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Schrei vor Glück?
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Report - E-Commerce

Schrei vor Glück?

Der Zalando TV-Spot mit dem fast schon Kult gewordenen Slogan »Schrei vor Glück!« hinterlässt nicht bei allen ein positives Hochgefühl. Dem einen oder anderen Fahrradhändler, der neben Hartware auch Bekleidung in seinem Sortiment führt, stößt die zunehmende Konkurrenz durch E-Commerce bitter auf.

Da verspricht doch Zalando eine außergewöhnlich große Auswahl, kostenlosen Telefon-Service, kostenlosen Versand und Rückversand sowieso. Und als ob das noch nicht genug wäre: Falls die Ware nicht gefällt, nimmt Zalando sie auch noch nach 100 Tagen kostenlos zurück und erstattet den Kaufpreis.
Inzwischen sind es nicht mehr nur Schuhe und Modeartikel, die Zalando im Sortiment führt, sondern auch Sport-, Lauf- und Bike-Bekleidung. Im aktuellen Programm sind bereits über 20 Bikewear-Marken zu finden, allerdings noch mit einer eher bescheidenen Sortimentstiefe. Gegenüber velobiz.de will sich Zalando nicht im Detail über die Pläne im Bike-Markt äußern. »Der Bereich Bike ist noch sehr klein«, sagt Corinna Heppner von Zalando. Die Vermutung liegt aber nahe, dass der Online-Händler mit seinem gesamten Sportsortiment noch durchaus ehrgeizige Ziele verfolgt.
Welche Möglichkeiten hat der stationäre Einzelhandel, um sich mit dieser Konkurrenz mit seiner fast erdrückend anmutenden Service-Fülle zu arrangieren? Ist nicht von vorneherein klar, dass die Zukunft im Internet liegt? Wo es doch für den Endkunden so einfach ist, sonntags gemütlich von der Couch aus schnell eine Bestellung loszuschicken. Der Kurierdienst bringt die Lieferung direkt vor die Haustüre. Gefällt oder passt das Produkt nicht, dann schickt der Kunde es postwendend zurück. Risiko minimiert. Einfacher und bequemer geht’s nicht, oder?
Hinzu kommt dann noch das zunehmende Engagement vieler Marken im Internet, die selbst immer mehr in die Offensive gehen und eigene E-Commerce-Lösungen schaffen. Die Ansätze sind auch hier vielfältig und reichen von Partnerschaftsmodellen mit mehreren Partnern im Handel (Vaude) über Kooperationen mit einem Fachhandelspartner (Odlo und der Südwest Versand) bis hin zu kompletten mar­keneigenen E-Commerce-Plattformen. So hat beispielsweise gerade Gore Bike Wear für den Spätsommer 2012 den Launch eines eigenen E-Commerce-Angebotes angekündigt.
E-Commerce wächst also auch im Bikewear-Markt deutlich. Wenn man den Aussagen vieler großer Bikewear- und Accessoires-Hersteller glauben darf, aber nicht anstatt des stationären Handels, sondern als Ergänzung.
Dies sagt beispielsweise Stephanie Herrling von Vaude: »Wir haben im stationären Fachhandel weiterhin ein Wachstum, das E-Commerce-Geschäft wächst überproportional, allerdings weniger auf Kosten des stationären Fachhandels, als oft angenommen wird.« Auch Matthias Reichwald, Country Manager Deutschland bei Odlo, unterstreicht diese Einschätzung mit der Feststellung: »Partner im stationären Handel, die auf Qualität, Beratung und erlebnisorientierte Warenpräsentation setzen, wachsen weiter mit uns.«
Versuchen diese Anbieter lediglich, ihre Handelspartner in falscher Sicherheit zu wiegen? Wer sich das geänderte Informations- und Kaufverhalten der Endverbraucher ansieht, erhält ein klareres Bild.

Marke, Service und Verfügbarkeit sind online gefragt

Die meisten Käufer informieren sich im Web vor dem Kauf im Laden. Je erklärungsbedürftiger und hochpreisiger ein Produkt ist, desto höher ist der Anteil. Eine Studie aus dem Jahr 2010 (Yahoo! Research, ENIGMA GfK) hat herausgefunden, dass in manchen Segmenten bei über 90 % der Verbraucher Informationen aus dem Internet die Kaufentscheidung beeinflussen – unabhängig davon, ob der Kauf dann on- oder offline stattfindet.
Der Preis hat als Hauptargument für den Kauf im Web übrigens schon längst ausgedient. Einige Schnäppchenjäger werden zwar auch zukünftig »Beratungsklau« betreiben, lassen sich also im Fachhandel beraten und kaufen dann noch vor der Ladentüre mit dem Smartphone beim günstigsten Web-Anbieter. Aber diese Klientel hat tendenziell eine geringe Markenbindung. Deren Shopping-Erlebnis ist alleine der billigste Preis. Der weitaus größere Trend ist jedoch, dass Qualität, Einkaufserlebnis oder Serviceleistungen im Kaufverhalten eine immer größere Bedeutung einnehmen. Darauf stellt sich die E-Commerce-Branche zunehmend ein.

Nicht Mono-, sondern Multi-Channel-Vertrieb

Multi Channel ist kein neues Phänomen, doch das Thema gewinnt inzwischen zunehmend an Aktualtität. Um dauerhaft erfolgreich im Markt zu agieren, genügt es Marken und Händlern nicht mehr, nur einen Vertriebsweg als den allein selig machenden zu betrachten. Erst das Miteinander und Nebeneinander unterschiedlicher Vertriebswege schafft eine starke Wahrnehmung und damit eine Marken- und auch angemessene Machtposition.
Zalando setzt nicht alleine auf das Internet, sondern auch auf Katalogvertrieb. Player wie Karstadt sind stationär, wie auch im Katalog und Internet vertreten. Rose-Versand, H&S Bike-Discount, Stadler, um nur einige zu nennen, setzen ebenfalls auf ein Nebeneinander von Vertriebsformen. Und dieser Trend setzt sich weiter fort: »Der Handel richtet sich verstärkt in Richtung Multi-Channel-Vertrieb aus und weitet mit eigenen Online-Shops sein Geschäftsmodell aus«, beobachtet beispielsweise Vaude.

