Portrait - Rasoulution
Schnittstelle zum Spektakel
Als das Videotelefonat mit Tarek Rasouli beginnt, kommt einiges zusammen. Der 45-Jährige wechselt in eine hydraulische Bürostuhl-Tisch-Kombi, um das Interview im Stehen zu führen. Als der Tisch in Position rückt, lenkt die Webcam den Blick auf einen Mountainbikerahmen an der Wand. Der Journalist fragt nach, der Gastgeber dreht sich ein bisschen, dann knallt es. Eine Getränkedose ist auf den Boden gefallen, koffeinhaltige Energiebrause, man weiß schon, welche Marke. »Immerhin sugar free«, sagt Rasouli, der einen Mitarbeiter um Hilfe ruft. Er braucht die Assistenz, weil er nach einem missglückten Sprung mit dem
Mountainbike seit 2002 querschnittsgelähmt ist.
Das Rad an der Wand, der Energy-Drink, die moderne Technik, mit der Rasouli seine Arbeit in einem geräumigen Büro in München-Schwabing gestaltet: Innerhalb weniger Augenblicke hat man Schlüsselelemente im Leben Tarek Rasoulis im Blick, die auch für eine ganze Industrie bedeutsam sind. In diesem Jahr feiert Rasoulis Münchner Unternehmen Rasoulution sein 15-jähriges Bestehen. Die Agentur befindet sich an einer Schnittstelle, wo sie Synergien schafft, Geschichten erzählt, Athleten entwickelt und daran arbeitet, dass krasse Bilder vom Biken um die Welt gehen. »Es war mein Ziel, den Sport immer stärker in den Mainstream zu bekommen«, sagt Tarek Rasouli. »Ich glaube, das haben wir schon ganz gut erreicht.«
Red Bull mag seinen Style
Der Weg hierher war im Wortsinn schicksalhaft und ist über viele Jahre mit harter Arbeit verbunden geblieben. Rasouli war ein Pionier unter den deutschen Mountainbikern, avancierte nach seinem Titel bei den deutschen BMX-Meisterschaften 1991 zum viel gebuchten Profisportler. Er war Model, Testfahrer, professioneller Freerider. Red Bull nahm ihn dann 1998 als BMX-Star unter Vertrag und wollte ihn in dieser Disziplin halten. Doch Rasouli entwickelte sich zeitgleich auf dem MTB weiter und stieg beim kanadischen Freeride-Team von Rocky Mountain, den Froridern, ein. Dadurch wurde er, als der einzige Europäer in einem kanadischen Team, zum Star. Doch der Unfall 2002 bei einem Testsprung in British Columbia zerstörte seinen ersten Lendenwirbel. Rasouli, das war bald klar, würde sicher nie wieder springen können – und eben auch nicht mehr laufen.
»Ich habe noch einmal bei null angefangen«, erinnert sich Rasouli an die Findungsphase nach seinem Unfall. Klar, er hatte eine Unfallversicherung, aber viel sparen hatte er nicht können in seiner aktiven Zeit. Also war der Druck da, eine Beschäftigung zu finden, mit der er sein Leben auf Dauer finanzieren konnte. »Ich hatte nicht die Freiheit, drei Jahre ohne Arbeit durchzukommen, aber ich hatte schon immer den Wunsch, etwas Sinnhaftes aufzubauen.« Und das Sinnvolle, das Neue, das versuchte er in dem Umfeld zu schaffen, das ihn einer solch harten Prüfung unterzogen hatte.
Impressionen des Abenteuers
Wer heute einen Blick in die Räume von Rasoulution wirft, kann sehen, dass der 45-Jährige einiges aufgebaut hat. 13 Mitarbeiter hat sein Unternehmen mittlerweile. Wer sie besucht, sieht ein funktionales Büro mit viel Elektronik. Man sieht an den Wänden aber auch beeindruckende Bilder mit knalligen Farben und fesselnden Motiven. Da ist der schottische Radakrobat Danny MacAskill vor dem hellen Beton der Neuen Pinakothek in München, wie er auf dem Treppengeländer einen Nose Wheelie macht. Da ist die Landschaftsaufnahme mit Trond Hansen in den Bergen von Livigno. Da ist eine Aufnahme aus dem Münchner Olympiapark, ein Sprung vor begeisterter Menschenmenge, aufgenommen während der X Games 2013. Mit all diesen Impressionen haben Tarek Rasouli und sein Team etwas zu tun. Sie schaffen Erlebnisse, Eindrücke, Möglichkeiten.
