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Siegfried Neuberger
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Der neue Mann am Verbandsruder

ZIV-Chef Neuberger: "Wir müssen noch offensiver auftreten"

Im Verbandsgeschäft ist Siegfried Neuberger schon ein alter Hase: Nach Stationen im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Gartengeräte-Industrie wechselte Neuberger schon 1995 als technischer Referent zum Verband der Fahrrad- und Motorradindustrie, dem Vorläufer des heutigen Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV). Dennoch markierte seine Beförderung zum alleinigen Geschäftsführer des ZIV zum Jahreswechsel einen Generationswechsel im Industrieverband. Diesen Eindruck unterstreicht der "neue" Mann an der ZIV-Spitze auch im Interview mit velobiz.de, in dem er unter anderem fordert, dass sein Verband künftig offensiver auftritt und sein Dienstleistungsprofil in der Branche weiter schärft.

{b}velobiz.de: Noch vor ein paar Jahren konnte man wohl durchaus behaupten, dass der ZIV in einer Krise steckt, die sich vor allem durch einen Schwund bei den Mitgliederzahlen bemerkbar machte. Inzwischen scheint diese Krise überwunden, der ZIV hat in den letzten zwei Jahren einige neue Mitgliedsbetriebe gewinnen können. Was waren die Auslöser dafür?{/b}

Neuberger: Ich denke, zwei ganz wichtige Wegmarken für unseren Verband waren die Fusion mit dem Verband der Fahrradteilehersteller (FTV) und dass später auch der Zweirad Groß- und Außenhandelsverband (ZGA), in dem vor allem die Fahrradimporteure organisiert waren, unter das Dach des ZIV geschlüpft sind. Diese neue Struktur gibt auch die Realitäten der Branche wieder, in der es schon längst keine klaren Trennlinien zwischen Herstellern und Importeuren mehr gibt. Auf dieser breiteren Basis konnten wir als Verband einerseits unseren Mitgliedern ein wesentlich größeres Leistungsspektrum bieten und nach außen hin aktiver auftreten. Das wiederum hat dazu geführt, dass wir seit der Fusion mit den anderen Verbänden auch für Unternehmen attraktiv wurden, die zuvor in noch keinem Verband organisiert waren.
Ein weiterer Auslöser für den Zuwachs beim ZIV war sicherlich das Elektrofahrrad. Mit diesem Thema beschäftigen wir uns als Verband schon seit über zehn Jahren. Wir haben hier inzwischen viel Know how aufgebaut und können die Industrie in diesem Produktbereich und Markt nun sehr effektiv unterstützen.

{b}velobiz.de: Wie viele Mitgliedsunternehmen hat der ZIV gegenwärtig?{/b}

Neuberger: Derzeit hat der ZIV rund 80 Mitgliedsunternehmen

{b}velobiz.de: Ist es manchmal noch schwierig, die verschiedenen Interessen der einzelnen Mitglieder-Fraktionen, zum Beispiel Importeure und Hersteller, unter einen Hut zu bringen?{/b}

Neuberger: Nein, das hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Die Interessenlagen der Anbieter in der Fahrradbranche sind in den meisten Bereichen absolut deckungsgleich. Eine unserer zentralen Aufgaben als Verband ist beispielsweise, die Rahmenbedingungen für das Fahrrad zu verbessern und somit auch den Fahrradmarkt positiv weiter zu entwickeln. Das ist eine Zielsetzung, die jeder Anbieter mittragen kann. Es gibt derzeit eigentlich kein Thema, das unter den ZIV-Mitgliedern kontrovers diskutiert wird.

{b}velobiz.de: In den vergangenen 14 Jahren haben Sie die Entwicklung des ZIV bereits persönlich mit gestaltet. Zum Jahreswechsel haben Sie nun Rolf Lemberg als Geschäftsführer des Verbands beerbt. Welche Prägung des Verbands ist von Ihnen zu erwarten?{/b}

Neuberger: Ich denke, dass Rolf Lemberg und ich in den vergangenen Jahren als Team eine gute Arbeit geleistet haben. An diese Arbeit möchte ich anknüpfen, zum Beispiel in dem wir das Dienstleistungsangebot für die Mitgliedsfirmen weiter ausbauen…

{b}velobiz.de: Welche Dienstleistungen sind das?{/b}

Neuberger: Zum Beispiel die Versorgung der Unternehmen mit technischen und politischen Informationen. Die Themenfelder in der Branche werden immer breiter und komplexer. Die Fahrradbranche beschäftigt sich heute beispielsweise intensiv mit der Elektromobilität, wodurch neue Anforderungen und Herausforderungen auf unsere Mitgliedsbetriebe zukommen. Vor diesem Hintergrund ist unser Know how als Verband, aber auch der Informationsaustausch mit anderen Unternehmen sehr gefragt. Und die Voraussetzungen dafür wollen wir künftig noch deutlich ausbauen.
Weitere Schwerpunkte will ich bei Image-Kampagnen für das Fahrrad, wie z.B. der Initiative „Pro Fahrrad“, der politischen Lobby-Arbeit und auf dem Gebiet der Schaffung und Fortschreibung von technischen Regelwerken setzen. Ich denke, dass wir hier als Verband wesentlich stärker auftreten werden.

