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Der Oscar fürs Fahrrad?
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Report - Eurobike-Award

Der Oscar fürs Fahrrad?

Zum 15. Mal wurde 2019 der Eurobike Award von der Friedrichshafener Messe vergeben. Doch was steckt eigentlich dahinter? Wie geht die Preisvergabe vor sich und was bringt eine Auszeichnung?

Preise für besonders innovative Produkte, ausgefallene Konzeptideen oder einfach gelungenes Design gibt es in allen Branchen. Oft kostet die Teilnahme an einem solchen Wettbewerb viel Aufwand und Geld. Der Eurobike-Award, ein mittlerweile sehr bekannter Preis, ist für viele schon aus zwei weiteren Gründen attraktiv: Die Gebühren sind, vor allem, wenn man Aussteller der Messe ist, recht überschaubar. Und wer tatsächlich einen Award gewinnt, der hat die branchenweite Präsentation seine Entwicklung gleich inklusive. Die Messebesucher nehmen die Gewinner schon direkt auf der Eurobike wahr und haben unkompliziert die Gelegenheit, den Stand des Ausstellers zu besuchen. Und auch die Medien schätzen die fokussierte Präsentation am Messe-Eingang. Für sie ist das die Möglichkeit, schnell und direkt an Highlights und möglicherweise auch Trends des nächsten Jahres zu kommen. Gut für den Hersteller.
Doch nach welchem System werden die Einsendungen honoriert? Geht das fair und ohne Beeinflussung von außen von statten? Gewinnen nicht die großen Unternehmen tendenziell häufiger – vielleicht, weil die Messemacher Interesse daran haben könnten, dass große Namen für die Messe sprechen? »Für uns ist es wichtig, dass die Awards unabhängig von irgendeiner Beeinflussung unsererseits vergeben werden«, sagt Award-Projektleiter Dirk Heidrich. »Wir als Eurobike organisieren den Ablauf, bleiben aber im Hintergrund und können so maximale Transparenz und Fairness gewährleisten. Die absolut unabhängigen Juroren machen den Award vertrauenswürdig.«

Juroren: Fachwissen aus der Branche

2019 gab es 396 Einsendungen zum Eurobike Award. Davon wird schon vor der eigentlichen Auswahl vor Ort ausgesiebt: 12 meist internationale Juroren bestimmen in einer Vorauswahl aus den Einsendungen, die Produkte, die in die eigentliche Wahl zum Award kommen. Das geschieht online: Sie bekommen die Liste mit allen Produkten und Konzepten inklusive deren genauer Beschreibung. So können sie anmerken, was sie für weniger preiswürdig halten. Dann beginnt die eigentliche Arbeit. Die sechs für die eigentliche Wahl bestimmten Juroren sind Teil des Teams für die besagte »digitale Auswahl«. Sie werden jährlich neu festgelegt und kommen aus einem Kreis anerkannter und meist bekannter Fachleute. Diese Jury trifft sich an zwei Tagen auf dem Messegelände Friedrichshafen, um die Auswahl in gemeinsamer Diskussion vorzunehmen. 2019 waren das die Journalistin und Bloggerin Andrea Reidl, die unter anderem für die Zeit Online und für velobiz.de Magazin schreibt, Buchautor und Fahrradhändler Erik Poscher-Mika (»Cargo-Bike Boom«), der Zweirad-Sachverständige Bernd Eisenschmidt, der Designer Eugene Maslov, der unter anderem für BMW tätig ist, der Zweiradmechaniker und Gründer des bekannten Londoner Fahrradcafés »Look mum no hands!«, Sam Humpheson sowie der Fahrrad-Journalist James McKnight. In der Branche sind die Preisrichter durchaus bekannt und anerkannt – und schon durch ihren Job der Unabhängigkeit verpflichtet. Da der fachliche Fokus der Juroren meist in unterschiedlichen Bereichen liegt, kann man getrost davon ausgehen, dass sie die Produkte von vielen Seiten betrachten.
Natürlich ist die Teilnahme auch ein Image-Faktor für diese Fachleute. Aber nicht nur: »Für mich ist es immer spannend, andere Meinungen und Blickwinkel zu Produkten zu bekommen – und das kann man beim Award schon, bevor die Innovation in der Öffentlichkeit vorgestellt wird«, sagt Journalistin Reidl. Und grundsätzlich ist es für sie mit Spezialgebiet »Urbane Mobilität« immer wieder spannend zu sehen, dass »die Branche oft weiter ist als die Städte«. Der Markt reagiert schnell – und der Award hilft und motiviert dabei. »Und außerdem«, schließt sie an, »sollte man nicht vergessen: Der Preis ist für die Entwickler ein Ansporn, weiter zu machen.«
Die Juroren ziehen in zwei Teams á drei Leuten durch die lange Linie der eingeschickten Innovationen, die über eine Spedition rechtzeitig nach Friedrichshafen gekommen sind. Damit sie sich in der Diskussion rund um besonders interessante Produkte nicht verzetteln – satte 255 Bewerber wollten dieses Jahr in zwei Tagen gesichtet und bewertet werden – ist den Juroren ein Moderator zur Seite gestellt. Eine Gruppe wurde von Markus Fritsch, einem der Verleger des velobiz.de Magazin betreut. Auch für ihn ist die jährliche Award-Vergabe ein wichtiger Termin: »Es gibt wenig Gelegenheiten, wo man so komprimiert den Entwicklungsstand der Branche erfassen kann. In zwei Tagen 255 spannende Produkte sichten – das ist wie ein Superkonzentrat aus 12 Hallen Eurobike.« Er erfüllt seine Aufgabe als Moderator gern – auch wenn er dabei natürlich nicht stimmberechtigt ist.

