Schulung -Trend-Scouting
Welchem Trend will ich folgen?
Neben den Produktherstellern, den Regionalplanern und Tourismusexperten können auch Kunden Trendsetter sein. PR-Abteilungen und -Agenturen, Medien und Messen pushen als Multiplikatoren die Neuheiten. Ob ein Trend sich etabliert, sodass er für Händler zur dauerhaften Einnahmequelle wird, weiß zu Beginn niemand. E-Bikes haben sich durchgesetzt, das rostfreie Plastikfahrrad der Marke Itera, das 1981 auf den Markt kam, verschwand nach 30.000 Exemplaren wieder aus dem Handel und steht heute im schwedischen Helsingborg im »Museum des Scheiterns«. Zu teuer und zu hitzeanfällig.
Stabile Ausgangslage ist wichtig
»Um entscheiden zu können, welchem Trend ich als Fahrradhändler zukünftig folgen möchte, sollte ich vorab folgende Fragen für mich geklärt haben: Wie ist mein Laden ausgerichtet? Welche Zielgruppe will ich ansprechen? Wo ist mein Geschäft ansässig? Wie präge ich mit meiner Persönlichkeit mein Geschäft?«, beschreibt Dirk Sexauer, Leiter der VSF-Akademie, das optimale Vorgehen. »Auch die Antwort auf die Frage ›Kann ich mich selbst für das neue Thema begeistern?‹ sollte positiv ausfallen«, meint Fridolin Schubert, Inhaber des Fahrradladens »Velo-Radsport« in Nürnberg. Eine stabile Ausgangslage schließt auch eine solide finanzielle Situation ein. Ist diese nicht gegeben, riskiert man schon einmal die Existenz des Ladens, wenn sich der neue Trend, in den investiert wurde, als Flop entpuppt. Relativ gering ist das Risiko bei neuen Accessoires wie z. B. faltbaren Helmen, farbigen Reifen oder Pedalen. Trotzdem sollten auch sie zum Sortiment passen. »Ein neuer Trend kann aber auch zu einer Veränderung des ursprünglichen Portfolios führen. Dem liegt dann aber zumeist ein längerer Prozess zugrunde. Das geht nicht von heute auf morgen«, erklärt Sexauer vom VSF.
Gerade kleine Händler müssen schnell sein
Eine verzwickte Situation also gerade für kleine Händler, denen oft der finanzielle »Background« fehlt, die aber gleichzeitig die ersten sein müssen, wenn es gilt, eine Neuheit anzutesten. Dies bestätigt auch der Unternehmensberater Andreas Lübeck: »Kleine Händler müssen Trends sehr früh erkennen, denn wenn alle darauf setzen, ist es für sie meist schon zu spät, um sich damit durchsetzen zu können.« Sie seien auch eher gezwungen auf Trends aufzuspringen, um interessant zu bleiben, große Geschäfte erreichen dies bereits durch ihr breit gefächertes Produktangebot.
Accessoires fürs Microadventure
Nach der Arbeit mit dem Rad in den nahen Wald fahren und dort im Schlafsack liegend hören, wie Rehe ganz nah vorbeilaufen und bellen, ist ein einzigartiges Erlebnis. »Der Trend ›Microadventure‹ kommt wahrscheinlich aus den USA, genauer aus Portland/Oregon. Dort sitzen z.B. sehr viele IT-Fachleute bei häufig völlig entgrenzter Arbeitszeit an den Rechnern. Auf die Dauer beeinflusste diese Arbeitsweise das Lebensgefühl der Computerfreaks nachhaltig: Sie verloren das Gefühl zur Natur. Zum Ausgleich fingen sie an, kleine Abendteuer im städtischen Umfeld zu suchen. Das war die Geburtsstunde von ›Microadventure‹«, erzählt Peter Räuber, Geschäftsführer der Bekleidungsmarke Maloja. Als Fan des neuen Trends kann er ihn auch gut vermitteln. Das selbst Ausprobieren rät er auch allen Fahrradhändlern, bevor sie Geld in ein Trendthema stecken.
Stimmt das hauseigene Fahrradsortiment – ideal fürs kleine Abenteuer vor der Haustür sind tourentaugliche Mountainbikes – hält sich das Risiko in Grenzen. Schnell ist die Literaturecke mit entsprechender Lektüre ergänzt und die speziellen Taschen, die für die abendlich-nächtliche Tour platzsparend am Rahmen, Sattel und Lenker befestigt werden, geordert.
Regionale Kooperationen eingehen
Fridolin Schubert von Velo-Radsport stellt sich, bevor er einem Trend folgt, u. a. die Frage: »Mit welchem Thema können wir uns überregional profilieren?« Eine wichtige Frage, weil man damit als Händler den Einzugsbereich der Kunden vergrößern und eventuelle erfolgversprechende Kooperationen schließen kann.
