Technik - Displays
Raus aus der Vergleichbarkeit
Eigentlich gehört heute zu jedem Antriebssystem auch die passende Displayeinheit. Die verschiedenen Hersteller bieten hierfür mitunter sogar eine Auswahl an Lösungen an. Trotzdem ist man als Fahrradproduzent mit diesen Angeboten stets vergleichbar mit dem Wettbewerb. Wer raus will aus der Vergleichbarkeit und sogar ein Plus an Funktionalität will, kann heute auf maßgeschneiderte Produkte zurückgreifen. Das ist mit einem gewissen Aufwand verbunden, den aber immer mehr Hersteller zu leisten bereit sind. Unterstützung liefern spezialisierte Unternehmen, wie etwa DMB-Technics.
Der Ablauf bei der Entwicklung eines eigenen Displays für E-Bikes kann vielfältig und mitunter sehr anspruchsvoll sein. In der Regel wird ein Pflichtenheft erstellt mit den Anforderungen, die der Auftraggeber an das Display stellt. Darin werden Erwartungen festgehalten wie etwa die Fähigkeit zur Darstellung von Farben, die benötigte Auflösung und die Leistungsdaten des Displays.
Mit dem Pflichtenheft in der Hand wird bei DMB Technics in der Schweiz das Team zusammengetrommelt, das sich die Machbarkeit eines definierten Produkts anschaut. Das Schweizer Unternehmen hat eine gewisse Sonderstellung in der Fahrradbranche, gehört es doch zu den zahlreicher werdenden Zulieferern, die in aller Regel unter dem Radar bleiben und bei den Endverbrauchern kaum je in Erscheinung treten. Umso wichtiger sind sie für die Industrie, übernehmen sie doch eine überaus komplexe Aufgabe in der Produktentwicklung.
»Wir versuchen den Kunden aufzuzeigen, wie so ein Display aussehen könnte«, erklärt DMB-Technics-Geschäftsführer Dieter Heimgartner. »Das ist unsere Aufgabe und da steckt unser Know-how drin: dass wir den Kunden schon sehr genau zeigen können, wie so ein Display aussieht.«
Vom Puristen bis zum Alleskönner
Bevor ein Hersteller überhaupt an ein Unternehmen wie DMB-Technics herantritt, hat er zu entscheiden, welche Ziele und Ansprüche am E-Bike verfolgt werden. Immerhin reicht die Bandbreite der Lösungen von wenigen LEDs, die ganz schlicht Ladestand und Unterstützungsmodus anzeigen, bis hin zu multifunktionalen Anzeigen, die von Systemdaten bis zur Navigation alle denkbaren Funktionalitäten abbilden. »Der Hersteller muss sich darüber klarwerden, was das Display können muss. Die Grundfrage lautet, wie das Display kommunizieren muss. Ist es nur für das Fahrrad selbst gemacht oder muss es auch noch mit der ganzen Umwelt kommunizieren können? Da entscheidet sich, in welche Schiene der Hersteller geht.« Wenn es nur um Basic-Funktionalitäten gehe, reichten auch einfache Lösungen. »Wenn er aber entscheidet, ich möchte ein Display haben, das kommunizieren kann, dann kommt er da in eine andere Klasse hinein«, erklärt Heimgartner. »Das ist der Schlüssel.« Ein Display, das etwa zur Navigation dient und das Herunterladen von Routen erlaubt, benötige dann eine ganz andere Bedienbarkeit als eine einfache Statusanzeige.
Einmal entschieden lassen sich solche Entscheidungen nicht mehr leicht zurücknehmen.
Die Entwicklung eines eigenen Displays, das sich von der Masse abhebt, finden viele Hersteller reizvoll. Entsprechend wird ein solches Projekt inzwischen häufiger umgesetzt.
