Deutschlandweite Umfrage zum privaten Fahrradparken:
Wie sehr halten schlechte Parkmöglichkeiten vom Radfahren ab?
Das Fahrradparken wird zunehmend als Aufgabe der kommunalen Verkehrsplanung diskutiert. Nachdem vielerorts Konzepte für den fließenden Radverkehr erarbeitet und häufig auch umgesetzt wurden, rückt nun zunehmend der ruhende Radverkehr in den Fokus. Es ist allgemein bekannt, dass unzureichende, fehlende oder ungeeignete Fahrradabstellanlagen ein Hemmnis für die Fahrradnutzung darstellen. Fahrräder werden am Wohnort in viel zu engen Treppenhäusern, oft auch in den oberen Stockwerken, direkt in der Wohnung oder auf dem Balkon abgestellt. Sie verengen dort die Räume und reduzieren die Wohnfläche. Der Zugang zu Keller- oder Abstellräumen, die oftmals nur über steile Treppen oder eng an Mülltonnen vorbei erreichbar sind, erschwert die Fahrradnutzung im Alltag. Die Liste der offensichtlichen Mängel beim Abstellen von Fahrrädern am Wohnort ließe sich noch weiter fortsetzen.
An Zielorten wie zum Beispiel beim Einkaufen, bei Kneipenbesuchen oder beim Besuch von Freunden und Freundinnen werden ebenfalls sehr häufig Verlegenheitslösungen gewählt. Während der Bedarf an den Zielorten im Straßenraum sichtbar ist, bleiben die Behelfslösungen in den Wohngebäuden oder der gänzliche Verzicht auf ein eigenes Fahrrad im öffentlichen Raum meist unsichtbar.
Als Behelfslösung verbreitet ist das Fahrradparken im Treppenhaus, wie hier im Hamburg
Aus Quellen wie der Mobilitätsbefragung Hamburg 2022 lässt sich bereits ableiten, dass viele Menschen mit ihrer privaten Abstellsituation unzufrieden sind. Die negativen Auswirkungen von schlechten Abstellmöglichkeiten für Fahrräder könnten sich somit auch auf darauf auswirken, wie die Menschen ihre Fahrräder nutzen. Die Abstellsituation am Wohnort zu verbessern, dürfte ein großes Potenzial zur Steigerung der Fahrradnutzung bergen.
Wenig Einfluss in bestehenden Gebäuden
Die Verantwortung für die Erfüllung der entsprechenden Anforderungen an das Fahrradparken liegt grundsätzlich bei den Grundeigentümern und -Eigentümerinnen. Die Realität zeigt allerdings ein anderes Bild. Denn seit den 90er Jahren etablierten Anforderungen, bei Neu- und Umbauten für ausreichende Fahrradabstellmöglichkeiten zu sorgen, steht ein großer Altbaubestand gegenüber, der Bestandsschutz genießt und daher nicht diesen Anforderungen unterliegt. Dort könnte zwar im Sinne der Bewohner und Bewohnerinnen nachgerüstet werden, der Anteil der tatsächlich getroffenen Maßnahmen ist jedoch überschaubar, sodass die Problematik in großem Umfang bestehen bleibt. Auch bei Neubauten kommt es immer wieder vor, dass Baugenehmigungen erteilt werden, obwohl Fahrradabstellplätze zwar in ausreichender Zahl, aber in unzureichender Qualität (Zugang über Treppen, zu geringe Abstände zwischen Fahrradbügeln, umständliche Befestigung etc.) vorhanden sind. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit sich die öffentliche Hand dieser offensichtlichen Aufgabe annimmt, und Abhilfe schafft, da es letztlich im öffentlichen verkehrspolitischen Interesse liegt, Hindernisse für die Fahrradnutzung abzubauen.
