Statistik - Marktdaten im Blickpunkt
Unklare Datenlage
Zum Glück muss niemand seinen »Großen Statistikschein« aus dem Regal ziehen und abstauben, um die folgenden Ausführungen nachvollziehen zu können, Plus und Minus genügen. Zunächst einmal muss man die Ausgangssituation beschreiben: Der ZIV (Zweirad-Industrie-Verband) veröffentlicht jedes Frühjahr die Branchenzahlen des Vorjahres, insbesondere natürlich die Industriezahlen. Diese bieten jedes Mal einen tiefen Einblick in die Situation und Leistungsfähigkeit der hiesigen Fahrradindustrie. Zuletzt berichtete der Verband eine Inlandsproduktion von 1,72 Millionen E-Bikes und 900.000 unmotorisierten Fahrrädern für das Jahr 2022.
Knapp einen Monat später hat dann Destatis bemerkenswert umfassende Zahlen zur hiesigen Fahrradwirtschaft geliefert. Das Problem dabei? Diese Angaben weichen doch erheblich von den Zahlen ab, wie sie kurz zuvor noch der ZIV präsentierte. Denn nun war die Rede von 1,3 Millionen E-Bikes und 1,7 Millionen unmotorisierten Fahrrädern.
Seitdem zerbrechen sich alle beteiligten Seiten die Köpfe, wie diese Differenzen zustandekommen und erklärt werden können. Destatis stellt in seinen methodischen Hinweisen klar: »Zur Produktion von E-Bikes und Pedelecs liegen keine ausreichend tief gegliederten Daten vor.« Die Bundesstatistiker haben keine reine E-Bike- und Pedelec-Kategorie (was übrigens in Zukunft geändert werden soll), sondern nur eine Sammelgruppe, in der auch andere Fahrzeugtypen enthalten sind. Aber das bedeutet nur, dass die erfasste Zahl an Pedelecs eher noch kleiner ist. Allerdings beruhen ihre Zahlen auf einer Vollerhebung. Das bedeutet, dass alle Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet sind, ihre Produktionszahlen mitzuteilen. Man würde annehmen, dass dies die Destatis-Zahlen über jeden Zweifel erhaben macht. Doch der ZIV widerspricht. Burkhard Stork macht klar, dass man diesem Braten nicht uneingeschränkt trauen kann: »Je nach Unternehmensgröße gibt es unterschiedliche Fristen für die Meldungen, sodass es immer zu zeitlichen Verschiebungen kommt. Nicht zuletzt können die Einschätzungen, wann ein Fahrrad ›produziert‹ ist, gerade jetzt, in Zeiten mit sehr vollen Lagern, abweichend sein.
Es kommen noch weitere Unschärfen hinzu: Insbesondere im Teilebereich sind die Warensystematiken, nach denen in die unterschiedlichen Statistiken gemeldet werden muss, oft weit gefasst, veraltet oder Fahrrad/E-Bike-Teile mit anderen Teilen vermischt. So lassen sich zum Beispiel weder Fahrradanhänger noch EPAC-Motoren sauber abgrenzen. Aus diesen Gründen halten wir die Daten des Statistischen Bundesamtes nur für begrenzt aussagefähig.«
Erklärungsbedürftige Abweichungen
Das aber erklärt trotzdem noch nicht, wie die Zahl der produzierten unmotorisierten Fahrräder bei Destatis so viel höher liegen kann als beim ZIV. Ein Hinweis könnte sein, dass hiesige Unternehmen im EU-Ausland 780.000 Räder produziert haben, die der ZIV zu den Importen nach Deutschland zählt. Wenn die Unternehmen an das Bundesamt melden, könnten sie diese Bikes aber schon zur eigenen Produktion zählen. Wenn man alles zusammenzählt, kommt man auf 3,4 Millionen Stück (ZIV) versus 3 Millionen (Destatis). Das wäre schon näher beieinander.
Wer hat also recht? Wer liegt näher an der Wahrheit? Man könnte sich entscheiden, der Fraktion »Der-ZIV-wird-seine-Pappenheimer-schon-kennen« beizutreten, oder den Standpunkt »Destatis-hat-doch-Zugriff-auf-alle-Datenquellen-und-ist-neutral« vertreten. Aber besser dürfte sein, sich an dieser Stelle noch gar nicht festzulegen und stattdessen anzuerkennen, dass seit jeher die Herausforderung darin besteht, möglichst genaue Grunddaten zu bekommen. Wer das aktuell besser hinbekommt, sei dahingestellt. Zunächst muss die Einsicht genügen, dass noch bessere Datengrundlagen erschlossen werden sollten. Erst wenn die beiden Datenlieferanten ZIV und Destatis übereinstimmende Zahlen berichten, werden die Diskussionen um die Differenzen verstummen. //
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