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Report - Digitale Kundenerfassung

Wo laufen sie denn?

Das weite Feld der Retail Analytics ist heute für manchen Einzelhändler eine selbstverständlich genutzte Technologie. Im stationären Fahrradhandel haben die digitalen Systeme erst wenig Einzug gehalten. Dabei lohnt es sich, die Möglichkeiten auszuloten.

Retail Analytics bedeutet, Kundendaten im Handel zu erfassen und sie für die weitere Steuerung des Kunden- beziehungsweise Kundinnenverhaltens zu präparieren, letztendlich natürlich zur Absatzsteigerung. Im Lebensmittel-Einzelhandel ist diese Technologie nahezu selbstverständlich. Konkret handelt es sich dabei um Technik und analytische Systeme, die durchaus spannende Fragen beantworten: Wie viele Menschen kommen wann in den Laden und wie lange bleiben sie? Wie viele landen auch wirklich an der Kasse? Warum die anderen nicht? Schnell erweist sich von Vorteil, sogenannte Heatmaps erstellen zu können. Wo läuft die Kundschaft lang, wo bleibt sie wie lange stehen, und warum nicht woanders?

Zählen und erkennen

In der Covid-19-Pandemie nahm das Geschäft mit Retail Analytics deutlich zu, wenn auch zunächst aus anderem Grunde. Man nutzte die einfacheren Systeme für Einlassregelungen. Durch das Zählen am Eingang konnte verhindert werden, dass sich zu viele Menschen im Geschäft aufhielten. So wurden rechtliche Regelungen eingehalten. Solche Zählungen werden meist mit Licht- beziehungsweise Laserschranken abgedeckt. Sie sind relativ günstig, aber bei großem Besucheransturm nicht immer zuverlässig. Relativ einfach ist auch die Zählung mit WLAN-Routern. Sie erfassen alle eintretenden Personen mit angeschaltetem Handy-Wlan. Doch nicht immer haben Kundin und Kunde WLAN aktiviert, was zu Fehlzählungen führt. Auch Wärmebildkameras sind heute eine relativ einfache und effiziente Möglichkeit, um die Laufwege der Kundschaft zu erkunden. Die hochwertigsten Daten bekommt man heute aber mit Stereokameras, die eine 3D-Ortung ermöglichen.

Mit komplexer Hightech zu klaren Analysen

Für welche Zwecke genau? »Die Königsklasse ist heute die Bestimmung der gesamten Customer Journey«, sagt Raphaela Tegründe vom Unternehmen Lase PeCo GmbH. Das Unternehmen kommt ursprünglich aus dem Outdoor-Bereich und hat sehr viel Erfahrung mit Lasercountern, eingesetzt auch im Auftrag von Städten und Gemeinden. Dabei werden per Laserschranke Fußgänger in einem bestimmten Bereich gezählt, etwa für Verkehrszählungen, die die Eignung von Baumaßnahmen untersuchen. Aber auch Parkplatzüberwachung ist ein wichtiger Einsatzbereich der Technik und immer noch ein Standbein des in Wesel hauptansässigen, mittlerweile international agierenden Unternehmens.


Das eine ist die Erfassung der Besucherströme. Nicht minder wichtig ist es, im Anschluss die gesammelten Daten richtig zu analysieren, um dann die passenden Konsequenzen für das eigene Ladengeschäft zu ziehen.