Innovation ist nicht alles

Eingesandt werden können Produkte aus elf Kategorien – von den verschiedenen Varianten des Fahrrads über Komponenten, Bekleidung und Zubehör. Eine Sonderstellung nehmen Konzepte und Dienstleistungen ein. Und Startups, die dieses Jahr zum zweiten Mal in einer eigenen Klasse zur Wahl standen.
Neben dem Grad an Innovation des Produkts oder Konzepts bewerteten die Juroren noch nach acht andere Kategorien. Dazu gehören neben der Funktionalität, dem Design und der Wahl des Materials und seiner Verarbeitungsqualität auch weiche Faktoren wie der Mehrwert, das Preis-Leistungs-Verhältnis oder die Nachhaltigkeit, ein Faktor, der heute immer wichtiger wird, auch auf Kundenseite.
Auf dem Factsheet, das die Messe dem Produkt beilegt, können die Juroren die einzelnen Gesichtspunkte separat ankreuzen und gegebenenfalls dazu Notizen machen. Wenn unter diesen Gesichtspunkten das Produkt überzeugt, bekommt die Einsendung vom jeweiligen Juroren-Trio einen grünen, ansonsten einen roten Punkt an der vorgegebenen Markierung auf diesem Zettel.
Da beide Dreiergruppen alle Einsendungen bewerten, kann es sein, dass auf manchen Produktbeschreibungen die zwei Jury-Gruppen zwei unterschiedlich farbige Punkte kleben – sprich: sich keine eindeutige Bewertung ergibt. Diese Einsendungen werden in einer zweiten Runde gemeinsam diskutiert, um zu einer gemeinsamen Einschätzung zu kommen.
Dieser Vergabe-Modus überzeugt: Die Auswahl der zwei Jurorengruppen, die die Einsendungen unabhängig voneinander bewerteten, war auch dieses Jahr weitgehend einmütig. Es gab nur gut ein Dutzend Projekte, über die beide Gruppen miteinander beraten mussten, weil sie im ersten Durchgang unterschiedlich bewertet worden waren. So kam man zu insgesamt 43 Awards.
Bei der weiteren Auswahl wurden neun Einsendungen, die die Jury besonders beeindruckten, mit dem Gold Award ausgezeichnet. Jedes Jury-­Mitglied kann dazu zwei Award-Gewinner, die ihn besonders begeistern, als Gold Award nominieren. Anschließend wird ausdiskutiert, welche der gekennzeichneten Produkte wirklich einen ­goldenen Award wert sind.
Alljährlich wird auch der Green Award für besonders umweltschonende und nachhaltige Produkte verliehen. Dieses Jahr kam es zu keiner Vergabe in dieser Kategorie; die Juroren fanden, dass keine der Einsendungen diesen Preis verdient hatte – auch ein Zeichen dafür, dass die Eurobike-Award-Vergabe nicht einfach nach Schema F verläuft, sondern die Jury sich sehr ernsthaft mit den Produkten auseinandersetzt.

»Was einen Award bekommt, ist wirklich gut«

Was bringt der Preis für den Hersteller oder Unternehmer? Neben der eingangs erwähnten Öffentlichkeitswirksamkeit für Produkt und Marke kommen noch weitere Punkte hinzu. Das weiß auch Markus Schulz, Geschäftsführer von By.Schulz: »Ich finde, das Niveau ist beim Eurobike Award hoch. Was einen Award bekommt, das ist wirklich ganz gut, und wirklich etwas Neues – und wird dann als solches anerkannt«, sagt der Entwickler des Speedlifters, der 2019 für das Konzept einer kompletten Verpackungslinie einen Award bekommt. Sie ist aus recyclebarem Karton und verzichtet komplett auf Kunststoff. Große Komponenten wie Sattelstützen sind nur zum Teil verpackt, Erklärungen zum jeweiligen Produkt findet man auf der Rückseite des Kartons, sodass Beipackzettel eingespart wurden. »Diesmal war die Teilnahme für uns aufwendig«, so Schulz, »weil wir selber einen kompletten Tisch mit der Verpackungsserie in Friedrichshafen aufgebaut haben. Aber es hat sich gelohnt«, bestätigt er die Empfehlung, sich mit der Präsentation des Produkts lieber etwas mehr Arbeit zu machen. Und Markus Riese von Riese & Müller, die mit einem neuen Highend-E-Bike einen Award bekamen, meint: »Uns überzeugt am Eurobike-Award besonders die interdisziplinäre Jury, die das Produkt aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachtet. Die Auszeichnung ist eine Anerkennung für die viele Arbeit, die wir in die Analyse, das Engineering, die Komponentenauswahl und Produktdesign stecken.«
Doch warum veranstaltet die Messe den Eurobike-Award? Sicher ist der Preis auch für die Messe ein Image-Träger, und für manchen Entwickler kann er vielleicht auch Anreiz sein, Aussteller zu werden. Doch grundsätzlich fühlt man sich als Messe der Branche verpflichtet, so auch Projektleiter Heidrich: »Wir sehen uns da natürlich auch als Dienstleister. Der Award ist ein deutlicher Mehrwert für die gesamte Branche – für Aussteller, Fachhandel und Endverbraucher.« Und natürlich ist es klasse, mit wenig Zeitaufwand schon am Eingang einen Überblick über die Neuheiten und möglichen Trends für 2020 zu bekommen – das schätzt der Fachbesucher wie der Hobbyradler am Publikumstag.

27. August 2019 von Georg Bleicher
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