Bedarf und Defizite
Um abzuschätzen, wie hoch der Bedarf an adäquaten Abstellmöglichkeiten für Fahrräder am Wohnort tatsächlich ist und in welchem Umfang Defizite bestehen, die den Verantwortlichen für die Radverkehrsplanung bisher nicht bekannt waren, wurde von Ende Juli bis Mitte September 2024 bundesweit eine breit angelegte Online-Befragung zur Abstellsituation von Fahrrädern am Wohnort durch das Büro Argus Stadt und Verkehr durchgeführt. Aufgrund des beruflichen Hintergrunds und der Verbreitung der Umfrage in entsprechenden Verteilern kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der ca. 3200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus einem eher fahrradaffinen Umfeld stammt, was einerseits die Alltagserfahrungen gut abbildet, andererseits aber möglicherweise die Zielgruppe derer unterrepräsentiert, die durch eine verbesserte Abstellsituation das Fahrrad häufiger nutzen könnten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Bewertung der vorhandenen Abstellmöglichkeiten auch durch die unterschiedlichen Ansprüche der verschiedenen Gruppen beeinflusst wird. Die Befragung erhebt daher keinen Anspruch auf Repräsentativität. Der Großteil der Teilnehmenden stammt aus deutschen Großstädten. Aufgrund der Streuung der Befragung kamen die meisten von ihnen aus Hamburg, gefolgt von Berlin, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen. Trotz dieser Einschränkungen lassen sich aus den Ergebnissen konkrete Hinweise ableiten.
Wo parken die Fahrräder?
Die Umfrage ergab, dass rund 80 Prozent der Befragten ein hochwertiges Fahrrad und zwei Drittel mehr als ein Fahrrad pro Person besitzen. Etwa 15 Prozent der Befragten nutzen E-Bikes, knapp vier Prozent Lastenräder.
Differenziert nach Fahrradtypen zeigt sich, dass die Befragten in erster Linie Stadt- und Trekkingräder nutzen.
Rund drei Viertel der Fahrräder werden im oder direkt am Haus abgestellt. Hochwertige Fahrräder werden fast ausschließlich im Haus oder in einem gesicherten Raum am Haus abgestellt. So werden ca. 40 Prozent im Keller, ca. 20 Prozent in der Garage/Tiefgarage, ca. 20 Prozent in Fahrradschuppen und knapp 15 Prozent in der Wohnung selbst abgestellt. In jedem sechsten Fall beeinflusst das Fahrradparken also die Wohnsituation, da ein oder mehrere Fahrräder in der Wohnung geparkt werden müssen.
Die stichprobenartigen Städtevergleiche zeigen, dass die strukturellen Probleme in den Großstädten grundsätzlich und quantitativ ähnlich sind.
Bewertung der Parksituation zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Nur etwa ein Viertel der Befragten gab an, zu Hause keine Hindernisse mit dem Fahrrad überwinden zu müssen. Dennoch bewerteten drei Viertel der Befragten die Erreichbarkeit der Fahrradabstellanlagen am eigenen Wohnort als gut bis sehr gut und nur etwa 25 Prozent als eher schlecht. Auch bei den anderen Qualitätsmerkmalen wie Diebstahlschutz, Witterungsschutz und Erreichbarkeit liegt die Bewertung jeweils nur bei etwa einem Fünftel im negativen Bereich.
Dennoch wünscht sich mehr als die Hälfte der Befragten eine Verbesserung ihrer Fahrradabstellsituation. Knapp 30 Prozent würden bis zu fünf Euro pro Monat zahlen, 25 Prozent bis zu zehn Euro pro Monat und rund sieben Prozent bis zu 20 Euro pro Monat. Eine Spanne wird deutlich - zwischen dem eigentlich wünschenswerten Zustand und dem Abfinden mit den mäßigen Gegebenheiten. Diebstahlschutz ist für die meisten das entscheidende Kriterium, wenn es um das Abstellen des Fahrrades geht.
Mit der Wohndichte steigen die Probleme
Die Abstellsituation ist je nach Gebäudetyp sehr unterschiedlich. Während die meisten Befragten in Einfamilienhäusern Zugang zu abschließbaren Räumen außerhalb des Hauses haben, können die Fahrräder in Neubauten sehr häufig in Gemeinschaftsräumen innerhalb der Gebäude abgestellt werden. In Nachkriegsbauten und insbesondere in Altbauten sind diese Möglichkeiten deutlich seltener gegeben und die Fahrräder müssen oft in privaten Räumen oder an Fahrradbügeln oder Ähnlichem im Freiraum abgestellt werden. Dennoch nutzen die Bewohner und Bewohnerinnen von Altbauten das Fahrrad tendenziell am häufigsten, was möglicherweise auch auf die oft zentrumsnahe Lage vieler Altbauquartiere zurückzuführen ist.
