US-Forscher skizzieren die globale Radförderung
World Watch Institute: Ohne Infrastruktur kein Radverkehr
In dem sehr ausführlichen Bericht geht das World Watch Institute auf zahlreiche Facetten der Radverkehrspolitik ein. Einen Schwerpunkt bilden dabei die positiven Auswirkungen der Fahrrad-Förderung etwa auf CO2-Emmissionen, die Gesundheit der Bevölkerung und auf kommunale Finanzen. Interessant ist aber auch, wie in dem Bericht die Zusammenhänge von Fahrradpolitik und tatsächlicher Fahrradnutzung skizziert werden. Demnach sei ein hoher Radverkehrsanteil weniger eine Frage der wirtschaftlichen Entwicklungen oder des Wohlstands eines Landes, sondern in erster Linie der Schaffung von Infrastrukturen für den Radverkehr. So ist zum Beispiel auch Amsterdam der hohe Radler-Anteil nicht in den Schoß gefallen. Vielmehr erlebte die niederländische Metropole wie viele europäische Städte in den 60er Jahren einen deutlichen Rückgang des Radverkehrs und gleichzeitig eine Zunahme des Autoverkehrs. Doch die Amsterdamer Stadtväter reagierten auf diese Entwicklung mit einer engagierten Fahrradpolitik, bauten Radwege, schufen Radmitnahmemöglichkeiten in Nahverkehrszügen und Fahrradparkhäuser. In Folge konnte der Radverkehrsanteil seit den Siebziger Jahren von damals 25 % auf inzwischen bis zu 38 % gesteigert werden.
Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Fahrradpolitik fand das World Watch Institute in Freiburg, das von den US-Forschern sogar als „Musterfall intelligenter Nahverkehrsplanung“ bezeichnet wird. Die Stadt am Rand des Schwarzwalds hat ihr Radwegenetz seit 1972 von 29 auf 160 Kilometer ausgebaut. Zudem wurden rund 400 km innerstädtischer Straßen verkehrsberuhigt. Die Zahl der Fahrrad-Parkplätze in der Stadt wurde seit 1987 verdreifacht. Im Gegenzug sank die Zahl der Autos je Einwohner und liegt inzwischen um 23 % unter dem Bundesdurchschnitt (zum Vergleich: 1960 lag Freiburg bei der Autozahl noch um das Doppelte über dem Bundesdurchschnitt). Der Autoverkehr in Wohngebieten ist zwischen 1990 und 2006 um 13 % zurückgegangen, der Anteil des Radverkehrs ist hingegen seit 1982 von 11 % auf 28 % gestiegen.
Von solchen Zuständen sind die Metropolen in Nordamerika noch weit entfernt. Selbst ausgewiesene Radfahrerstädte wie Portland können sich mit diesen Werten nicht ansatzweise messen. Unter den amerikanischen Metropolen besitzt die Stadt im US-Bundesstaat Oregon mit einem Radverkehrsanteil von gerademal 4 % schon eine Ausnahmestellung. Auch bei den kommunalen Finanzen werden die Unterschiede zwischen neuer und alter Welt deutlich: Portland gibt jährlich für die Fahrradinfrastruktur 3,50 USD je Einwohner aus. In Amsterdam sind es 39 USD.
Die Vormacht des Autos in den USA, aber auch gleichzeitig das große Potenzial für Fahrräder belegen die folgenden Zahlen des World Watch Institute: Demnach seien in den USA rund die Hälfte aller zurückgelegten Wege kürzer als fünf Kilometer. 72 % dieser Kurzstrecken werden in den USA mit dem Auto zurückgelegt, weniger als zwei Prozent mit dem Fahrrad. Selbst bei Strecken unter einer Meile (also unter rund 1,6 Kilometern) setzen sich die Amerikaner noch zu 60 % ins Auto.
Das Argument, dass Fahrräder vor allem auch wegen der Gefahren im Straßenverkehr nicht genutzt werden, wollen die Forscher aus Washington übrigens nicht gelten lassen. Vielmehr gelte: Je mehr Menschen in einer Stadt Fahrrad fahren, desto sicherer wird es. Mehrere Beispiele würden das belegen: In Portland habe sich etwa die Zahl der Radfahrer seit 1991 vervierfacht, gleichzeitig sei die Zahl der Radunfälle im selben Zeitraum um 69 % gefallen. Oder London: Dort hat der Radverkehr zwischen 2002 und 2008 um 83 % zugenommen, die Zahl der Fahrradunfälle hingegen um 28 % abgenommen. Den Gegenbeweis liefern ebenfalls die USA: Dort sterben jährlich fünfmal mehr Radfahrer im Straßenverkehr als in den Niederlanden.
Der komplette (allerdings leider unformatierte) Artikel des World Watch Institute ist online lesbar unter: http://www.worldwatch.org/node/6456 .
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