohl der Aufwand als auch damit die Kosten haben sich also um den Faktor 10 reduziert. Das hätte ich so nie gedacht, aber das ist natürlich genial. Die Mitarbeiter schauen sich die Videos an, füllen die Workbooks aus und dann können wir sie eigentlich schon auf die Kunden loslassen.
Im Werkstatt-Bereich bei den Mechanikern ist es ähnlich. Da haben wir für Quereinsteiger immer drei bis vier Monate gebraucht. Da sind wir jetzt bei 25Prozent, also Faktor 4, weil hier doch noch mehr praktische Übung nötig ist, bis ein neuer Mitarbeiter auf einem effizienten Niveau ist.
Welche Möglichkeiten haben Sie in Betracht gezogen, um diesen Prozess der Einarbeitung zu optimieren? Was hat funktioniert, was nicht?
Wir haben zum Beispiel Meetings abgehalten – oft nach Ladenschluss. Das war nicht ideal, denn wer schon acht Stunden gearbeitet hat, will auch mal nach Hause zur Familie. Dann haben wir auch einen eigenen Versuch mit einem Handbuch gestartet, das aber letztlich nicht gelesen wurde. Und natürlich haben wir auch probiert, erfahrene Mitarbeiter zur Einarbeitung einzusetzen. Das hat zwar meine zeitliche Belastung verringert, aber letztlich wird das Problem so nur verlagert und es stehen wichtige Mitarbeiter weniger für ihre Kernaufgaben zur Verfügung.
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