
Markt - Leasing
Die Gefahren vs. die Chancen des Leasing
Gefahren durch das Leasing? Fraglos wäre die Branche heute eine andere, weniger erfolgreiche, gäbe es diese Absatzform nicht. Doch über diese Schiene tauchen auch neue Geschäftsmodelle als Möglichkeit am Horizont auf. Diese haben das Zeug, die ganze Fahrradwirtschaft durcheinanderzuwürfeln. Zum Guten oder zum Schlechten? Beides ist denkbar.
Plattformvertrieb über die Leasing-Provider selbst
Das kritische Geschäftsmodell an dieser Stelle ist der Eigenvertrieb durch die Leasing-Anbieter selbst. Bisher treten diese im Verkauf kaum direkt auf. Verhandelt wird meist zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und dem Fahrradhandel. Doch das muss nicht so bleiben. Jede einzelne Leasing-Gesellschaft hat wahrscheinlich zumindest einmal darüber nachgedacht, wie so ein Modell funktionieren könnte. Die Kundinnen und Kunden wählen dann auf den eigenen Online-Portalen aus einer großen Auswahl an Fahrrädern aus. Das Portal würde Umsätze generieren über Verkäuferprovisionen oder den Direktverkauf oder – a là Amazon – über die Vermarktung von besonders attraktiven Positionierungen bei Herstellern – oder alles drei. Ungeahnte Möglichkeiten tun sich auf, und es wäre naiv anzunehmen, dass diese Gedankenspiele bei den Leasing-
Providern nicht Begehrlichkeiten wecken. Verschiedene Randbemerkungen der jüngsten Zeit aus der Leasing-Welt lassen nur den Schluss zu, dass mitunter nur noch auf die richtigen Bedingungen gewartet wird.
Aber ist es nicht so, dass die Kundschaft immer noch gerne das Rad ausprobiert und anpassen lässt, bevor es gekauft wird? Die Kundinnen und Kunden wollen nach wie vor vergleichen und analysieren, was am besten zu ihnen passt. Doch wird das dauerhaft so bleiben? Was ist mit denjenigen, die nach drei Jahren zum zweiten Mal leasen? Die wissen zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon recht genau, was ihnen passt und was sie wollen. Brauchen diese Kundinnen und Kunden tatsächlich noch mal eine ausführliche Beratung? Oder würden sie dann doch für einen gewissen Preisvorteil direkt beim Hersteller oder Leasing-Unternehmen kaufen? Treiber dieser Entwicklung werden eher nicht die Kundinnen und Kunden sein, sondern die Leasing-Gesellschaften mit ihnen verbundenen Marken und Herstellern.
Besonders dann, wenn die angebotenen Marken auch noch aus dem eigenen Konzern stammen, oder – durchaus denkbar – zu diesem Zweck übernommen werden. Ein Leasing-Anbieter mit einem gewissen Marktanteil könnte so seiner eigenen Marke einen gewaltigen Marktzugang und -vorsprung ermöglichen. Warum ist es dann noch nicht so weit? Zum einen fehlt es schlicht am Zugang zu Werkstattkapazität. An dieser Stelle spielt der stationäre Fachhandel seine unverzichtbare Rolle als Service-Dienstleister aus. Würde ihm sein eigenes Verkaufsgeschäft abgegraben, wäre die Zukunft der Handelsstrukturen ernsthaft gefährdet. Die Branche soll ja auch in Zukunft »stationärer Fahrradfachhandel« heißen und nicht »stationärer Fahrradfachwerkstattbetrieb«. Auch sind die anderen Pflichten und Aufgaben des Handels nicht zu unterschätzen. Doch neben dieser bisher eher theoretischen Aussicht gibt es Entwicklungen, die bereits heute konkreten Einfluss auf das Geschäft mit Fahrrädern haben.
Chance Leasing-Rückläufer
Eine seit Anbeginn des Leasings bestehende Frage lautet: Wer bekommt die Leasing-Rückläufer und was passiert mit ihnen, wenn sie nicht von der Kundschaft übernommen werden? Gegenwärtig konzentriert sich dieses Geschäft auf die spezialisierten Refurbishing-Unternehmen wie Rebike, Bravobike und Co.
