
Report - Leasing
Das Geschäftsmodell Fahrrad-Leasing
Wenn schon das Fahrrad-Leasing heutzutage eine so wesentliche Rolle in der Branche einnimmt, dann sollte auch jeder Marktteilnehmer wissen, wie dieses Geschäft im Detail funktioniert. Zunächst einmal ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, wie groß das Geschäft mit geleasten Fahrrädern inzwischen geworden ist. Im Jahr 2022 erreichte das Leasing von Fahrrädern und E-Rollern in Deutschland ein Neuvolumen von 1,86 Milliarden Euro. Das war ein Zuwachs um 31,7 Prozent innerhalb eines Jahres. Innerhalb der Leasing-Welt weisen Fahrräder in dieser Zeit »die dynamischste Entwicklung aller Objektgruppen« auf, wie es vonseiten des Leasing-Verbandes BDL (Bundesverband deutscher Leasing-Unternehmen) heißt. Laut der Fahrradwirtschaftsstudie von Zukunft Fahrrad und T3 letzten Sommer wurden im Jahr 2023 bereits 790.000 Fahrräder geleast.
Auf den ersten Blick scheint mit dem Fahrrad-Leasing die Quadratur des Kreises gelungen zu sein: Die Fahrradhersteller verkaufen hochwertige Räder, der Handel bekommt den Kaufpreis des Fahrrads zuverlässig überwiesen bei oft höherem Kassenbon als beim Direktkauf. Die Kundschaft freut sich über ein Fahrzeug, das sie durch Steuererleichterungen nicht so günstig bei einem Direktkauf bekommen hätte. Die Rede ist von bis zu 40 Prozent Ersparnis. Und die Leasingprovider scheinen auch nicht so schlecht wegzukommen in diesem Geschäftsmodell. Aber wie entsteht der Verdienst der Leasing-Unternehmen und wie viel Geld bleibt bei ihnen hängen? Wie sieht eigentlich eine typische Kalkulation beim Leasing-Geber aus? An welchen finanziellen Schrauben können sie drehen? Insbesondere will man aus Handelssicht wissen, welchen Anteil man selbst beiträgt.
Wenig überraschend ist die Bereitschaft aus der Leasing-Welt, diese Fragen im Detail zu beantworten, recht überschaubar, aber nicht null. Niemand will als Quelle genannt werden, aber im vertraulichen Gespräch erfährt man doch einiges.
Die Basics des Leasing-Geschäfts
Das Leasing-Geschäft beginnt damit, dass ein Leasing-Anbieter einen Arbeitgeber vertrieblich akquiriert. Das bedeutet im Kern, dass dieser Arbeitgeber entscheidet, seinen Mitarbeitenden Dienstrad-Leasing zu ermöglichen. Er schließt in der Folge mit einer Leasing-Bank einen Rahmenvertrag ab, in dessen Verlauf auch seine Solvenz geprüft und das benötigte finanzielle Rahmenvolumen festgelegt wird. Dieses richtet sich danach, wie viele Mitarbeitende voraussichtlich ein Fahrrad leasen werden. Anschließend können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Fachhändler ihrer Wahl gehen und dort ihr Wunschrad auswählen. Es entsteht in diesem Zusammenhang ein Überlassungsvertrag. Der Arbeitgeber überlässt das Fahrrad seinen Arbeitnehmern, das Letztere auch privat nutzen dürfen.
Der Fachhändler verkauft in diesem Prozess ein Fahrrad, aber nicht an den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, sondern an einen Leasingprovider oder eine Leasingbank und wird direkt von ihnen bezahlt. Bei den Konstruktionen, bei denen der Leasingprovider als Käufer auftritt, wird das Rad in der Regel dann dennoch von diesem direkt weiterverkauft an eine Leasing-Bank. Am Ende ist das Rad also stets wieder im Besitz einer Leasing-Bank. Das ergibt Sinn, schließlich würden diese kein Objekt finanzieren, das nicht in ihrem Besitz ist.
Auftritt Versicherung: Diese liefert ein im Fahrrad-Leasing obligatorisches Produkt mit, nämlich die Fahrradversicherung. Diese gibt es in unterschiedlichen Ausführungen. Die Leasing-Bank als Eigentümerin des Fahrrads verlangt stets eine Diebstahlversicherung als Komponente, vieles Weitere bestimmt der Arbeitgeber. Wichtig für ihn ist unter anderem die Frage, was geschieht, wenn ein Arbeitnehmer mit Leasing-Vertrag das Unternehmen vor Ablauf der üblichen 36 Monate Leasing-Laufzeit verlässt. Ungern würde der Arbeitgeber dabei auf dem Rad sitzen bleiben, weswegen ein Ausfallschutz für diese Situation bei den Leasingprovidern ein relevantes Akquise-Argument darstellt.