Für die meisten Aufgaben in Sachen Instore-Analytics verwendet man aber genannte Kameratechnik, bei Lase Peco vor allem die Stereokameras von Xovis. Mit ihnen lässt sich nicht nur gut zählen, es lassen sich auch die Wege der Kunden und Kundinnen verfolgen und noch vieles mehr. Es ist eine Frage des Aufwands, wo man aufhören will. Ein potenzielles Beispiel aus dem Fahrradhandel gibt Tegründe gleich selbst: »Gleich im Eingangsbereich ist das neue Fahrradmodell aufgestellt. Ich möchte wissen: Wie viele Menschen bleiben hier stehen, wie lange stehen sie hier, welchen Weg nehmen sie dann?« Eine Stereokamera reicht aus, um die Verweildauer von Personen am Stand zu messen. Der Einzelhandel kann hiermit zum Beispiel die Attraktivität eines speziellen Angebotes für die Kundschaft testen. Aber die Möglichkeiten fangen damit erst an. Die entsprechend in Zahl und Ort richtig positionierten Kameras können die Besucher zählen und klassifizieren.
Je nach Ausführung der Technik können auch Alter und Geschlecht dokumentiert werden. Wen der Ladenbesucher spricht das neue Modell wirklich an? Wer davon fragt danach nach einer Probefahrt?

Datenschutz? Kein Problem!

Diese Möglichkeiten dürften bei vielen die Frage nach dem Datenschutz aufwerfen. Doch der ist hier unproblematisch. Die Kamerasensoren »sehen« zwar Bilder der Menschen, »was aber übertragen wird, ist kein Bild, sondern nur die Klassifizierung, die der Betreiber des Systems individuell anlegen kann – also etwa die nach Altersgruppe, Geschlecht etc. Letztendlich kommen bunte Bubbles auf den Monitoren an, die die einzelnen Kategorien kennzeichnen.« Erhalten werden auf den Monitoren der Einzelhandelsunternehmen also keine Bilddaten zur Auswertung, die mit Vorgaben des Datenschutzes in Konflikt kommen könnten.
Ein Kunde von Lase Peco ist übrigens Rose. Der Direktvertriebler treibt auch stationär hohen Aufwand und setzt in allen seinen Markenshops auf die Zählung über einen Deckensensor.

Netzwerk-Infrastruktur ist entscheidend

Bei alledem kommt es auf das richtige Miteinander aller Komponenten an, die Infrastruktur muss passen. Da sind zum einen die Kamera selbst und ein Netzwerkanschluss. Lase Peco bietet für das System einen Router, den die meisten Kunden auch annehmen. »Das Schönste bei der Sache ist aber die Cloud dahinter, in der die Daten zusammenlaufen«, so Tegründe. Über eine Schnittstelle und die zur Verfügung gestellte Software lassen sich dann schon mit »kleinen« Paketen große und für Shop-Betreiber wichtige Statistiken erstellen. Wie viele Menschen haben den Store betreten, wie groß ist die Conversion Rate, also wie viele der potenziellen Kunden und Kundinnen haben auch wirklich gekauft?

Geht es um die Verweildauer, um Heatmaps und die gesamte Customer Journey, braucht es mehr. Vor allem mehr Kameratechnik und mehr Vernetzung ihrer Sensorik. Schließlich müssen einzelne Individuen weiter verfolgt werden können, was bedeutet, dass nicht nur Verweildauern aufgezeichnet werden, sondern auch die Information, dass die konkrete Person X von Ort Y zu Ort Z gegangen ist. Der Kunde oder die Kundin muss also identifizierbar vom einen zum nächsten Sensoren »weitergegeben« werden können.

Vorteile auch in Sachen Personaleinsatzplanung

Natürlich ist die Zahl der Kundinnen oder Kunden nicht der einzige Weg zur Effizienzsteigerung. Ableitungen auf die notwendige Personalstärke bieten sich an. »Zählungen auf fest definierten Flächen ermöglichen beispielsweise eine deutlich effizientere Personaleinsatzplanung«, erläutert Christian Jagusch, Marketingleiter bei der Crosscan GmbH. Das 2003 gegründete Unternehmen ist einer der größten Systemanbieter in Sachen Besucherfrequenzmessung und Analyse im Einzelhandel und international aktiv. Hier hat man vor allem große Flächen wie etwa Baumärkte als Kunden im Blick. Und auch hier arbeitet man unter anderem mit 3D-Frequenzzählern. »Man sieht in diesen Anwendungen sofort, wo Personal fehlt«, so Jagusch. »Das ist zum Beispiel auch äußerst effektiv, um zu bestimmten Tageszeiten die Personalmenge an den tatsächlichen Bedarf anzupassen.« Im City-Bereich shoppen beispielsweise viele Menschen in der Mittagspause. »Der Shop-Betreiber kann mit einer passenden Ausstattung sehr leicht erkennen, wann und wo mehr Personal eingesetzt werden sollte.«