{b}velobiz.de: Beim Vivavelo-Kongress in Berlin wurde Kritik an den Branchenverbänden geübt, dass sie in diesem Bereich bisher zu wenig aktiv gewesen seien…{/b}

Neuberger: Solche Kritik müssen wir als ZIV natürlich konstruktiv aufnehmen. Wir haben als Verband bisher bereits Lobby-Arbeit geleistet. Wir wirken in zahlreichen politischen Arbeitskreisen zum Radverkehr mit und haben einen kurzen Draht in verschiedene Ministerien. Aber vielleicht müssen wir in diesen Kreisen noch offensiver auftreten. Ich verstehe die in Berlin geäußerte Kritik aber auch nicht als Kritik explizit am ZIV, sondern vielmehr als Aufruf, unsere Kräfte zu bündeln. Auf der politischen Ebene erreichen wir jedenfalls am meisten, wenn die verschiedenen Organisationen gemeinsam auftreten. Die Verbände, die von der Verbraucherseite kommen, haben in den Ministerien zudem meist einen einfacheren Zugang als wir von der Industrieseite. Deshalb ist es für den ZIV auch besonders wichtig, dass wir unsere Netzwerke in der Fahrradwelt weiter ausbauen.

{b}velobiz.de: Image-Kampagnen und Lobby-Arbeit erfordern auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung des Verbands. Sind denn ihre Mitglieder auch bereit, einen entsprechenden Beitrag zu leisten?{/b}

Neuberger: Wir haben in den letzten Jahren für unsere Initiative „Pro Fahrrad“ schon einiges an Mitteln eingesetzt und dafür auch die entsprechende Unterstützung unserer Mitglieder bekommen. Natürlich haben wir als Verband der Fahrradbranche keine unbegrenzten Mittel, sondern sind mit einem vergleichsweise kleinen Budget ausgestattet. Aber man muss auch nicht immer riesige Beträge einsetzen, um etwas zu bewegen. Wir können über die Mitgliedsfirmen und über den Handel vieles zum Verbraucher transportieren. Wir arbeiten vielleicht auf einer anderen Basis als eine Branche, die mehrstellige Millionen-Etats für Image-Kampagnen aufwenden kann. Aber das muss ja nicht heißen, dass unser Weg schlechter oder weniger wirksam wäre. Wir brauchen diese Riesen-Etats auch gar nicht, das Fahrrad hat ja schon ein positives Image. Unsere Aufgabe ist, dieses positive Image noch stärker im Bewusstsein der Bevölkerung und der Politik zu verankern. Um diese Aufgaben noch wirksamer und effizienter erfüllen zu können, haben wir im Januar 2010 einen neuen Mitarbeiter, Herrn Stephan Schreyer, eingestellt. Er wird sich schwerpunktmäßig mit allen ZIV Themen im Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen.

{b}velobiz.de: Ein Thema, dass die meisten Marktteilnehmer gerade sehr beschäftigt, ist das drohende Ende der Anti-Dumping-Zölle auf Fahrräder aus China und Vietnam. Braucht die Fahrradindustrie in Europa weiterhin solche Strafzölle?{/b}

Neuberger: Als ZIV gehen wir davon aus, dass wir einen Anti-Dumping-Zoll auch weiterhin brauchen, um die europäische Fahrrad- und Fahrradteileindustrie zu schützen. Solange es in China Dumping gibt, das heißt solange dort der Staat den Export weiter massiv finanziell fördert, muss unsere Industrie vor dieser Verzerrung des Wettbewerbs geschützt werden. Nun muss die EU Kommission feststellen, ob dies weiterhin der Fall ist.

{b}velobiz.de: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Strafzölle von der EU noch mal in eine neue Runde geschickt werden?{/b}

Neuberger: Das ist im Moment noch schwer einzuschätzen. Ich denke aber, dass die Chancen nicht schlecht sind. Offensichtlich wird vom chinesischen Staat insbesondere an Fahrradhersteller weiterhin Exportförderung gezahlt, wohl auch weil der inländische Fahrradmarkt dort schrumpft. Die möglichen Folgen eines Wegfalls der Anti-Dumping-Zölle lassen sich in Amerika ablesen: Dort sind auch vor ein paar Jahren die Zollschranken für Importe aus China gefallen. Danach hat es nicht lange gedauert, bis das letzte industriell gefertigte Fahrrad in Amerika vom Band gelaufen ist. Davor müssen wir die europäische Fahrrad- und Fahrradteile-Industrie schützen.

28. April 2010 von Markus Fritsch

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