Was macht nun der Leasing-Anbieter, der in der Mitte dieses Beziehungsgeflechts sitzt? Er organisiert diesen gesamten Zyklus als zentrale Stelle. Über ihn werden die verschiedenen Prozesse rund ums Leasing abgewickelt. Neben der Neukundenakquise, also der Arbeitgebergewinnung, gehört auch die Steuerung des Leasing-Ablaufs zu seinen Kernaufgaben.
Das Vertragskonstrukt
Die Verbindung zwischen den einzelnen Parteien im Leasing-Geschäft führt auch zu jeweiligen Vertragsverhältnissen. Dort sind Dinge geklärt, die die Leasing-Nehmerinnen und -Nehmer nicht unmittelbar interessieren, wie etwa die Besitzverhältnisse. Trotzdem will die Leasing-Bank unter keinen Umständen am Ende auf einem Berg Fahrräder und E-Bikes sitzen, sodass etwa zwischen Bank und Provider geklärt ist, wie das Andienungsrecht (also was mit dem Rad am Ende der Leasing-Zeit geschieht) ausgestaltet wird oder wie mit Störfällen jedweder Art umgegangen werden soll.
Die Geldflüsse des Leasing-Geschäfts
Einer der Faktoren, die den Leasing-Faktor bestimmen, ist etwa der Restwert des Rades. Beispielsweise kann vereinbart werden, dass die Leasing-Bank 90 Prozent des geleasten Fahrrads finanziert. Der jeweilige Leasingprovider würde dann das Rad am Ende für 10 Prozent des Kaufwerts übernehmen. Diese Prozentzahlen können sich je nach Vertrag unterscheiden.
Zwar gibt es keinen gesetzlichen Anspruch darauf, aber natürlich macht der Leasingprovider den Leasing-Nehmern am Ende ein Angebot zur Übernahme des bislang geleasten Rades. Üblich ist ein Übernahmepreis zwischen 15 und 18 Prozent des einstigen Preises. In diesem Beispiel verdient der Leasingprovider also bis zu
8 Prozent. Davon ist aber noch der geldwerte Vorteil abzuziehen, den das Finanzamt ansetzt und der üblicherweise vom Leasingprovider gezahlt wird. Die wichtigsten Geldflüsse für Leasingprovider kommen aber über Provisionen zustande. Dabei handelt es sich um die drei Partnerbeziehungen zu Leasing-Bank, Versicherung und dem Fahrradfachhandel. Sie sind die wesentlichen Einnahmequellen des Providers.
Der Händler
Wie das Geschäft für die Leasing-Provider mit dem Fahrradhandel abläuft, ist in der Branche noch am bekanntesten. Je nach Leasingprovider zahlt der Fahrradhandel bis zu sieben Prozent des Kaufpreises eines Leasing-Rads als Provision. Es gibt bekanntermaßen auch Provider, die geringere Provisionen verlangen und welche, die ganz darauf verzichten. Seit diesem Jahr gibt es sogar Modelle, bei denen Händler ihrerseits eine Provision bekommen. Noch sind sie nicht sehr verbreitet. Vertrauter ist es andersherum: Bei einem Fahrrad, das für 3000 Euro netto verkauft wird, erhält der Leasingprovider bei 6 Prozent Provision also 180 Euro.
Die Versicherung
Weniger bekannt ist der Geldfluss zwischen Versicherung und Leasingprovider. Da eine Fahrradversicherung Pflicht ist und mit jedem Leasing-Vertrag auch ein Versicherungsvertrag zustande kommt, vermittelt der Provider letzten Endes ein Versicherungsgeschäft und lässt sich dafür auch entlohnen.