Wie der Name des Unternehmens sagt, erarbeitet Rasoulution Lösungen für seine Kunden. Da sind zunächst einmal die Athleten, mit denen Tarek Rasouli und sein Team kooperieren. »Athleten-Management« nennt Rasouli die Aufgabe, die er für Danny MacAskill, Fabio Wibmer und die anderen Sportler unter seiner Betreuung übernimmt. Es geht darum, gemeinsam mit den Sportlern Projekte zu definieren, ihnen ein Einkommen zu sichern, ihre Strahlkraft mit Unternehmen und ihren Marken zu verknüpfen und somit auch den Einfluss der Idole auf die Kaufentscheidungen der Konsumenten zu entfalten. Neun Fahrer stehen bei dem Münchner Unternehmen derzeit direkt unter Vertrag. Als Rasouli selbst noch aktiver Sportler war, gab es so etwas nur ansatzweise. »Vor allem hätte ich damals als Sportler nie an Sicherheiten gedacht, etwa ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen«, sagt er. Heute hingegen berät er seine Schützlinge, und einige der Fahrer haben in Wohnraum investiert. So arbeitet das Team daran, dass die Sportler mit ihrer außergewöhnlichen Leistung auch die passenden Vermarktungsmöglichkeiten finden.
Aufmerksamkeit für Marken
Der mediale Einfluss der Sportler ist enorm. Die Videos im Netz erreichen Millionen. Fabio Wibmer etwa hat mit seinem Clip Wibmer’s Law die 100-Millionen-Zuschauer-Marke bei Youtube durchbrochen. »Bei unseren Sportlern geht es um extreme Performance«, erklärt Rasouli. »Je hochwertiger die Bilder sind, desto ansprechender ist der Inhalt für die Konsumenten und desto mehr fällt es auf die beteiligten Marken zurück.« Klar, dass sich viele Brands solche Aufmerksamkeit sichern möchten. Doch Rasouli erzählt auch davon, dass es häufiger auch ein »Nein« seiner Agentur gibt, weil die Aussagen einer Marke nicht zum Profil eines Athleten passen. »Danny MacAskill etwa ist zunächst einmal überhaupt nicht an Kommerz interessiert, da muss man sehr behutsam vorgehen.«
Als Marktwert-Entwickler für die Influencer der Bike-Szene ist Rasouli auf der einen Seite gut vernetzt. Auf der anderen Seite bietet sein Team Unternehmen den Einstieg in die wilde Welt der Akrobatik. Das müssen nicht immer Firmen sein, die mit dem Mountainbiken oder dem Fahrradmarkt zu tun haben. Samsung, Teufel, Eberspächer heißen etwa drei Partner, die mit Rasoulution den Weg in dieses Umfeld gewagt haben. »Wir beraten hier, wir konzipieren und überlegen im Auftrag der Kunden, wie sich eine Marke im Umfeld des Bikens aktivieren lässt.«
Die Agentur kennt Konjunkturschwankungen
Rasouli verfügt über »Credibility«, wie man die nötige Glaubwürdigkeit am besten auf Englisch benennt. Er kommt aus der Szene. So konnte er für einige Zeit als Freelancer für das Magazin Bike arbeiten, seine Kontakte und sein Wissen machten ihm die Sache leicht. Als er die ersten Versuche machte, Business ums Biking aufzubauen, wusste er, mit wem er zu sprechen hatte. Ein Jahr nach seinem Unfall probierte er sich an seinem ersten Event, im Jahr darauf waren es zwei, 2005 gewann er Red Bull als Partner für das Konzept und konnte das Event ausbauen, der Red Bull District Ride entstand. Das war der Nukleus für die Firma, die Rasouli nun seit 2012 gemeinsam mit seiner Schwester Nathalie Tanos leitet. Sie sollte zuerst nur das Kaufmännische übernehmen. »Heute ist sie meine rechte Hand«, sagt Rasouli. »Sie hält den Laden am Laufen, kümmert sich unter anderem auch um Events und Verträge.«
Der Umsatz der Agentur ist inzwischen siebenstellig, berichtet Rasouli, der allerdings nicht groß mit Zahlen um sich wirft. Das Unternehmen ist im Laufe der Jahre ordentlich gewachsen, aber als Agentur auch immer den konjunkturellen Schocks ausgeliefert. Gerade der Event-Sektor, mit dem Rasoulution stark gewachsen ist, unterliegt Schwankungen. Schon vor einem Jahrzehnt durchlebte der einstige Stunt-Star das Auf und Ab im Schnelldurchlauf. Mit Nissan und einer englischen Partneragentur organisierte man 2007 und 2008 eine europaweite Event-Serie, Rasoulis Firma kam nicht mehr aus dem Arbeiten raus, das Team wuchs schnell von vier auf neun Mitarbeiter. Doch zwei Jahre später, als die ökonomische Krise ihre Wirkung entfaltete, endete das Sponsoring, das Geschäft implodierte.