Bei den verschiedenen Lösungsansätzen sieht Heimgartner noch keine klare Präferenz im Markt. »Es gibt ein Nebeneinander der Lösungen«, beobachtet er bisher. Der eine Kunde will keine Spielereien, während der City-Bike-User vielleicht eine Navigation wünscht, was ein ganz anderes Display benötigt. »Was zusätzliche, ganz neue Anforderungen an das Display stellt, sind Verleihangebote«, sieht der DMB-Technics-Frontmann. »Dann kommen nochmals andere Aspekte dazu, wie etwa das Scannen von QR-Codes.« Alle drei Lösungsansätze hätten ihre Berechtigung, von der Minimallösung bis zum Smartphone-Ersatz beziehungsweise die umfangreiche Kommunikation mit demselben. Die nötige Interaktion mit dem Nutzer oder der Nutzerin erfordert dann mehr Fähigkeiten des Displays.
Zur Displayentwicklung gehört auch der Umgang mit vorhandenen BUS-Systemen am Rad. So werden spezielle Treiber bei Bedarf ebenfalls entwickelt. »Was wir nicht machen, ist die eigentliche Anwender-Software«, erklärt Heimgartner. Funktionalitäten, die darunter liegen, gehören allerdings sehr wohl zum Leistungsumfang, wie etwa eine gewünschte Bluetooth-Konnektivität. »Wir nennen das Smart-Embedded«, erklärt Heimgartner den Ansatz. »Es gibt standardisierte Module, die optional zugekauft werden können, wie etwa GPS oder eben Bluetooth. In ›Smart-Embedded‹ setzt man diese dann zusammen.«
Trend zu fest integrierten Displays
Wenn ein Hersteller die Idee verfolgt, sich von der Masse abzuheben, lässt er sich natürlich auf einen Mehraufwand ein, der entsprechend viel Zeit und Geld kostet. Eine anspruchsvollere Lösung, beispielsweise mit Farbdisplay und kapazitivem Touch-Display, bedeutet eine Vorlaufzeit von sechs Monaten, bis ein Prototyp auf dem Tisch liegt. Binnen Jahresfrist ließe sich der Prozess von der Entwicklung bis zum fertigen Produkt abschließen.
»Ich sehe eine kleine Tendenz, dass immer mehr das Display fest im Rahmen verbauen wollen. Es hat etwas mit Stabilität und Zuverlässigkeit zu tun. Es gibt keine Kabel, es kann nichts abreißen, es ist geschützt, es kann weniger zerkratzen, es ist einfach von der Zuverlässigkeit besser, wenn es fix verbaut ist.« Auch das Gehäuse und benötigtes Montagematerial kann das Unternehmen liefern. Kabelbaum, mechanische Teile und das Steckersystem sind allerdings wieder eine Baustelle des Systemanbieters.
»Die Unternehmen wollen heute ein Alleinstellungsmerkmal«
Dieter Heimgartner, DMB-Technics
Bei einer umfangreichen Wunschliste entstehen natürlich auch Kosten. »Es gibt einen Vorteil in unserer Branche: Für meinen Entwicklungsaufwand muss der Kunde nichts bezahlen«, erklärt Heimgartner. Das sei eine Eigenheit der Elektronikbranche, die entstehenden Vorkosten werden dann auf die Serie umgelegt. Die Werkzeugkosten muss aber tatsächlich der Hersteller tragen. Diese fallen je nach Produktausführung sehr unterschiedlich aus. »Wenn Sie ein simples Display haben, das nur über Geschwindigkeits- und Statusanzeige sowie Unterstützungsstatus verfügt, dann reden wir über etwa 10.000 Euro. Wenn Sie aber eine komplette Bedieneinheit mit Smart-Embedded-Funktionalität wünschen, dann reden wir über etwa 400.000 Euro. Die Spanne kann riesig sein.«
Das mag erstaunen, »aber die Unternehmen wollen heute ein Alleinstellungsmerkmal haben«, das sich dann idealerweise über Stückzahlen die Kosten wieder einfährt, heißt es bei DMB-Technics. So werde eine solche aufwendige Eigenentwicklung üblicherweise an mehreren Modellen eingesetzt. Zugleich sei in der Industrie die Preistransparenz sehr hoch. »Sie zahlen keinen Apple-Aufpreis«, stellt Heimgartner trocken fest. »Bei 400.000 Euro machen Sie Ihr Display, Ihre mechanische Größe, Ihre Optik, Ihr Erscheinungsbild. Das ist alles voll kundenspezifisch. Dazu kommt, dass es der Mitbewerber dann nicht einfach kaufen kann«, nennt Heimgartner weitere Vorzüge.