Allianzen als Lösung

Kleinere Händler, die diesen Weg mitgehen und einen eigenen Webshop betreiben wollen, kommen dabei jedoch schnell an ihre Grenzen. Die Software alleine ist nicht das Problem, da gibt es entsprechende Lösungen. Die größeren Herausforderungen sind die schnelle Lieferung, ein hervorragender Support, gute Nutzerfreundlichkeit, eine lückenlose Logistik, ein risikoarmer Zahlungsverkehr und eine reibungslose Retouren-Abwicklung. Ohne Allianzen zwischen Herstellern, Internet-Plattformen und dem Handel wird es deshalb kaum gelingen, den Endverbraucher auf allen Kanälen zu überzeugen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Meldung des Brancheninformationsdienstes Markt Intern, dass Adidas seinen Händlern ab 2013 verbieten will, neue Produkte über Amazon oder Ebay zu verkaufen. Die Stoßrichtung der neuen Adidas-Richtlinie für den Internet-Handel lautet: Es geht einerseits darum, beratungsintensiven Markenprodukten eine entsprechende Plattform zu geben und andererseits den Fachhandel und dessen eigene Internet-Shops zu stärken. Marke, Präsentation und Beratung sollen dadurch eine Aufwertung erfahren. Ungeachtet der rechtlichen Durchsetzbarkeit hält Marcel Rotzoll, Redaktionsleiter für den Sport-Fachhandel von Markt Intern, das Vertriebskonzept, das hinter den E-Commerce-Richtlinien von Adidas steht, für ambitioniert: »In Herzogenaurach will man die E-Commerce-Entwicklung ganz offensichtlich nicht nur im Auge behalten, sondern aus Vertriebssicht aktiv mitgestalten.«

Markeneigene E-Shops bringen Markenerlebnis

Die Stichworte Service und Markenerlebnis werden bei den Herstellern in Bezug auf eigene Web-Shops immer wieder als zentrales Argument in die Diskussion gebracht: »Wir wollen unseren Kunden bestmöglichen Service bieten, ohne die besondere Position des Facheinzelhandels zu untergraben. Wir schätzen diese Partnerschaft sehr und werden auch in Zukunft eng mit dem Facheinzelhandel zusammenarbeiten«, sagt etwa Hannu Haslach, Marketing-Leader bei Gore Bike Wear. Der Faktor Warenverfügbarkeit kommt als Argument hinzu: »Der moderne Kunde fordert uneingeschränkte Verfügbarkeit. Er möchte sich intensiv mit der Marke auseinandersetzen, die einzelnen Produktlinien im Detail kennen und bei Gefallen sofort kaufen«, so Haslach weiter. Doch wer kann – ohne zu großes Lager- und Logistik-Risiko – auch schwer erhältliche Farben, Modelle oder Größen anbieten, wenn nicht der Hersteller selbst? Damit schließen die Hersteller selbst eine Lücke, die Händler wegen des zu großen Aufwands und Risikos selbst nicht bedienen können.
Die Zahl der Partnerschaftsmodelle, aber auch der markeneigenen E-Commerce-Lösungen wird in Zukunft noch deutlich zunehmen. Auf unsere Frage, ob markeneigene E-Commerce-Lösungen bald schon Standard sein werden, antwortet Matthias Reichwald von Odlo: »Sie sind doch heute schon weitgehend Realität«.

Wachstum

Der überproportional wachsende E-Bike-Markt, aber auch die urbane Style-Szene und das wachsende Bewusstsein hinsichtlich einer nachhaltigen Lebensphilosophie generieren neue Kundengruppen. Ein Ende dieser Entwicklung ist vorerst nicht in Sicht.
Um alte wie neue Kundengruppen anzusprechen, gewinnt das Internet mehr denn je an Bedeutung. Vor einer Kaufentscheidung informiert sich der Verbraucher im Internet, auf Markenseiten, in den Händler-Shops und sucht in Foren und Blogs den Erfahrungsaustausch. Auch der Verkauf via Internet legt zu: In den vergangenen Jahren wurden im E-Commerce in Deutschland laut Handelsverband Deutschland regelmäßig Wachstumsraten von über zehn Prozent erzielt.
Man sagt, Konkurrenz belebe das Geschäft. Dazu kann man durchaus geteilter Auffassung sein. Wahrscheinlich stimmt das nur dann, wenn nicht alle dasselbe tun. Wenn durch unterschiedliche Angebote – ob nun stationär, im Katalog oder im Web – eine Vielfalt hinsichtlich der Sortimentsbildung, der Beratungsleistung und/oder des Markenerlebnisses entsteht, dann entsteht auch Raum für Erfolge. Die Dynamik, die derzeit im Fahrradmarkt herrscht, bringt auch eine Umstrukturierung des Handels und entsprechende Veränderungen im Kaufverhalten mit sich. Multi-Channel-Strategien werden allerorten diskutiert und implementiert.
Genau diese Vielfalt, verbunden mit Qualität, Service, Markenerlebnissen und bester Beratung wird auch zukünftig dafür sorgen, dass wir vom Endkunden – nicht nur wenn der Kurierfahrer vor der Türe steht – eines hören: Den Schrei vor Glück!

17. Juli 2012 von Gerald Roeckl

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