Events und Corona
Das Corona-Jahr stellt Rasoulution vor einige Herausforderungen, wie könnte es anders sein? So kümmern sich vier Mitarbeiter im Haus vor allem um die PR für Kunden. Das kann Pressearbeit für touristische Ziele sein, für sportliche Wettbewerbe oder auch Hersteller. »Wir haben schon sehr früh gefühlt, dass da etwas wegbricht, weil Lieferketten kollabiert sind«, sagt Rasouli. Vor allem die Events sind aus der Kalkulation gefallen. Verschobene oder abgesagte Veranstaltungen auf dem Kalender des Weltradsportverbandes, geplante Ereignisse bei den touristischen Partnern, die Absage des Red Bull District Ride, der bis heute von Rasoulis eigenem Team mitorganisiert wird. Rasoulution übernimmt die sportliche Leitung, kümmert sich hier also um die Performance. »Immerhin sind wir flexibel. Wenn Kunden noch Budget haben, können wir das ja für neuen digitalen Content nutzen und so ihre Marken pushen«, berichtet Rasouli. Im vergangenen Jahr hat Rasoulution seine eigenen Kapazitäten für das Herstellen von Content ausgebaut, Videos und Fotografie könne man jetzt aus einem Guss anbieten, erklärt der Gründer, der früher selbst gern Profifotograf geworden wäre.
Für Rasouli war es eine gute Entscheidung, bei seiner Passion zu bleiben, auch wenn er so sehr gelitten hat. Seine eigene Vergangenheit hat er nicht abgestoßen. Der Rahmen an der Wand, ein Rocky-Mountain in limitierter Auflage, trägt seinen Namen. Das Leben vor seinem Sturz, das Leben nach seinem Sturz, das ist dank seiner eigenen Initiative eine Kontinuität. »Ich wollte dem Sport auch nach dem Unfall etwas geben, ich wollte ihn dahin holen, wo er hingehört, in die Medien, in die Öffentlichkeit.«
Tief ins Geschäft vorgedrungen
Sportler ins Rampenlicht rücken, Fans begeistern, Menschen aufs Bike und auf die Trails und Pump-Tracks bringen, das motiviert Rasouli, das motiviert sein Team. Das ist ein Geschäft, aber es ist auch die logische Fortsetzung der Kunststücke, die er einst auf dem BMX-Rad übte. »Ich würde schon behaupten, dass wir einen Beitrag zum Hype unserer Sportart geleistet haben«, sagt Tarek Rasouli. Das hätte er sich nicht erhofft, als er vor mehr als 15 Jahren den Business-Plan für sein Unternehmen aufschrieb, das zunächst als GbR an den Start ging. »Ich hätte nicht gedacht, was sich da ergeben würde, wie tief wir in dieses Geschäft vordringen würden«, sagt er. Heute habe er »Top-Athleten, Top-Destinationen, Top-Marken« als Partner. »Das ist schon cool.«
Und trotz des Schmerzes, trotz der Behinderung, die Rasouli davongetragen hat, liebt er die Bilder des Spektakels weiterhin. Manchmal sorgt er sich, wenn die Athleten besonders gewagte Aktionen in Angriff nehmen. »Aber das ist eher so wie bei Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen, weil wir so eng beisammen sind«, sagt Rasouli. Er vertraut auf das Können der Sportler, ihre Konzentration und ihre Vernunft. Die Professionalität ist in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten immer weiter gewachsen. Und er hat seinen Beitrag geleistet.
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