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Podiumsdiskussion zum Start der VSF-Mitgliederversammlung
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Wie dem Beratungklau begegnen?

VSF-Versammlung packt zum Auftakt ein heißes Eisen an

Gleich zum Auftakt ihrer Jahresversammlung, die gestern Abend in Bielefeld begann, schnitten die VSF-Mitglieder ein brisantes Thema an: „Beratungsklau und Margenverfall - Markenprodukte auf Abwegen?“ stand in großen Lettern über einer Podiumsdiskussion, bei der sich auch Ortlieb-Vertriebsleiter Wolfgang Paulus den kritischen Fragen der Händler stellte. Anlass war ein Sondermodell der Backroller-Tasche von Ortlieb für Outdoor-Händler Globetrotter, die dort jüngst für 79 EUR statt der üblichen 109 EUR verkauft wurde. Bei den VSF-Mitgliedern war dies nun Anlass für eine Diskussion über die Absatzstrategien von Top-Marken und über Damen und Könige.

Podiumsdiskussion zum Start der VSF-MitgliederversammlungOrtlieb-Vertriebsleiter Wolfgang Paulus stellte sich den kritischen Fragen der VSF-Händler.Ohne geht's nicht: Ottis Chorproben sind traditionell fester Bestandteil jeder VSF-MV.

Ein Kunde lässt sich ausführlich beraten und kauft dann aber dort, wo es am billigsten ist. Und das ist meist nicht jener Händler, der in eine ausführliche Beratung viel Zeit und Fachwissen investiert hat. Verschärft wirddiese Problematik noch, wenn ein Hersteller identische Versionen eines Modells in verschiedenen Kanälen zu unterschiedlichen Preisen anbietet. So geschehen jüngst bei Ortlieb und Globetrotter, wo sich die dort gebotene Sonderversion außer im Preis nur in der Farbe unterschied. Schon im Sommer entstand daraus in VSF-Kreisen eine lebhafte Diskussion darüber, wie Händler solchen Aktionen begegnen sollen. Nach der traditionellen Chorprobe zum Auftakt der VSF-Versammlung wurde diese Diskussion nun, moderiert von Radmarkt-Chefredakteur Michael Bollschweiler, wieder aufgegriffen. Die Händlerseite wurde dabei von Thomas Schwerdtner (Zentralrad, Fürth), Dietrich Sudikatis (Radgeber Linden) und Rolf Wietzer (Velophil, Berlin) vertreten, die Herstellerseite von Wolfgang Paulus (Ortlieb), Heiko Müller (Riese und Müller) und Uwe Wöll (Wanderer).

Marke vor Angriffen von unten Schützen

Zum Einstieg der Diskussion erklärte Ortlieb-Vertriebsleiter Paulus in einer kurzen Präsentation die Beweggründe des fränkischen Taschenherstellers für die preisaggressive Aktion bei Globetrotter. „Ortlieb war bis vor ein paar Jahren autark im oberen Drittel des Marktes“, sagte Paulus. Doch diese Situation hat sich inzwischen gewandelt: Immer mehr Marken, darunter zahlreiche Handelsmarken und Nachahmer des Ortlieb-Designs, rücken dem Unternehmen auf den Pelz. Als „Angriff von unten“ beschreibt Paulus diese Situation. Nach oben gäbe es jedoch keine Ausweichmöglichkeiten, denn „jenseits von 149 EUR“ werde die Luft für eine Fahrradtasche „wahnsinnig eng“. Also habe sich Ortlieb für einen anderen Weg entschieden: Nämlich die Preisgruppe der Wettbewerber mit einer preisaggressiven Aktion zu besetzen, um damit die Marke und auch deren Händler zu schützen. Paulus verglich diese Aktion mit einem Schachspiel, bei der die Marke den König darstelle und der Handel die bewegliche Dame. Deren Aufgabe sei auch, den relativ unbeweglichen König vor den Figuren des Gegners zu schützen.

Die Erklärung von Ortlieb stieß bei den VSF-Mitgliedern nicht gerade auf viel Verständnis, auch wenn einige zugeben mussten, dass ihr Absatz der betroffenen Ortlieb-Tasche trotz der Globetrotter-Aktion unterm Strich zugelegt habe. Widerspruch kam dabei aber auch aus Herstellerkreisen: „Das ist ein Grundproblem eines Marktführers: Nach einigen Jahren kommen die Nachahmer“, sagte etwa Heiko Müller, Geschäftsführer von Fahrradhersteller Riese und Müller. Doch die Marke billiger zu machen, sei die falsche Antwort: „Nur durch Innovationen kann eine Marke auf Dauer ihren Marktanteil halten. Das ist der einzige Weg; es geht nicht anders“, sagte Müller. Sein Herstellerkollege Uwe Wöll, Produktmanager für die Marke Wanderer, ergänzt: „Eine Marke ist nicht nur Technik“ und mahnte seine Zuhörer, nicht nur im Preisleistungsverhältnis zu denken.

Eine schlüssige Antwort, wie Händler dem Beratungsklau und Margenverfall begegnen sollen, blieb die nachfolgende Diskussion den Zuhörern weitgehend schuldig. Konsens war aber, dass auch die Industrie gefordert ist, die Chancengleichheit im Handel zu sichern. Wer als Hersteller die Zusammenarbeit mit dem beratungsintensiven Fachhandel suche, müsse auch etwas zu dessen Überleben beitragen, so die Kernaussage. Positive Beispiele gebe es bereits, so Stimmen aus dem Plenum: Genannt wurde etwa Kinderrad-Hersteller Puky, der allen Marktteilnehmern, egal ob Karstadt oder Fahrrad Müller, weitgehend die selben Einkaufspreise gewähre. Oder Fahrradhersteller Gazelle, der Fachhändlern mit Beratung und Werkstatt-Service für diese Leistungen eine höhere Marge als anderen Marktteilnehmern bietet. Doch es herrschte auch der Tenor, dass viele Verbraucher die Beratung des Händlers schlussendlich nicht als geldwerten Vorteil betrachten. „Bezahlt der Kunde Beratung?“: Die Frage förderte zahlreiche Beispiele zu Tage, wo entsprechende Experimente gescheitert sind – in manchen Fällen bis hin zur Insolvenz des Händlers.

Der VSF hat mit seiner Podiumsdiskussion ein Thema aufgerissen, dass den Händlern merklich unter den Nägeln brennt, für das es aber gleichzeitig keine einfache Antwort gibt.

25. November 2007 von Markus Fritsch

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