Rückzug des Verleih-E-Scooters
Bird verlässt Deutschland
Es waren die jüngsten Quartalszahlen vor ein paar Wochen, die Marktbeobachter bereits aufhorchen ließen. Bird hat über die Jahre in einem Dutzend Finanzierungsrunden rund 880 Millionen US-Dollar an Wagniskapital eingesammelt. Zuletzt lag der Börsenwert aber nur noch bei 100 Millionen Dollar aufgrund der wenig beeindruckenden Entwicklung in letzter Zeit. Die Spekulation geht dahin, dass das verfügbare Kapital nur noch für wenige Quartale ausreicht.
Mit all diesem Druck im Hintergrund hat Bird vorgestern bekanntgegeben, sich vom deutschen Markt für Verleih-E-Scooter zurückzuziehen. Auch in Norwegen und Schweden wurde ein Rückzug angekündigt, ebenso wie in mehreren Dutzend nicht rentablen Städten in den USA, Europa, dem Nahen Osten und Afrika.
Begründet wird dieser Schritt vom Unternehmen damit, dass die notwendigen wirtschaftlichen Bedingungen in diesen Orten nicht gegeben sind. Insbesondere wird der Mangel an einem „robusten regulatorischen Rahmen“ beklagt.
Gemeint ist damit, dass in diesen Märkten zu viele und regelmäßig wechselnde Wettbewerber zu viele E-Scooter bereitstellen, die zu einer Überversorgung des Marktes führen und wirtschaftlichen Betrieb unmöglich machten. Nun wolle man den bereits angekündigten Weg zu „tragfähigen finanziellen Zukunft“ (financial self-sustainability) weiter gehen, indem man sich von den Kostentreibern trenne. Dieser Schritt sei nach einer gründlichen Analyse des eigenen Portfolios erfolgt. Er hat natürlich auch Folgen für die eigenen Beschäftigten in diesen Märkten, ebenso wie Teams in den USA.
Für die Zukunft erwartet Bird zwar nach wie vor eine Vervielfachung des E-Scooter-Verleihmarktes, die gegenwärtige makroökonomische Lage zwinge aber zu den Einschnitten.
Bird-E-Bikes nicht betroffen
Wie das Unternehmen auf Velobiz-Nachfrage mitteilte, ist das Geschäft mit den Bird-E-Bikes, wie sie bereits vor zwei Jahren auf der Eurobike vorgestellt wurden, nicht betroffen. Diese Räder würden auch weiterhin in Deutschland verfügbar bleiben. Der Vertrieb läuft über das Partnerunternehmen PMG (pmobility.com). Die Niederländer sind Hersteller und Distributor der E-Bikes.
Wettbewerb reagiert auf Ankündigung
Dass dieser Schritt von Bird in der gesamten Verleih-Branche Wellen schlägt, zeigt auch die Reaktion der Wettbewerber. So hat etwa Stephan Boelte, Regional General Manager DACH & Osteuropa des schwedischen Verleihers Voi, eine ganzseitige Stellungnahme veröffentlicht: „Bird war ein Pionier in der Mikromobilitätsbranche und ebnete den Weg für viele Unternehmen wie das unsere. Es zeigt sich einmal mehr, dass dies eine schwierige, komplexe Branche ist, und unser Mitgefühl gilt heute den Mitarbeiter:innen von Bird in ganz Europa, die von dieser Nachricht betroffen sind. Mikromobilität ist nicht mit der Entwicklung eines Softwareprodukts oder einer Fintech-App vergleichbar. [...]es erfordert Engagement, Investitionen und operative Exzellenz seitens der Betreiber und den richtigen regulatorischen Rahmen in den Städten, um in dieser komplexen Branche erfolgreich zu sein.“
Auch er sieht Handlungsbedarf beim regulatorischen Rahmen für Verleih-E-Scooter: „Das Regulierungsumfeld in Deutschland ist noch nicht darauf ausgerichtet, die Qualität der Dienste für jeden Betreiber zu gewährleisten. Deutschland liegt hier hinter Märkten wie Norwegen, Großbritannien und Südeuropa zurück, hat aber die einmalige Chance, die Dinge voranzutreiben, da deutsche Städte wie Nürnberg und Düsseldorf nun das Ausschreibungsmodell übernehmen. Wir laden andere Städte ein, ihrem Beispiel zu folgen.“
Bevor es soweit ist, könnte es aber noch eine Weile dauern. Bis dahin erwarten die meisten Marktbeobachter, dass weitere Mikromobilitätsanbieter nicht den langen Atem haben, um so lange durchzuhalten.
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