Es gibt daneben aber schon erste Händler, die an eigenen Geschäftsmodellen rund um die Leasing-Rückläufer arbeiten. Im Grunde ist es ein vertrautes Feld für den Fahrradhandel: Gebrauchte Räder zu verkaufen, ist kein spektakuläres Neuland. Der Reiz bei den Leasing-Rückläufern liegt darin, dass man keine jahrzehnte-alten U-Bahn-Pendel-Räder angedient bekommt, sondern in der Regel exakt drei Jahre alte, meist gut gewartete Fahrradtechnik, die grundsätzlich noch lange ihren Dienst versehen kann und auch eher wenig Arbeit in der Aufbereitung macht. So kommt es, dass Händler, wenn sie einmal direkt von Leasing-Gesellschaften solche Rückläufer angeboten bekommen, sie mitunter unbesehen einkaufen. In der Regel liegt der Preis in etwa bei dem, was auch den Leasing-Nehmenden angeboten wird, oft etwas darunter. Natürlich liegt der echte Marktwert aber noch höher – zumindest galt das bis zuletzt. Angesichts der Überbestände allerorten bleibt noch zu klären, wie sich hohe Neukauf-Rabatte auf den Gebrauchtmarkt durchschlagen. Im Augenblick dürfte der erzielbare Preis etwas unter dem liegen, was man sonst erzielen könnte. Ganz ohne Komplikation ist das Geschäft mit den Rückläufern trotzdem nicht. Das wird besonders klar, wenn man sich die Leasing-Störfälle anschaut.
Wer bekommt die Leasing-Störfälle?
Bei den sogenannten »Störfällen« handelt es sich um Leasing-Räder, die vorzeitig zurückkommen. Wenn etwa ein Arbeitnehmer den Job wechselt, bekommen in der Regel die Leasing-Provider beziehungsweise die Versicherungen vorzeitig ein Fahrrad zurück, das sie nicht haben wollen. Sie sind ein großes Problem, weil sie die Kalkulation ruinieren und stückzahlenmäßig im Bereich der Rückläufer liegen.
Sollten Leasing-Provider einmal ernsthaft mit dem Gedanken spielen, auf eigene Rechnung Fahrräder zu verleasen, werden die Karten im Markt neu gemischt.
Hier gilt es für den Handel, das Kleingedruckte im Vertrag zu lesen. Es gibt Leasing-Anbieter, die in diesen Fällen das Rad dem jeweiligen Händler zuschieben. Das ist aus zweierlei Gründen womöglich ein Problem für ihn. Diese Konstellation wird gewählt, wenn keine Versicherung diese Räder versichern will, etwa weil ein wackeliger Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden Dienstrad-Leasing ermöglicht. Sollte dieser ausfallen, kommt womöglich eine größere Zahl an Rädern zurück. Zudem sind diese zum aktuellen Restwert vom Händler abzunehmen. Das könnte schnell eine riesige Kostenfalle werden. Zumindest bislang ist diese Situation aber noch nicht in existenzbedrohendem Umfang eingetreten.
Kostenfaktor Leasing-Provisionen
Die Provisionen, die der Handel an die Leasing-Provider zahlt, werden weiter in der Diskussion stehen. Insbesondere geht es um die Frage, ob es wirklich nicht ohne sie geht. Das jüngste Beispiel Businessbike, wo neue »Rabatte« für den Handel eingeführt wurden, zeigt, wie wenig Bereitschaft in der Händlerschaft vorhanden ist, solche Kosten zu übernehmen, und wie groß der Unmut darüber ist. Die Denkweise der Leasing-Gesellschaften ist prinzipiell leicht zu verstehen. Bei der Akquise insbesondere großer Arbeitgeber haben sie mitunter hohe Vertriebskosten. Aktuell kommt noch dazu, dass die hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre wohl erst einmal vorbei sind. Drittens sitzen sie am längeren Hebel, denn wo geleast wird, entscheiden die Arbeitgeber und nicht der Handel. Doch hier tun sich bereits Nuancen auf. Händler mit guter Vernetzung zu lokal verorteten Unternehmen können sehr wohl Einfluss nehmen, wie und vor allem bei welcher Gesellschaft geleast wird. Auch das Neukundengeschäft beeinflussen sie. Es ist bereits zu sehen, dass sie alles Mögliche tun, um zu den provisionsfreien Anbietern hinzulenken. Dass es auch ohne die Provisionen der Händler geht, zeigen ja mehrere Leasing-Anbieter im Markt. Mit Linexo gibt es bereits den ersten Newcomer, der sogar seinerseits an den Handel Provisionen zahlt. Auch jenseits der Fahrradwelt gibt es nur wenige Branchen, bei denen beim Leasing der Handel Provisionen zahlt. Meist ist es umgekehrt. Angesichts der Widerstände und der Optionen scheint es langfristig eine offene Frage zu sein, ob Händlerprovisionen sich durchsetzen.
