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Kommentar - Messen

Was wäre wenn?

Kennen Sie das schöne Lied »Danke liebe gute Fee« von Reinhard Mey? Darin blickt der Liedermacher auf sein Leben zurück und bedankt sich bei der guten Fee, dass sie ihm nicht alle seine Wünsche im Leben erfüllt hat. Zum Beispiel der Wunsch des jugendlichen Reinhards, in eine Frau verwandelt zu werden, »weil die besser aussehen und an dem Kerl vorbeikommen, der vor der Disco aufpasst«. Der schon etwas altersweise Reinhard Mey ist nun froh keine Frau zu sein, sonst müsste er heute »sabbernd vor George Clooney auf den Knien liegen, auf Stöckeln gehen und würde für die gleiche Arbeit das halbe Geld ­kriegen«. Das Lied geht mir durch den Kopf, wenn ich über die ­Messesituation der Fahrradbranche nachdenke.

Fragt man einen Marktteilnehmer, was er sich in Bezug auf die Fachmessen wünsche, klingt die Antwort oft ungefähr so: eine einzige große Messe an einem zentralen Standort. Um nochmal Reinhard Mey zu zitieren: »Nur wen die Götter ­strafen wollen, dem erfüll’n sie jeden Wunsch!«
Gehen wir das ganze doch mal gedanklich durch. Es gäbe keine parallele Existenz mehr von Eurobike, Ispo Bike, Bico Ordermesse, Best of Bike und so weiter. Und idealerweise würden auch gleich noch die vielen Hausmessen vom ­Branchenkalender gestrichen. Stattdessen hätten wir eine einzige Fahrradmesse im deutschspra­chigen Raum, die ­idealerweise auch gleich die europäischen Nachbarn anzieht und an einem großen Messe­standort stattfindet. Mir fällt bei diesem Gedankenspiel gleich eine Reihe von Haken ein.
Haken Nummer eins: Die Eurobike zieht als globale Leitmesse der Branche rund 40.000 Besucher an. Auch wenn wir uns in der Fahrradbranche gerne wichtig fühlen: In Frankfurt, Köln oder Hannover fangen die wich­tigen Messen bei ungefähr 300.000 Besuchern an. Bei einer IAA sind es beispielsweise knapp eine Million Besucher. Natürlich ­würden diese Messestandorte der versammelten ­Fahrradbranche nicht die Tür vor der Nase zuschlagen, aber schlussendlich wären wir dort ein Nobody. Ach Pardon, ich vergaß: Köln hat uns ja schon mal vor die Tür gesetzt. Als die Computerspiele-Branche mit ungefähr 300.000 Besuchern im Schlepptau auf den Termin der IFMA wollte, war das Ende dieser traditionsreichen Messe rasch besiegelt.
Haken Nummer zwei: Fragen Sie mal einen Eurobike-­Aussteller, wie frisch er sich am letzten Messetag fühlt. Bei der einen großen Messe in unserem Gedankenspiel, würde die Messe jetzt sicher noch ein paar Tage weiter­laufen, denn selbst nach vier Tagen wären längst nicht alle wichtigen Gespräche geführt. Doping würde in der Fahrradbranche in einem völlig neuen Kontext gesehen werden.
Haken Nummer drei: Auf welchen Termin sollen wir denn gehen? Anfang September? Als einziger Termin wäre das viel zu spät für die Importeure und Textilanbieter. Also dann Mitte Juli? Wäre wiederum zu früh für die meisten anderen Marktteilnehmer. Und fragt man den Handel, wäre dem wohl ein Termin Ende September ganz recht. Vorher kommt sowieso keine Tinte auf den Orderblock.
Haken Nummer vier: Die klein- und mittelständisch geprägte Fahrradbranche zählt auf der Anbieterseite ­mehrere Hundert marktrelevante Unternehmen, die bereits jetzt darum kämpfen, im Getummel der Fahrradmessen vom Handel und den Medien mit Aufmerksamkeit bedacht zu werden. Auf der einen großen Messe würden viele ­spannende kleine Anbieter wahrscheinlich endgültig untergehen.
Haken Nummer fünf: Nachdem es keine Konkurrenz unter den Messen mehr gäbe, wären wir dem Preisdiktat eines Standorts ausgeliefert – mit entsprechenden Auswirkungen auf Hotelkosten und Standmiete.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr reift in mir eine Meinung, die vielleicht (noch) nicht jeder in der Branche teilen mag und die nicht gerade typisch für einen Kommentar ist, aber: Eigentlich ist die jetzige ­Situation gar nicht so übel.
Damit meine ich nicht, dass die Messesituation nicht mehr zu verbessern wäre. Aber gerade die Konkurrenz der Standorte gewährleistet doch, dass mögliche Potenziale zur Optimierung der jeweiligen Messen nicht ungenutzt bleiben.
Und die Situation für die Marktteilnehmer ist doch: Jeder kann, keiner muss. Wer als Unternehmen einen Vorteil darin sieht, die Ispo Bike als Aussteller oder Fachbesucher zu nutzen, kann dies tun. Gleichzeitig haben wir mit der Eurobike eine attraktive globale Leitmesse im eigenen Land, die aber auch nicht mehr für alle Marktteilnehmer eine zwingende Pflichtveranstaltung ist. Wem die Eurobike zu voll ist, der nutzt eine der Alternativen.
Und schlussendlich ist es eine freie wirtschaftliche Entscheidung, ob eine Messegesellschaft eine Messe anbietet oder nicht. So lange eine gewisse Zahl von Marktteilnehmern eine Messe unterstützt, hat sie wohl auch eine Daseinsberechtigung.
Die Vielzahl an Messen hat ihre Unzulänglichkeiten. Aber die nehme ich angesichts der Alternativen gerne in Kauf.
Markus Fritsch

9. August 2012 von Markus Fritsch
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