Schulung - Social-Media-Management
Social Media? Darum kümmert sich mein Mitarbeiter
Dem »Social Media Atlas 2019«, den das Institut für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) zusammen mit dem Dienstleister Toluna herausbrachte, ist zu entnehmen, dass bereits 20 Prozent der Online-Kunden ein Produkt gekauft hätten, weil ein Unternehmen auf Facebook dafür geworben hat. »Werbung oder unternehmenseigene Videos auf YouTube verleiteten 17 Prozent der Onliner ab 16 Jahren zu einer Kaufentscheidung«, so die Autoren weiter. Instagram erreiche 13 Prozent der Social-Media-Nutzer.
Seit 20 Jahren fragt das Marktforschungsunternehmen Edelman Intelligence weltweit Bürgerinnen und Bürger, wie es um ihr Vertrauen in Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft und Medien steht. 2018 ermittelte es im Rahmen des »Special Report Brands and Social Media« auch, wie verlorengegangenes Vertrauen in ein Unternehmen über soziale Medien wiederhergestellt werden könnte: »Kundenservice (60 Prozent), Informationen zu Neuheiten (51 Prozent) und Möglichkeiten, mit dem Unternehmen zu interagieren (44 Prozent), stehen auf dem Wunschzettel weit oben« und 63 Prozent der Befragten wünschten sich diese Informationen von Experten. Gut ausgebildetes Personal steht für Know-how, wie das »Edelmann-Trust-Barometer 2014« zeigt. Demnach vertrauen Kunden eher den Mitarbeitern, die auf einem ähnlichen Joblevel wie sie selbst arbeiten, als dem Geschäftsführer eines Unternehmens oder den Presse-, Marketing- oder Vertriebsmitarbeitern.
Welcher Mitarbeiter soll es sein?
Mit YouTube, Instagram, WhatsApp, Pinterest, Facebook, Twitter und Co verfolgen auch Fahrradhändler die Ziele, Kunden zu Interaktionen einzuladen, Neukunden zu gewinnen und diese letztlich über die Schwelle ins Geschäft zu locken. In vielen Fällen bespielen die Arbeitgeber diese Kanäle selbst, vor allem dann, wenn sie für die dahinterstehende Strategie keine Kosten und Mühen gescheut haben. Es gibt aber noch weitere Hemmschwellen, die verhindern, dass Arbeitgeber diese Aufgabe einem Mitarbeiter übergeben, weiß die Kommunikations- und Strategieberaterin Dr. Kerstin Hoffmann: »Einige Arbeitgeber haben Bedenken, dass Mitarbeitende sich nicht im Sinne der offiziellen Firmenmeinung äußern könnten. Sie haben Angst, Kontrolle abzugeben. Vielleicht befürchten sie auch, dass unbedachte Äußerungen etwa einen ›Shitstorm‹ auslösen.«
»Der Erfolg von Mitarbeiter-Markenbotschaftern steht und fällt mit der Unternehmenskultur und der Mitarbeiterzufriedenheit. Denn auch unzufriedene Mitarbeiter sind Markenbotschafter – nur eben nicht unbedingt im Sinne des Arbeitgebers.«Dr. Kerstin HoffmannKommunikations- und Strategieberaterin, Vortragsrednerin, Buchautorin und Herausgeberin des Online-Magazins »PR-Doktor«
Die Furcht, die Mitarbeiter könnten es zu gut machen und würden abgeworben, ist wohl ein weiterer Grund für die Zurückhaltung. Das ist ein Restrisiko, das immer bleibt, doch sollten Händler bedenken, dass wertgeschätzte Kollegen gar nicht so schnell ein Unternehmen verlassen, denn auch sie tragen dann ein hohes Risiko.