Die neue Liebe zum Fachhandel
Es war eine Auffälligkeit bei den Nachrichten des Jahres 2024: Mehrere Direktvertreiber haben in jüngster Zeit verstärkt den Weg zum Fachhandel gesucht. Statt strikt auf den Direct-to-Consumer-Weg zu setzen, wollen nun in jüngster Zeit viele dieser Unternehmen auch den stationären Handel und insbesondere dessen Werkstätten einbinden. Warum ist das so? Neben komplexerer Fahrradtechnik mit entsprechend mehr Wartungsbedarf dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass nur so die beim Leasing vereinbarte Wartung sichergestellt werden kann. Selbst für den Direktvertrieb ist das Leasing heute ein Faktor, auf den man nicht verzichten kann und nicht verzichten will.
Ob diese Entwicklung eine Gefahr oder ein Segen ist, muss sich erst noch zeigen. So sind einige Direktvertreiber entweder ganz umgeschwenkt zu einer Fachhandelsdistribution oder sie suchen verstärkt die Nähe zum stationären Handel. Haben sie damit eingestanden, dass ihr Geschäftsmodell nicht funktioniert? Eher nicht. Die Händlermarge einzustreichen, ist nach wie vor ein sehr attraktives Konzept. Ohne den Fachhandel ist es aber schwer, den notwendigen und geforderten Service zu leisten. Grundsätzlich sind die Werkstattkapazitäten im Direktvertrieb nicht mal ansatzweise so groß, dass alle verkauften Räder wieder in Koblenz, Bocholt oder wo auch immer gewartet werden könnten. Es würde auch gar keinen Sinn ergeben, all diese Räder zur Wartung als teures Sperrgut durch das Land zu transportieren, wenn eine Werkstatt vor Ort den Service viel schneller und letztlich auch kostengünstiger erledigen kann. Hier schlagen zwei Herzen in der Brust des stationären Fachhandels, das Dilemma ist schon seit Langem bekannt: Man will den Versendern nicht ihre »schmutzige« Arbeit abnehmen, schon gar nicht zu unattraktiven Konditionen, aber gleichzeitig will man diese Kundschaft für den nächsten Rad- oder zumindest Zubehörkauf für sich gewinnen. Immer häufiger braucht man diese Wartungs- und Reparaturaufträge auch für ein gutes Betriebsergebnis.
Planbare Umsätze dank Leasing
Bei einer jüngsten Unternehmensmitteilung von Jobrad wurde fast schon beiläufig der noch recht neue Aspekt des Folgeleasing-Push ausgeführt. Vergangenen Herbst aufgelegt, enthielt die Winteraktion für den Handel auch eine neue Handreichung, um Kundinnen und Kunden anzusprechen, deren Fahrrad-Leasing demnächst ausläuft. Es »entscheiden sich doppelt so viele JobRadler:innen für ein Folge-Leasing«, wird dort mitgeteilt, ohne näher auf den Punkt einzugehen. Leider lassen sich die Freiburger nicht genauer in die Karten schauen, konkrete Zahlen wollte man auf Nachfrage nicht nennen. Trotzdem sollte bei jedem Fahrradhändler an dieser Stelle eine hell leuchtende Lampe über dem Kopf aufblenden. Es kursiert die Zahl, dass bisher nur 15 Prozent aller Fahrrad-Leasenden direkt im Anschluss ans Leasing-Ende ein neues Fahrrad leasten. Wenn sich diese Zahl verdoppeln ließe, wäre man bereits bei 30 Prozent.
_1,9 Millionen Fahrräder und E-Bikes waren laut einer Studie von Zukunft Fahrrad und Deloitte Ende 2023 in laufenden Leasing-Verträgen. Aktuell dürfte die Zahl nochmals höher liegen._
Wenn man also vor drei Jahren 100 E-Bikes und Fahrräder über Leasing an die Kundschaft gebracht hätte, könnte man nun davon ausgehen, dass in diesem Jahr 30 absehbar hochwertige Zweiräder planbar und zielgerichtet an den Mann und die Frau verleast werden können. Umsatzplanung war noch nie schöner und zuverlässiger. Es gehört damit zu den Top-Prioritäten des Handels, die Folgeleasing-Ansprache kurzfristig zu perfektionieren, sich in dieses Thema einzuarbeiten und alle notwendigen Strukturen und Kommunikationspfade einzurichten, damit hier kein Umsatz verschenkt wird.