Bei der Bewertung der Abstellsituation gibt es große Unterschiede zwischen den Gebäudetypen. In Einfamilienhäusern wird die Situation in
Bezug auf Zugänglichkeit, Witterungsschutz und Sicherheit generell sehr positiv bewertet. Vor allem in Altbauten, aber auch in Nachkriegsbauten bewerten die Befragten ihre Situation hinsichtlich dieser drei Aspekte negativ. Hier kumulieren Engpässe innerhalb der Gebäude und der Nutzungsdruck auf die wohnungsnahen Freiräume.
Im Altbau müssen die Bewohner und Bewohnerinnen ihre Fahrräder im Vergleich zu den anderen Gebäudetypen am häufigsten in höhere Stockwerke tragen, nämlich in etwa jedem sechsten Fall. Im Vergleich zu den anderen Gebäudetypen wird hier auch am häufigsten auf die Nutzung hochwertiger Fahrräder verzichtet.
Verhaltensanpassungen
Hervorzuheben ist, dass gut ein Fünftel der Befragten aufgrund der Parksituation am Wohnort eindeutig oder zumindest teilweise weniger Fahrrad fährt – dies auch vor dem Hintergrund der oben genannten generell hohen Fahrradaffinität unter den Teilnehmenden.
Eine vertiefende Betrachtung derjenigen, die wenig Fahrrad fahren, weist sowohl im Hinblick auf die Parksituation als auch auf deren Bewertung teilweise sehr deutliche Unterschiede zum Durchschnitt auf. Besonders ausgeprägt ist die deutlich negativere Beurteilung der Zugangsmöglichkeiten zum Abstellort. Dies untermauert den Zusammenhang zwischen der Qualität des Fahrradparkens und der Häufigkeit der Fahrradnutzung.
In hoch verdichteten Quartieren häufen sich Verlegenheitslösungen.
Von den Befragten mit einem hochwertigen Fahrrad nutzen über 80 Prozent dieses auch im Alltag. Die im Vorfeld der Befragung vermuteten häufigen Verlegenheitslösungen (zum Beispiel das Abstellen der Räder innerhalb der Wohnung), wurden vielfach und facettenreich beschrieben. Von den Befragten, die derzeit aufgrund der Abstellsituation auf ein hochwertiges Fahrrad verzichten, würde sich die Mehrheit (ca. 85 Prozent) ein hochwertiges Alltagsrad anschaffen, wenn die Abstellsituation am Wohnort besser wäre.
Qualitativ hochwertige Angebote im öffentlichen Raum schaffen
Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen, dass das Abstellen von Fahrrädern am Wohnort in den Städten ein strukturelles Problem ist. Der Bedarf, Räder adäquat abstellen zu können, steigt mit zunehmender Dichte. Behelfslösungen und Verhaltensanpassungen haben verschiedene gravierende Nachteile. In Altbauquartieren und ähnlich verdichteten Wohngebieten kann in der Gesamtschau auf alle aufgeführten Teilergebnisse eine Bandbreite von einem Viertel bis zur Hälfte der vorhandenen Fahrräder als grober Orientierungswert dienen, für den ein qualitativ hochwertiges Angebot im öffentlichen Raum geschaffen werden sollte. Hinzukommen notwendige Angebote für Besucher und Besucherinnen. Auch auf privaten Grundstücken müssen mehr Abstellmöglichkeiten entstehen. Die Qualität bemisst sich in erster Linie am Diebstahlschutz, muss aber zwingend weitere Anforderungen erfüllen und beispielsweise gut zugänglich und nah am Wohnort sein. Die Städte müssen sich dieses Themas annehmen, wenn sie das Verlagerungspotenzial von anderen Verkehrsmitteln auf das Fahrrad voll ausschöpfen wollen. Es bedarf einer Systematik, aus der sich die lokale Nachfrage und deren Verteilung ableiten lässt. Mittelfristig gilt es, auch die Abstellsituation von Lastenrädern und Pedelecs vertieft zu untersuchen, da sich deren Parksituation aufgrund von Größe und Gewicht deutlich anders darstellt. Die Umfrage von Argus Stadt und Verkehr soll in einen Vorschlag für eine systematische Herangehensweise einfließen, der die fachliche Diskussion über dieses Thema weiter antreiben soll.
Dieser Beitrag wurde für die neue Ausgabe des Fachmagazins Veloplan verfasst, das in dieser Woche erscheint.
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