Ein gutes Beispiel ist der Regionalverband Ruhr (RVR) in Essen. Elf kreisfreie Städte und vier Kreise schlossen sich hier zur »Metropole Ruhr« mit rund 5,1 Millionen Einwohnern zusammen. Ein Schwerpunkt ist die Tourismusförderung. Ein Infrastrukturprojekt darin trägt die Überschrift »Radfahren und Wandern: aktiv das Ruhrgebiet entdecken«.
Der Radschnellweg Ruhr R1 ist Teil eines Fahrradverkehrskonzepts, in das auch der RuhrtalRadweg, die Route Industriekultur per Rad und die Römer-Lippe-Route eingebunden ist. Der Stadt- und Regionalplaner Harald Spiering sieht darin »eine hohe Innovationskraft und noch ein sehr großes Entwicklungspotenzial« auch für den Fahrradfachhandel. Den Beleg dafür gibt es bereits: Laut Diplom-Ingenieur Spiering sind schon viele Fahrradfachgeschäfte aktiv in das sogenannte radrevier.ruhr eingebunden. Jochen Schlutius aus der Abteilung »Aktivtourismus, Ruhr Tourismus« bestätigt seine Einschätzung: »Durch das Radwegenetz des radrevier.ruhr können viele Fahrradläden profitieren, da der Abstand zu den Wegen überschaubar ist. Wenn vor Ort etwas kaputt geht oder daheim vergessen wird, werden Radurlauber gerne die Fahrradhändler aufsuchen.«
Regionale Fahrradnetze gibt es in vielen Regionen. Die Kooperationsmöglichkeiten, die sich hier für Händler auftun, sind vielfältig. So startete 2004 in Bochum ein relativ kleines Fahrradevent unter dem Motto »Fahrradsommer der Industriekultur«, das sich »mittlerweile zu einer ausgewachsenen, kleinen Fahrradmesse für die lokalen und regional agierenden Fahrradfachgeschäfte entwickelt« hat, erzählt Spiering. »Es ist wie auf einem Familienfest; man trifft sich einmal im Jahr und hat Spaß an neuen Entwicklungen und erfährt gleichzeitig Neues über das regionale Radwegenetz des RVR. Eine Win-Win-Geschichte seit 13 Jahren.«
Aus derartigen Veranstaltungen entstehen dann z. B. auch Kooperationen mit Fahrradhändlern, berichtet Spiering: »Aktuell laufen z. B. die Vorbereitungen für intensive Navigationsschulungen für die Radwegepaten des RVR. Durchgeführt von einem lokalen Fahrradfachgeschäft aus der Metropole Ruhr.«
Letzte Überlegungen vor der Entscheidung
Auf Trendthemen, die mit Produkten verbunden sind, die Kunden gerne anfassen, ausprobieren und vergleichen, können Händler unbeschwerter setzen, da die Gefahr kleiner ist, dass das Internet das Produkt für sich vereinnahmt. Einen weiteren Pluspunkt haben hippe Produkte, die regelmäßig gewartet werden müssen oder anderen Support vor Ort erfordern. So kommt der Kunde eher zurück.
Abzuraten ist von der Investition in ein Trendthema, das vom Stil bzw. der Ausrichtung des Geschäfts völlig abweicht. Auch ein ständiges Hinterherjagen von einem Trendprodukt zum anderen ist nicht empfehlenswert, da der Kunde dies als Indiz für Beliebigkeit bewerten könnte.
Wie kommt meine Entscheidung zum Kunden?
»Ein Händler, der sich für einen neuen Trend entscheidet, sollte gleichzeitig wissen, wie er ihn an wen verkaufen kann. Von Vorteil ist sicher, wenn er Stammkunden kennt, an die er das Produkt gezielt verkaufen kann. Diese agieren dann meist als Multiplikatoren«, rät der Unternehmensberater Andreas Lübeck. »Auch über eine gut gepflegte Facebook- oder Blogseite mit vielen aktiven Followern kann es gelingen, einen neuen Anreiz zu schaffen.«
Der Stadt- und Regionalplaner Spiering rät innovativen Händlern auch dazu, das neue Trendthema in die Ladengestaltung zu integrieren. So habe der Ladeninhaber von »Das Rad« in Dortmund »vor einiger Zeit sein Ladengeschäft umgebaut und ganz bewusst in die Neugestaltung originale Radwegweiser der Metropole Ruhr platziert, Wände mit Collagen zum Radschnellweg Ruhr beklebt und auch eine Info-Ecke dazu eingerichtet.«
»Kann ich mir zu dem Produkt eine technische Kompetenz aneignen bzw. einen Erfahrungs- und Wissensvorsprung erarbeiten?« Auch diese Frage sollte ein Händler positiv beantworten können, bevor er sich dafür entscheidet, in ein Trendthema zu investieren, rät Fridolin Schubert von Velo-Radsport.
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