Wie wichtig das Folge-Leasing sein könnte, lässt sich auch mit Blick auf den Gesamtmarkt ableiten. Jobrad spricht davon, dass in diesem Jahr 270.000 Leasing-Verträge bei ihnen auslaufen. Das wären allein über Jobrad dann 40.500 bundesweit potenziell mehr verleaste Fahrräder und E-Bikes, wenn man die Verträge des Jahres 2022 in den Blick nimmt. Marktweit geht man für das Jahr 2022 mit 680.000 neu abgeschlossenen Fahrrad-Leasing-Verträgen aus. Es könnten mit dem entsprechenden Folge-Leasing-Aufwand 102.000 Räder zusätzlich in diesem Jahr 2025 in den Markt kommen. Eine Studie von Zukunft Fahrrad zusammen mit Deloitte nannte die Zahl, dass zum Zeitpunkt Ende 2023 rund 1,9 Millionen Fahrräder und E-Bikes im Markt sind. Die Zahlen für 2024 liegen noch nicht vor, aber man kann davon ausgehen, dass in diesem Jahr mehr Räder geleast wurden als 2021. Über 300.000 Räder in den nächsten drei Jahren zusätzlich absetzen zu können, sollte für alle genug Motivation sein, diesen Punkt in den Fokus zu nehmen.
Zudem sind angesichts der noch frischen Initiative bei 30 Prozent noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgereizt – immer unter der Voraussetzung, dass die Grundannahme von 15 Prozent Folge-Leasing in der Vergangenheit halbwegs der Realität entspricht.
Nicht zuletzt ist diese Initiative, bei der Jobrad wieder einmal den Vorreiter gibt, auch ein Hinweis, dass sich das Geschäftsmodell der Leasing-Gesellschaften verändert. Ging es in den vergangenen Jahren vor allem darum, immer neue Menschen aufs Leasing-Fahrrad zu setzen, rücken nun mehr und mehr die Bestandskunden in den Vordergrund.
Welche Marken können geleast werden?
Bisher ist es der Markt gewohnt, dass praktisch alle Marken und Räder auch per Leasing an den Mann oder die Frau gebracht werden können. Inzwischen häufen sich jedoch die Berichte, dass bestimmte Fahrräder nicht mehr geleast werden konnten. Problematisch scheinen Custom-Made-Räder zu sein, Fahrräder von sehr kleinen Marken und anderweitig »unattraktive« Marken, deren Wiederverkauf als Rückläufer offenbar als schwierig eingeschätzt werden könnte. Auch bei Qualitätsproblemen oder Unternehmenskrisen kann es offenbar den Ausschlag zum Ausschluss geben. Das Problem: Genaue Kriterien für den Ausschluss werden von den Leasing-Gesellschaften nicht genannt. In der Regel haben Hersteller und Leasing-Gesellschaft keine direkte Beziehung zueinander. Hier entstehen für die betroffenen Marken existenzielle Krisen durch eine Partei, mit der man eigentlich nichts zu tun hat, die aber dennoch den Verkauf massiv beeinflusst.
Es geht für die Branche also nicht zuletzt darum, die stattfindenden Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und vor allem mitzugestalten, sodass bestehende Fachhandelsstrukturen nicht zerstört werden – immer unter der Voraussetzung, dass sie von den entsprechenden Protagonisten als erhaltenswert verstanden werden. Es mag keine reizvolle Aussicht sein, dass einige Fahrradläden nur noch als Werkstattdienstleister weiterexistieren können und der Verkauf noch weiter in andere Kanäle verschoben wird. Doch genau diese Entwicklung droht.
Das Leasing ist ein gewaltiger Hebel, der neben der weiteren Konzentration im Handel (und aktuell auch der Industrie) maßgeblich mitbestimmen wird, wie die Fahrradwirtschaft der Zukunft aussehen wird. Kein Händler kann es sich leisten, passiv zuzusehen, wie diese Zukunft von anderen gestaltet wird. Stattdessen ist er gefordert, sich aktiv einzubringen und auf die Akteure einzuwirken, damit seine Perspektive berücksichtigt wird. Der Fachhandel dürfte nach wie vor den nötigen Einfluss haben, um sich Gehör zu verschaffen. Was auch immer an weiteren Entwicklungen stattfindet, es ist unwahrscheinlich, dass die Strukturen in der Fahrradwirtschaft so bleiben, wie sie jetzt sind. //
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