»Jeder Mitarbeitende stellt eine potenzielle Schnittstelle in die Öffentlichkeit dar. Das muss gar nicht unbedingt in den großen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram oder in den Business-Netzwerken wie LinkedIn oder Xing stattfinden. Auch in Messengern wie WhatsApp bilden sich Mikronetzwerke, in denen Menschen ansprechbar sind und sich mitteilen«, erläutert Hoffmann die Sachlage. Im Grunde ist jeder Mitarbeiter, der als Unternehmensangehöriger erkennbar ist, zugleich ein Markenbotschafter oder Corporate Influencer, jedoch in unterschiedlicher Ausprägung. Viele Unternehmen gestalten diese Rollen inzwischen bewusst mit Markenbotschafterstrategien. Sie beziehen die Mitarbeiter-Markenbotschafter also auch offiziell in die Kommunikationsstrategie ein. »›Marke‹ steht in diesem Zusammenhang für jede Art von Unternehmen, also auch für ein Einzelhandelsgeschäft«, so Hoffmann weiter.
Markenbotschafter sollten Social-Media-affin sein und die Firmenphilosophie sowie -strategie kennen und sich damit identifizieren. Sie sollten über kommunikative Stärken verfügen, um z.B. die Vorteile der Produkte und Dienstleistungen dem Kunden authentisch vermitteln und negative Kundenfeedbacks freundlich, respektvoll und kompetent parieren zu können. Sie sind im Gegensatz zur oft gesichtslosen Unternehmensdarstellung das sympathische Gesicht des Betriebs, das dem Kunden im Gedächtnis bleibt. »Außerdem haben sie das Ohr an ihren Netzwerken und erfahren frühzeitig, worüber gesprochen wird«, ergänzt die Kommunikationsberaterin Hoffmann. Jeder Händler sollte auch das Alter der mit der Aufgabe betrauten Mitarbeiter mitdenken: »Sind in einem Unternehmen Mitarbeitende unterschiedlichen Alters tätig, so bietet auch dies Chancen: Jüngere Leute erreichen in ihren sozialen Netzwerken ganz andere Menschen als Ältere – und umgekehrt.«
Nichts dem Zufall überlassen
Damit der Social-Media-Auftritt des Unternehmens bei den Kunden dauerhaft gut ankommt, sollte der Mitarbeiter, der mit dessen Pflege betraut ist, die Antworten auf folgende Fragen kennen und bei jedem Posting mitdenken: Was macht unser Geschäft aus? Für welche Werte stehen wir? Welches Portfolio und welchen damit verbundenen Nutzen für den Kunden vertreten wir? Dies gilt auch für die Mitarbeiter-Markenbotschafter. Auch sie sind mit dem, was sie beruflich äußern, einerseits den Werten und Interessen des Unternehmens verpflichtet. Andererseits sollten auch sie sich überlegen, welchen Nutzen sie in ihrem Netzwerk erzeugen.
Darüber hinaus stellt Kerstin Hoffmann aufgrund ihrer Erfahrungen fest: »Sind die Arbeitnehmer mit den offiziellen Unternehmensaccounts betraut, dann ist dies Teil der Kommunikationsstrategie. In diesem Rahmen ist dann auch zu schulen und sind Absprachen zu treffen.« Medienkompetenz, technische Grundlagen sind hier das eine, kommunikative Besonderheiten, die in den Social-Media-Kanälen auch abhängig von der Plattform eingesetzt werden, das andere. Auch betriebswirtschaftliche und rechtliche Aspekte, wie z.B. die Regeln zum Datenschutz, müssen geschult werden, um Strafen und Abmahnungen zu vermeiden. »Unternehmen brauchen unbedingt Social-Media-Guidelines«, mahnt Hoffmann an. Darin enthalten sind meist die »Netiquette«, die das allgemeine Verhalten der Mitarbeiter im Netz regeln, aber auch die Darstellung der Social-Media-Strategie des Unternehmens, die Verantwortlichkeiten und Entscheidungswege sowie Hinweise zu gesetzlichen Regelungen wie zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie zum Urheber- und Markenrecht. »Mitarbeitende müssen zudem wissen, wen sie mit Fragen ansprechen dürfen und wer zur Verfügung steht, wenn einmal etwas schiefzugehen droht. Denn wo Menschen interagieren, können nun einmal Fehler passieren. Entscheidend ist nur, wie offen und konstruktiv man damit umgeht. Eine regelmäßige interne Abstimmung sollte dabei selbstverständlich sein«, rät die Kommunikationsexpertin Hoffmann.
Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) weist in seinem Social-Media-Leitfaden zudem darauf hin, dass bei den Guidelines neben dem Datenschutzbeauftragten auch der Betriebsrat mit einbezogen werden sollte, um seinem Mitbestimmungsrecht gerecht zu werden.
Für den Einstieg ins Posten, aber auch bei Zweifelsfällen empfiehlt Bitkom ein innerbetriebliches Vier-Augen-Prinzip. So lassen sich auch Leichtsinnsfehler, wie falsche Angaben bei den Öffnungszeiten, vermeiden. Außerdem müssten dem Mitarbeiter ausreichend Zeit für das Schreiben und Einstellen der Postings zur Verfügung stehen. Und sollte trotzdem einmal etwas schiefgehen, rät das Autorenkollektiv des Bitkom-Leitfadens: »Es empfiehlt sich, einen Passus in die Social Media Guidelines aufzunehmen, der die Mitarbeiter auffordert, negative oder positive Posts, die das Unternehmen oder seine Produkte betreffen, an einen Ansprechpartner z.B. in der Kommunikationsabteilung weiterzuleiten.«
Juristische Grenzen immer mitdenken
Neben den Social-Media-Guidelines gibt es weitere juristische Grundlagen, die dem betrieblichen Social-Media-Eifer Grenzen aufzeigen: Das Arbeitsrecht, Betriebsvereinbarungen und die geschlossenen Arbeitsverträge sind die wichtigsten.
Von der Idee, über den privaten Account des Mitarbeiters verdeckt Werbung des Händlers, sogenannte Laienwerbung, laufen zu lassen, rät Bitkom mit Verweis auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ab: »Hier drohen nicht nur dem Unternehmen, das seine Mitarbeiter zur Werbung einsetzt, wettbewerbsrechtliche Konsequenzen, sondern auch dem Mitarbeiter selbst, da er fremden Wettbewerb fördert. Im Extremfall drohen hier kostenintensive Abmahnungen und gerichtliche Auseinandersetzungen.« Bitkom hat bei diesem Rat den Paragrafen 8 Absatz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und ein entsprechendes Urteil aus dem Jahr 2013 im Auge. Damals wurde ein Autohaushändler verurteilt, dessen Mitarbeiter Laienwerbung auf seinem privaten Social-Media-Account betrieb. Der Leitsatz des Landgerichts Freiburg für sein Urteil lautete damals: »Wirbt ein als Verkäufer tätiger Mitarbeiter eines Autohauses auf seiner privaten Facebookseite für den Kauf von Kraftfahrzeugen bei dem namentlich benannten Autohaus unter Hinweis auf seine dienstliche Telefonnummer, haftet das Autohaus für Wettbewerbsverstöße des Mitarbeiters nach § 8 Abs. 2 UWG, auch wenn es keine Kenntnis von der Handlung des Mitarbeiters hatte.« (Urteil vom 04.11.2013, Az. 12 O 83/13)
»Persönlichkeitsrechte, Arbeitsrecht, Datenschutz, Vermeidung von Schleichwerbung: Es sind sehr viele Rechtsbereiche betroffen«, weiß auch Kerstin Hoffmann und rät deshalb: »Juristische Begleitung und Beratung sind unerlässlich. Gerade kleinere Unternehmen finden hier aber häufig Hilfe bei Verbänden, können vielleicht örtliche Wirtschaftsförderer ansprechen oder sich zur gemeinsamen Information zusammenschließen.«
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