Er sieht, dass hier inzwischen höhere Investitionen erfolgen, als noch vor zwei bis drei Jahren, als alle zu den Standardlösungen gegriffen hätten und möglichst günstig anbieten wollten.
Kernkompetenz Ablesbarkeit
Dass individualisierte Lösungen nicht nur »anders«, sondern auch »besser« sein können, zeigt die eingesetzte Technik. Ein Display, an dem die Nutzerinnen und Nutzer Vergnügen haben und es auch bei jedem Licht ablesen können, sei ein solcher Pluspunkt. Ein aktueller Trend in dieser Richtung sind transflektive Displays. Dabei wird das einfallende Sonnenlicht selbst zur besseren Ablesbarkeit genutzt. »Das Wichtigste am Display ist der Kontrast«, weiß Heimgartner. »Man geht heute davon aus, dass ein gutes Display einen Kontrast von 400:1 haben muss, und das ist das, was man in der Praxis heute findet. Jetzt muss man aber unterscheiden, ob man den Kontrast in einer geschützten Umgebung ohne Fremdlicht misst oder in der Sonne. Und das ist das Problem in der E-Mobility. Der Kontrast von 400:1 nützt nichts, wenn die Sonne direkt draufscheint«, erklärt Heimgartner. Dann gäbe es so viel Licht, dass auch hohe Kontrastwerte nicht mehr ausreichen. Die Lösung für dieses Problem sind transflektive Displays. Im Unterschied zu transmissiven Displays, die heute im Alltag etwa bei Smartphones üblich sind, wo das Displays von sich aus leuchtet und nur mit diesem Licht gearbeitet wird, nutzen transflektive Displays auch das Umgebungslicht. Bei ihnen leuchtet das Display auch selbst, aber es hat auch reflektive Eigenschaften. »Das ist der Schlüssel für gute Displays«, erklärt Heimgartner. »Das ist etwas, das seit etwa vier Jahren technologisch machbar ist«, obwohl eine ähnliche Technik schon viel früher im Consumer-Bereich genutzt wurde. Wer ein solches Display einsetzt, kann auch im prallen Sonnenlicht noch das Display ablesen. Seltsamerweise scheinen die Hersteller, die solche Displays verbauen, dieses Feature eher beiläufig zu erwähnen. Dabei haben sie sonst nicht allzu viele Technik-Vorzüge, mit denen sie sich von einem aktuellen Smartphone derart abheben können.
Den Wettbewerb zu den Standard-Ausrüstern fürchtet Heimgartner nicht. »Wo werden die großen Stückzahlen verbaut? In Tablets, Smartphones, Laptops und Bildschirmen. Alle diese Applikationen benötigen keine transflektiven Displays. Warum sollten sie also solche Displays forcieren? Der Absatzmarkt ist viel zu klein für sie.«
So bleiben die spezialisierten Lösungen eine Spielwiese für Experten in der Nische. »Der Wunsch nach diesen Displays ist vorhanden. Doch ob Fahrradhersteller willens sein werden, in diese Produkte zu investieren, wird sich erst zeigen. Ich sehe einen positiven Trend, eben wegen des Alleinstellungsmerkmals.«
Die Situation im Markt sehe so aus, dass es eine Handvoll Hersteller gäbe, die mit ihren Rädern auf Augenhöhe stehen. Eine bessere, attraktivere Displaylösung könnte das Detail sein, von dem sich der eine Kunde oder die andere Kundin überzeugen lassen. »Andere Sachen sind heute sicher noch wichtiger, aber ich kann mir vorstellen, dass die Bedeutung des Displays weiter zunimmt«, zeigt sich Heimgartner zuversichtlich.
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