Nachgehakt - die Meldung hinter der Meldung
Sanierungsverfahren für Simplon wirft weite Schatten
Simplon war bereits seit Längerem in wirtschaftlich schwierigen Fahrwassern unterwegs, was nicht zuletzt die Personalveränderungen auf oberster Ebene gut dokumentieren. Nachdem das Geschäftsführer-Duo Vollbach/Zenker im Februar 2023 gehen musste, folgte ihnen Stephan Wabnegger, der aber seinerseits auch nur wenige Monate CEO blieb und nachträglich zur Interims-Lösung erklärt wurde für den im Juni 2023 antretenden Jakob Luksch. Der ehemalige Stromer-CEO habe seitdem einen Sanierungskurs gefahren, mit dem Simplon gleichzeitig wieder an alte Größe anknüpfen sollte. Das wäre eventuell auch von Erfolg gekrönt gewesen, wenn nicht das Jahr 2024 für die Österreicher genau die gleichen Nackenschläge bereitgehalten hätte wie für viele andere Unternehmen.
Genannt werden Orderzurückhaltung und negative Umsatzentwicklung als Hauptfaktoren, die zum »Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung« geführt haben, das österreichische Pendant zum deutschen »Schutzschirmverfahren«. Um rund 30 Prozent seien die Umsätze in diesem Jahr gesunken, heißt es in einer Unternehmensmitteilung. Zu viel, um es in dieser ohnehin angespannten Situation zu verkraften. Es handle sich dabei nicht um ein Insolvenzverfahren; als Sanierungsverfahren stelle es damit auch keinen Grund für eine Sonderkündigung dar. Vorrangiger Sinn des Verfahrens ist ein Schuldenschnitt. Dieser entlastet Simplon in wesentlichen Bereichen und macht nicht zuletzt im Anschluss die Braut sehr viel attraktiver für potenzielle Investoren.
Bislang hält die Hannover Finanz 55 Prozent der Anteile und damit die Mehrheit. Im velobiz.de-Magazin-Interview mit Wabnegger im April 2023 hieß es noch, die Investoren seien bereits fünf Jahre dabei und hätten ein Commitment abgegeben, noch viel länger dabei zu bleiben. Das scheint inzwischen hinfällig zu sein. Wie es heißt, will die Hannover Finanz, sobald neue Investoren gefunden sind, ihr Engagement in Vorarlberg beenden und aus der Gesellschafterstruktur ausscheiden. Die Gespräche mit potenziellen neuen Eigentümern laufen offenbar schon seit längerer Zeit. Aktuell sind 155 Mitarbeitende bei Simplon beschäftigt.
Schwierige Aussichten für die Branche
So schwierig die Lage für Simplon aktuell sein mag, wirft sie auch ein Schlaglicht auf die aktuelle Branchensituation. Dass in diesem Herbst und Winter die Fahrradwirtschaft nochmals auf ihre Leidensfähigkeit geprüft wird, steht für viele außer Frage. Simplon ist nun das erste Glied in der Kette, das sich neu finden muss. Es steht zu befürchten, dass es nicht dabei bleibt. Gründe für diese Annahme gibt es einige: Wie von verschiedenen Seiten zu hören ist, haben einige Hersteller bislang miserable Vororderrunden in den Büchern stehen, darunter auch sehr bekannte Markennamen. Wo lange Zeit erwartet wurde, dass die Warenüberbestände sich im Jahr 2024 allmählich auflösen würden, stellt sich nun heraus, dass die Warenwelle noch längst nicht abgeflaut ist.
Fast untergegangen ist in diesem Zusammenhang, dass im zweiten Quartal 2024 die asiatischen Lieferanten bemerkenswert viele E-Bikes nach Europa ausgeliefert haben. Die über 222.000 Elektroräder sind auf dem Niveau von 2019, aber ohne den Bedarf von damals. Rabattaktionen der Hersteller für vorhandene Lagerware sorgen ebenfalls für wenig Anreiz im Handel, allzu viele neue Modelle vorzuordern, zumal er selbst seine Liquidität im Blick behalten muss. Nun blickt die wetterabhängige Branche auf die umsatzschwächere Herbst- und Winterzeit. Wer diese Phase durchsteht, darf dann allerdings von sich behaupten, ausgesprochen krisenfest zu sein.
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