Berechnet wird die Provision des Providers auf der Grundlage der Versicherungsprämie über die Leasing-Laufzeit. Je nach Leistungsumfang der Versicherung für das Fahrrad und der Kalkulation der Versicherung könnte im fiktiven Beispiel des 3000-Euro-Rades die monatliche Versicherungsrate bei ebenso fiktiven 20 Euro liegen. Auf eine Gesamtlaufzeit von 36 Monaten ergibt sich eine Gesamtprämie von 720 Euro. Auf diese Summe, abzüglich der Versicherungssteuer von 19 Prozent, erhält der Leasingprovider eine Provision, die im zweistelligen Bereich liegt. Gängig sind Werte zwischen 20 und 30 Prozent. Bei 30 Prozent wäre man bei einem Wert von 180 Euro netto.
Die Bank
Wie hoch die Provisionszahlung der Leasing-Bank an den Leasingprovider ausfällt, ist Verhandlungssache. Die Bank legt bereits vorab einen Zinssatz für das Leasing fest. Im Unterschied zu Finanzierungsgeschäften muss dieser auch nicht transparent dargelegt werden. Das ist ihr Basis-Leasingfaktor, in dem ihre Marge als Bank enthalten ist. Verhandelt wird danach, wie viel Provision der Leasingprovider erhält und welcher Restwert angesetzt werden soll.
Die wichtigsten Geldflüsse für Leasingprovider kommen über Provisionen zustande.
Den Quellen nach dürften die meisten Leasingprovider von der Bank eine Provisionszahlung »im höheren einstelligen Prozentbereich« erhalten. Werden beispielsweise 8 Prozent vereinbart, wird dieser Bestandteil zusätzlich auf die Marge der Bank noch draufgeschlagen. Dann bekommt der Leasing-Anbieter im Beispiel des 3000-Euro-Netto-Fahrrads weitere 240 Euro. Dieser Geldfluss ist damit ein ganz wesentlicher Bestandteil seiner Kalkulation. Die 8 Prozent sind hier nur ein Beispiel. Die Provision kann auch niedriger liegen oder in den zweistelligen Bereich gehen. Auch ist denkbar, dass Sonderprovisionen bei übertroffenen Jahreszielen vereinbart werden.
Die Summe
Leasingprovider, die auf alle drei Finanzströme zugreifen, kommen in der Beispielrechnung mit dem 3000-Euro-Fahrrad auf eine Summe von mehreren Hundert Euro, die sie an einem einzigen Fahrrad eingenommen haben, ohne es je in die Hand nehmen zu müssen. Dazu kommen weitere mögliche Einnahmen wie etwa aus der erwähnten Fahrradübernahme.
Das Fahrrad-Leasing ist, wenn man die gesamte Leasing-Branche betrachtet, ein noch junges Geschäftsfeld mit relativ geringem Wettbewerbsdruck, auch wenn das innerhalb der Fahrradbranche mitunter anders wahrgenommen wird. Die Leasing-Faktoren sind infolgedessen noch deutlich höher als in Segmenten, in denen schon lange geleast wird, die Margen entsprechend hoch. Es ist eine Frage der Zeit, bis mit der weiteren Entwicklung des Fahrrad-Leasing-Marktes auch die Leasing-Faktoren zurückgehen, sprich die Provisionen für die Provider geringer werden. Doch bis dahin ist das Fahrrad-Leasing für die Beteiligten ein sehr attraktives Geschäftsfeld und wird auch langfristig reizvoll und wichtig bleiben.
Spannend bleibt die Frage, wie sich die Händlerprovisionen entwickeln werden. Zuletzt gab es immer mehr Aktivitäten und Aktionen auf Seiten der Leasingprovider, mit denen Händler stärker in die Arbeitgeber-Akquise eingebunden werden und der Handel selbst Provisionen bekommt, wenn er neue Kundschaft gewinnt. Treibender Faktor dabei ist auch, dass die Konzerne für Dienstrad-Leasing als weitgehend abgegrast gelten und künftiges Wachstum vor allem mit klein- und mittelständischen Arbeitgebern erhofft wird. Dieses kleinteilige Akquisegeschäft lässt sich für Leasingprovider nur schwer selbst darstellen; damit schlägt die Stunde der regional vernetzten Handelspartner. Bisher jedenfalls trifft diese Konstellation, bei der die Fahrradhändler einen Arbeitgeber gewinnen, nur für einen Bruchteil der rund 1,9 Millionen (Stand Dezember 2023) laufenden Leasing-Verträge zu. Bis auf Weiteres bleibt das bekannte Dilemma im Handel bestehen: Einerseits sind die Provisionszahlungen des Handels an die Leasingprovider ein sehr großer Kostenfaktor. Andererseits wäre die Lage ohne das Leasing-Geschäft viel, viel schlechter. //
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