Die heutigen technischen Möglichkeiten erlauben vielfältige Analysen, die weit über das hinausgehen, was noch vor Kurzem denkbar war. Im Ergebnis lassen sich Personaleinsatz, Warenpräsentation und Ladengestaltung viel effektiver optimieren.

Aber eigentlich offenbart sich der Nutzen der Retail Analytics schon weit früher. Bei der Zählung der Passanten vor dem Geschäft, dem Anteil derer, die aus diesem passierenden Strom dann in den Store kommen und gegebenenfalls der Analyse der Verweildauer am Schaufenster. Wie lange bleibt jemand hier stehen? Wer entschließt sich dann, in das Geschäft zu gehen? Wie viele Besucher werden zu Kunden? Auch diese Fragen lassen sich adressieren.
»Wir bieten unsere Analytics-Lösungen grundsätzlich als Full-Service-Dienstleistung an«, so Jagusch. »Man kann aber auch bei Bedarf nur die Hardware ordern oder unsere cloud-basierte Crosscan Analyse-Software nutzen. Die Installation kann durch uns oder auch durch den Kunden selbst erfolgen.« Meist verlässt sich die Kundschaft aber auf die Paketangebote von Crosscan. Auf einen besonderen Effekt eines Retail-Analytics-Systems verweist Jagusch mit dem Beispiel einer renommierten Autohaus-Gruppe. Dort war neben den jeweiligen Verweildauern an den Ausstellungsfahrzeugen eine der Erkenntnisse, dass die durch Crosscan ermittelte Altersstruktur der Besucher nicht der Hauptzielgruppe des Kunden entsprach und deutlich weniger weibliche Besucher die Standorte aufsuchten als angenommen. Marketing- und Werbebemühungen, mehr weibliches Publikum in den Store zu bekommen, können mit einem solchen hochwertigen System gut auf ihre Effizienz im Rahmen der Werbewirksamkeitskontrolle hin untersucht werden. Die Highend-Systeme werden heute schon weitflächig mit künstlicher Intelligenz »geschult«.
Die Kosten zur Effizienzsteigerung, zumindest für klar abgegrenzte Analysen, lassen sich durchaus stemmen. Um Maßnahmen zur Steigerung der Conversion Rate einzuleiten, braucht man nur die Datenerhebung, bei einem kleinen Shop mit nur einem Eingang also einen Sensor, die Verkabelung nebst Analysesoftware und die Ethernet-Datenkabelvorbereitung vonseiten des Einzelhandels. Damit lässt sich die Conversion Rate einfach bestimmen – und so, laut Crosscan, eine Amortisierung oft schon in etwa einem halben Jahr erreichen, da man mit dieser Investition Stellschrauben wie Personaleinsatzplanung, Mitarbeiterschulung oder Marketingmaßnahmen regulieren kann.
Die Frage, ab welcher Geschäftsgröße sich überhaupt der Einsatz von Retail-Analytics-Systemen lohnt, stellt sich fast nicht mehr, denn auch wenn kein Unternehmen sich aus verständlichen Gründen auf einen konkreten Betrag festlegen lassen will: Mit rund 5000 Euro etwa dürfte man ein System wie oben beschrieben in einem Store mit 300 bis 500 Quadratmetern durchaus umsetzen können. //

4. März 2025 von Georg Bleicher
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